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Arm trotz Rohstoffreichtum 30.11.2013 03:00:01

Venezuela: Mit Gewehren gegen Inflation

von Andreas Fink, Euro am Sonntag

Clotilde Palomino hat nicht lange überlegt, als sie die Worte des Präsidenten hörte. Kaum hatte Nicolás Maduro verkündet, dass die Armee alle Filialen der Elektrokette Daka besetzt, griff sich die 56-jährige Hausangestellte ihr Erspartes und zog los zum Daka-Markt in Boleíta, einem der vielen Armenviertel von Caracas. Venezuelas Staatschef hatte versprochen, dass die Waren ab sofort zu „gerechten Preisen“ abgegeben würden. „Dass ja nichts mehr in den Regalen bleibt!“, rief Maduro in die TV-Kameras.

Am Morgen darauf trug Clotilde die Früchte der durchwachten Nacht in den Armen: einen Küchenmixer, ein Bügeleisen und ein Videogerät. Als sie sich Platz bahnte, jubelten die Menschen ihr zu, Fotografen schossen Bilder von ihr, und zu ihrer Freundin sagte sie: „Ich komme mir vor wie ein Hollywoodstar.“

Und das Foto der freudestrahlenden Frau wurde tatsächlich über den Erdball verbreitet — als Illustration zu dem Versuch, die höchste Inflationsrate der Welt mit Bajonetten zu senken. Der Zugriff am 8. November war nur der erste einer ganzen Serie: Elektroketten, Spielwarenhändler, Baumärkte wurden vom Staat gezwungen, ihre Preise zu senken — um bis zu 70 Prozent. Über 100 Geschäftsführer wurden verhaftet, allen wird Wucher zur Last gelegt.

Venezuelas „parasitäre Bourgeoisie“ habe den „Wirtschaftskrieg“ erklärt, behauptet der Präsident. Angestiftet von der Opposition und dem Imperium im Norden, hätten Importeure, Einzelhändler, Agrarproduzenten und Lebensmittelkonzerne die Krise erzeugt, die das ganze Land erfasst hat: Die Inflationsrate liegt bei 55 Prozent, die Währungsreserven sind 2013 um 27 Prozent gesunken und auf den Wert von 2004 gefallen. An den internationalen Kreditmärkten wird ausgerechnet dem Land mit den größten Öl­reserven der Welt das höchste Länderrisiko aller Staaten bescheinigt. Der Mangel an wichtigen Nahrungs- und Hygieneprodukten wächst. Regelmäßig fällt der Strom aus. Weil Venezuela immer weniger produziert, muss es 95 Prozent der Güter einführen — bei ständig sinkenden Erlösen für die Erdölexporte.

Ökonomischer Scherbenhaufen
Nun hofft Präsident Maduro, die Inflation zum Stillstand zu bringen, rechtzeitig vor den Kommunalwahlen am 8. Dezember. Diese wurden von der Opposition zu einem Plebiszit über die acht Monate unter Maduro stilisiert: Der frühere Busfahrer, der im April die erste Wahl nach Hugo Chávez’ Tod hauchdünn gewann, muss jetzt dessen ökonomischen Scherbenhaufen zusammenkeh­ren. Eine Studie der Bank of America ­bescheinigt Venezuelas Wirtschaft „schwere Verzerrungen“.

Die bizarrste davon ist der Unterschied zwischen Dollar und „Kopfsalat“. So der Name des schwarz ­gehandelten Greenback. Der Dollar kostet bei Schwarzhändlern acht bis zehnmal so viel wie jene 6,30 Bolivares, die der Staat bei der letzten Abwertung festlegte. Diese Differenz ist die Konsequenz der Kombination aus staatlich fixiertem Wechselkurs und hoher Inflation.

Kopfsalat und Kartenkratzer
Seit 2003 teilt allein die staatliche Devisenbehörde Cadivi den Firmen, Importeuren und Privatleuten Devisen zu — nach einem undurchsichtigen, umständlichen Verfahren. Im Schatten dieses Engpasses gedieh der Schwarzmarkt. Viele Händler, die bei Importeuren Waren bestellen, können nicht warten, bis sie die beantragten Devisen bekommen. Deswegen kalkulieren sie ihre Preise seit 2003 auf Basis des Parallelkurses. Weil dieser in den letzten Monaten so exorbitant stieg, ist der Devisenhandel inzwischen fast so rentabel wie das Geschäft mit Drogen.

