27.09.2018 18:38:00

Morgen nächste Streikwelle bei Ryanair

Auf Europas größten Billigflieger Ryanair und seine Fluggäste rollt die nächste Streikwelle zu. Crews aus sechs verschiedenen europäischen Ländern wollen am Freitag ganztägig die Arbeit niederlegen - das kündigten die zuständigen Gewerkschaften an.

Trotzdem strich Ryanair bis Donnerstagnachmittag nur um die 200 Flüge aus dem Programm mit mehr als 2.400 Verbindungen. Die große Mehrheit der Beschäftigten werde ihren Dienst antreten, hieß es.

In Deutschland haben die Vereinigung Cockpit (VC) für die Piloten und Verdi für die Flugbegleiter zum Streik an allen deutschen Standorten aufgerufen.

Das ist auch der Grund, warum einige Flüge von Laudamotion betroffen sind: Es fallen Flüge von Ryanair-Maschinen aus, die für die Österreich-Tochter Laudamotion in Deutschland im Einsatz sind. Wie Laudamotion am Donnerstagnachmittag mitteilte, müssen aufgrund des kurzfristig angekündigten Streiks der deutschen Pilotengewerkschaft morgen, Freitag, insgesamt 8 Flüge aus und nach Deutschland aus dem Flugangebot genommen werden. Flüge aus Österreich sind von diesem Streik nicht betroffen.

Bereits am Mittwoch hatte Ryanair für Freitag 150 Europa-Flüge abgesagt. Diese Zahl erhöhe sich noch einmal um 35 bis 45 Streichungen, weil kurzfristig die deutsche Pilotengewerkschaft ihre Teilnahme an dem Streik bekanntgegeben hatte. Das wären nur rund 10 Prozent des für Deutschland geplanten Programms mit rund 400 Verbindungen. Später teilte Ryanair per Twitter mit, man habe wegen des VC-Streiks "unter 100" Flüge abgesagt. Eine Streichliste wurde erneut nicht veröffentlicht, dafür sollten betroffene Passagiere individuell informiert werden. Die Ryanair-Beteiligung Laudamotion sagte für Freitag acht Deutschland-Flüge ab.

Die Vereinigung Cockpit bezweifelte, dass es nur zu geringen Auswirkungen auf den Flugverkehr kommen werde: "Es werden deutlich mehr als 35 Flüge ausfallen", sagte VC-Sprecher Janis Schmitt. Beim letzten Streik der Piloten hatte Ryanair in Deutschland 150 von 400 Flügen abgesagt.

Ryanair riskiere mit der Absage nur weniger Flüge ein Luftverkehrs-Chaos, warnte die belgische Gewerkschaft CNE in Brüssel. "Indem es angesichts des morgigen Streiks nicht genügend Flüge annulliert, verhält sich Ryanair unverantwortlich und riskiert Spannungen und Unsicherheiten für Flughafenmitarbeiter, eigene Beschäftigte und Passagiere." Am Flughafen Charleroi etwa drohe angesichts von bis zu 20.000 erwarteten Passagieren Unruhe.

Die größte Ryanair-Basis in Deutschland ist der Flughafen Frankfurt. Dort plant Verdi - wie in Berlin-Schönefeld - am Freitag eine Kundgebung, zu der auch Kollegen anderer Standorte kommen sollen. In Frankfurt waren am Donnerstagnachmittag noch alle 22 geplanten Ryanair-Abflüge gültig.

Nach mehreren regionalen Auseinandersetzungen ist für Freitag auch der zweite pan-europäische, gemeinsame Streik von Piloten und Flugbegleitern geplant.

Beteiligt sind Beschäftigte aus Spanien, Portugal, Belgien, Italien, den Niederlanden und Deutschland. Das fliegende Personal will höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen nach dem jeweiligen nationalen Recht erreichen.

Verdi beklagte ein unzureichendes Angebot nach vier Verhandlungsrunden und warf dem Unternehmen Einschüchterungsversuche vor. Die überwiegende Mehrheit der Kabinenbeschäftigten arbeite in absolut unsicheren Beschäftigungsverhältnissen wie Leiharbeit, Probezeit, Kettenbefristungen und nach einem irischem Arbeitsstatut, kritisierte Verdi-Vorstandsmitglied Christine Behle.

Das Unternehmen hat nach eigenen Angaben eine Wettbewerbsbeschwerde bei der Europäischen Union eingelegt, weil sie hinter den europaweiten Absprachen das Personal verschiedener Konkurrenz-Airlines vermutet.

Von der Beteiligung der VC am Streik sei man überrascht und enttäuscht, betonten die Ryanair-Manager Kenny Jacobs und Peter Bellew in Dublin. Noch am Dienstag habe man in den Verhandlungen große Fortschritte gemacht und etwa akzeptiert, einen deutschen Staatsbürger als Schlichter zu berufen. Ryanair drückt nach eigenen Angaben aufs Tempo. Die Schlichtung könne in fünf bis sechs Wochen abgeschlossen sein, bis Jahresende könnten dann Mantel- und Gehaltstarifverträge abgeschlossen werden, sagte Bellew.

Einen so kurzen Zeitraum hält die VC für unrealistisch. Sie hatte die fehlende Schlichtungsvereinbarung als Grund für den erneuten Streik genannt. "Wir brauchen mehr Zeit und wollen keine falschen Versprechungen machen", sagte Sprecher Schmitt. "Wir waren uns nicht einig, was wir schlichten wollen, wie wir schlichten wollen und wer geeigneter Schlichter sein könnte." So habe sich der Eindruck verfestigt, dass Ryanair auf Zeit spielen wolle.

Bellew betonte erneut, dass man bis Weihnachten sämtliche Piloten an den deutschen Basen direkt bei der Airline anstellen wolle. Derzeit seien es schon mehr als 90 Prozent. Sie sollten Verträge nach nationalem Recht erhalten und die Sozialabgaben an ihrem Arbeitsort zahlen. Einzig die Lohnsteuer sei nach irischem Recht im Heimatland der Airline zu entrichten und dort leider höher als in Deutschland. Hier hoffe er auf politische Unterstützung der Gewerkschaften, dies zu ändern.

Nationale Verträge sollen auch die Piloten erhalten, die ab Sommer an den zwei neuen Basen in Frankreich starten. Nach acht Jahren Abwesenheit kehrt der Billigflieger dorthin zurück und eröffnet mit jeweils zwei Flugzeugen Basen in Marseille und Bordeaux. Insgesamt suche man fünf Standorte, wobei Paris sicherlich eine sehr interessante Option sei, meinte Organisationschef Bellew. Ryanair hatte sich 2011 nach Streitigkeiten um Sozialversicherungen des Personals vom französischen Markt zurückgezogen.

In Österreich verhandeln die Gewerkschaften mit der Ryanair-Tochter Laudamotion gerade über einen Kollektivvertrag. Beide Seiten äußerten gegenüber der APA die Erwartung, dass es im Oktober zu einem Abschluss für die in Österreich angestellten Beschäftigten kommt.

Ryanair ist der größte Billigflieger Europas. Die einheitlichen Boeing 737-Maschinen fliegen mehr als 215 Flughäfen in 37 Ländern an und operieren von 86 Basen in Europa und Nordafrika. Das hochprofitable Unternehmen beschäftigt nach eigenen Angaben rund 14 500 Menschen. Im Geschäftsjahr 2017/2018 machte das Unternehmen bei 7,15 Milliarden Euro Umsatz einen Gewinn von 1,45 Milliarden Euro.

(Schluss) rf/ggr

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