15.09.2015 18:16:40

AKTIEN IM FOKUS 2: Spekulationen um hohe Atomkosten erschüttern Versorgeraktien

(Neu: Schlusskurse und DZ Bank)

FRANKFURT (dpa-AFX) - Selbst hart gesottene Anleger haben bei den Aktien deutscher Versorger kalte Füße bekommen: Angesichts kursierender neuer Horrorzahlen für die Kosten des Atomausstiegs brachen die Papiere von RWE und Eon am Dienstag zeitweise um mehr als 12 Prozent ein. Bis zum Handelsschluss konnte vor allem die RWE-Aktie aufholen und schloss mit einem Minus von 3,31 Prozent. Die Eon-Aktie verlor 6,15 Prozent und belegte damit den letzten Platz im DAX, der mit einem Gewinn von 0,56 Prozent den Tag beendete.

Direkter Auslöser des Kurseinbruchs war ein "Spiegel"-Artikel, wonach den deutschen Energiekonzernen für den Atomausstieg möglicherweise Rückstellungen in Höhe von 30 Milliarden Euro fehlen. Dies sei das Ergebnis eines vom Bundeswirtschaftsministerium in Auftrag gegebenen Gutachtens von Wirtschaftsprüfern. Nach Informationen der "Rheinischen Post" fehlen Eon 9 bis 12 Milliarden Euro und RWE 7,5 bis 10 Milliarden Euro.

KONZERNE WEISEN ZAHLEN ZURÜCK

Eon erklärte gegenüber mehreren Medien, dass die "Spiegel"-Meldung nicht korrekt sei. Eine Sprecherin des Energiekonzerns RWE sagte, dass dem Unternehmen noch keine finale Fassung der Prüfung bekannt sei. RWE gehe aber davon aus, dass die gebildeten Rückstellungen richtig und angemessen seien und dies auch bestätigt werde.

Dem "Spiegel" zufolge reichen die bisherigen Rückstellungen von insgesamt 39 Milliarden Euro zwar aus, um die Atomkraftwerke in Deutschland zurückzubauen. Doch für die Endlagerung des Atommülls und den Aufbau eines Endlagers fehle das Geld.

MARKTEXPERTEN SIND UNEINS

Marktexperten reagierten auf den Bericht durchaus unterschiedlich und mit teils harschen Worten. Ein Händler sprach von einer anhaltenden "Todesspirale" für RWE. Ein anderer sagte, die Nachrichten gäben einen solch steilen Kursrückgang eigentlich nicht her. Doch derzeit wolle eben niemand deutsche Versorgeraktien haben.

Analystin Deepa Venkateswaran vom US-Brokerhaus Bernstein Research sieht in dem "Spiegel"-Artikel ein nicht plausibles Extrem-Szenario beschrieben. Zudem beziehe sich der Artikel auf einen Entwurf eines Gutachtens und nicht auf die endgültige Version. Die Bundesregierung könnte wegen ihrer Bemühungen um einen Fonds für die finanziellen Folgen des Atomausstiegs auch ein Interesse haben, die Risiken zu übertreiben, fügte sie hinzu.

EON UND RWE SIND GRÖSSTE DAX-VERLIERER IM JAHR

Auch Analyst Michael Schäfer von der Investmentbank Equinet betonte den vorläufigen Charakter des aufgeführten Gutachtens und die bislang fehlende Prüfung durch die Bundesregierung. Es müsse abgewartet werden, in welchen Umfang die Regierung die Versorger zwingen werde, weitere Rückstellungen vorzunehmen. Allerdings betrachtet Schäfer das Risiko eines Investments weiterhin als hoch und bestätige seine vorsichtige Einschätzung der Eon-Aktie.

DZ-Bank-Analyst Thorsten Wenzel hält es "für äußerst unwahrscheinlich", dass von den Konzernen tatsächlich gefordert werde, ihre Rückstellungen in dem beschriebenen Maße zu erhöhen. Die Höhe der Rückstellungen sei aber ein erheblicher Unsicherheitsfaktor und Grund für sein bestätigtes Verkaufsvotum für Eon. Die RWE-Aktie hingegen empfiehlt er weiterhin zu kaufen. Im Branchenvergleich sei deren Bewertung niedrig.

Angesichts der hohen Folgekosten der Energiewende haben die Aktien der Versorger in diesem Jahr massiv gelitten: Mit Verlusten von 43 Prozent bei Eon und sogar 55 Prozent bei RWE bilden sie das Schlusslicht im Dax, der nach einem Auf und Ab seit Jahresbeginn 4 Prozent im Plus liegt./edh/das/mzs/fbr

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