Deswegen sind auch alle Flug­tickets ab Caracas für die kommenden Monate ausverkauft. Privatleute können bei der Devisenbehörde Dollar beantragen für Auslandsstudien, Versorgungszahlungen an Angehörige und für Reisen. Wenn das langwierige Verfahren positiv entschieden wird, bekommt der Antragsteller ein Devisenkontingent auf seine Kreditkarte zugeteilt, mit dem er im Ausland bezahlen kann. Nach der Heimkehr muss er den Behörden Quittungen für alle Ausgaben vorlegen. Doch inzwischen gibt es in den meisten von Caracas aus angeflogenen Zielen Agenturen, die Venezolanern gegen Kommission bare Dollar aushändigen — und Quittungen für angeblich erbrachte Leistungen. Tatsächlich heben viele Flugzeuge fast leer ab, denn von den meisten Passagieren reisen allein deren Karten, im Geldbeutel eines einzigen Emissärs. „Kartenkratzer“ heißen diese Geschäftsreisenden im Volksmund, die nur eine der vielen Spezies von Devisenspekulanten sind. Jahrelang war die doppelte Buchführung eine ergiebige Geldquelle für Funktionäre, Bankiers und Industrielle mit Zugang zur Regierung. So schätzt die Beraterfirma Econanalítica, dass 27,4 Prozent aller Importe im Vorjahr fingiert waren. Der Großteil dieser 15,4 Milliarden Dollar sei im öffentlichen Sektor versickert.

Um den erneuten Sieg des im Sterben liegenden Comandante Chávez zu sichern, hatte das Land 2012 ­ Waren für über 56 Milliarden Dollar importiert. Am Ende stand ein Haushaltsdefizit von 15 Prozent, dessen Finanzierung heute der Regierung die Luft abdrückt. Vor Wahlen wurde regelmäßig der Devisenhahn aufgedreht, ins Land kamen Laptops, Autoersatzteile und Lebensmittel. Chávez nutzte die Devisenbehörde als Machtinstrument, Freunde des Regimes und zahme Unternehmer bekamen reichlich, bei anderen tröpfelte es höchstens. Weil alle Maschinenteile importiert werden müssen, kalkulieren Fabrikanten stets mit dem inoffiziellen Dollarkurs, was die Inflation antreibt.

In die schlimmste Zwickmühle ­gerieten Lebensmittelproduzenten, die — ohne Devisen für den Kauf von Dünger und Landmaschinen — einen Teil ihrer Produkte zu staatlich verordneten Festpreisen anbieten müssen, die unter ihren Produktionskosten liegen. Das erklärt auch, weshalb in dem einstigen Plantagenland heute Zucker und Kaffee fehlen. Beides Produkte, die Venezuela bis zur Jahrtausendwende exportierte.

„Wir machen schwere Zeiten durch“, sagt Antonio Pestana, Vorsit­zender des Verbands der Agrarproduzenten. 65 Prozent der Traktoren und 85 Prozent der Erntemaschinen seien älter als 15 Jahre. Jahrelang seien den Landwirten keine Devisen zum Import neuer Maschinen genehmigt worden. Daher wird ein erheblicher Teil der Maisernte auf den Feldern verfaulen, während die Menschen im ganzen Land Schlange stehen nach Maismehl, Venezuelas wichtigstem Grundnahrungsmittel.

Ministerium für Glückseligkeit
Präsident Maduro wiederholt immer wieder, wie satt er die Klagen über den Devisenmangel hat: „Devisen, Devisen, sie wollen nichts anderes als Devisen! Die sind völlig besessen von diesem Übel!“, rief er und betonte mehrfach, dass die Elektrokette Daka, wie alle anderen belangten Händler, Devisen zum offiziellen Kurs zugeteilt bekommen habe. Mit jüngst vom Parlament zugesagten Sondervollmachten will er per Dekret Händlern maximal 30 Prozent Gewinn gestatten, um „das Einkommen der Venezolaner zu sichern“.

Fraglich bleibt jedoch, ob das Versorgungschaos dadurch tatsächlich abnimmt: Laut Zen­tral­bank gibt es in neun von zehn Supermärkten keine Milch, in acht von zehn Geschäften fehlt Klopapier. Viele Venezolaner verbringen täglich Stunden in Warteschlangen, wobei es ihnen nicht um Flachbildschirme oder Tab­lets geht, sondern um das Nötigste: um Öl, Mehl und Zahnpasta.

Ende Oktober hatte die Regierung massive Lebensmittelimporte angekündigt und ein Ministerium für Glückseligkeit eingerichtet, das alle Sozialprogramme der Regierung koordinieren soll. Damit seine Bürger im Dezember in festlicher Stimmung an die Wahlurnen gehen, hat Maduro sogar das Christfest vorgezogen: „Frohe Weihnachten 2013! Frühe Weihnachten, früher Sieg, frühe Glückseligkeit!“, wünschte der Staatschef zwischen Krippenliedern und Feuerwerk bereits am 1. November. Die Geschenke ans Gefolge, die in besseren Tagen vom Staat verteilt wurden, musste diesmal die Privatwirtschaft beisteuern. Doch Clotilde Palomino dürfte das egal sein: Sie hatte auch so eine schöne Bescherung.

Venezuela
Abgestürzte Staatspapiere

Dank immenser Ölvorkommen könnte Venezuelas Staatskasse prall gefüllt sein. Doch eine verfehlte Wirtschaftspolitik hat Spuren hinterlassen. Vene­zuela-Anleihen sind heftig unter Druck, die Renditen daher hoch. So bringt eine US-Dollar-Anleihe des Landes (ISIN: USP17625AA59) knapp 15 Prozent Rendite pro Jahr. Allerdings nur dann, wenn die Ramschanleihe Mitte 2023 wirklich bedient wird.

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