13.08.2013 21:33:32
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UPDATE: Restrukturierungskosten drücken ThyssenKrupp in die Verlustzone
-- ThyssenKrupp meldet Nettoverlust der fortgeführten Aktivitäten von 238 Millionen Euro
-- Ursache für Verlust sind vor allem Restrukturierungskosten und Steuereffekte
-- Hiesinger: Verkauf amerikanischer Stahlwerke nicht von Stichtagen abhängig
-- Hiesinger: Kapitalerhöhung auch unabhängig von Verkauf amerikanischer Stahlwerke möglich
-- ThyssenKrupp hält an Prognose für das laufende Geschäftsjahr fest
(NEU: Aussagen aus Analystenkonferenz, mehr Hintergründe)
Von Hendrik Varnholt
Der ThyssenKrupp-Konzern muss zeitgleich zu seinen Bemühungen um einen Verkauf der amerikanischen Stahlwerke weiter auch für die Restrukturierung anderer Unternehmensteile hohe Kosten tragen. Das Unternehmen geriet deshalb und aufgrund von Steuereffekten zwischen April und Juni selbst nach Herausrechnung der Ausgaben für die Amerika-Werke in die roten Zahlen. Auch der operative Gewinn ging noch einmal zurück. Er schrumpfte aber nicht so stark, wie von Analysten vorausgesagt.
Die Entwicklung unter dem Strich fällt dagegen überraschend schlecht aus: ThyssenKrupp meldete für das dritte Geschäftsjahresquartal einen Nettoverlust der fortgeführten Aktivitäten in Höhe von 238 Millionen Euro, nach einem Gewinn im Vorjahreszeitraum von 390 Millionen Euro. Analysten waren davon ausgegangen, dass der Konzern im abgelaufenen Quartal immerhin einen Profit von 50 Millionen Euro erwirtschaftet hat. Nach Angaben des Unternehmens allerdings belasteten die Restrukturierungskosten vor allem im Stahl-, Aufzugs- und Komponentengeschäft das Ergebnis mit rund 100 Millionen Euro. Hinzu kamen Kosten durch einen außergewöhnlichen Steuereffekt im Umfang von allein rund 150 Millionen Euro.
Unter anderem wegen der andauernd schwachen Nachfrage nach Stahl und Fahrzeugteilen in Europa schrumpfte auch das Ergebnis des laufenden Geschäfts: Vor Steuern und Zinsen (EBIT) sowie bereinigt um Sondereffekte verdiente ThyssenKrupp mit den fortgeführten Aktivitäten im dritten Quartal seines Geschäftsjahres nur noch 332 Millionen Euro, nach 384 Millionen Euro im Vorjahreszeitraum. Analysten hatten im Durchschnitt allerdings einen Rückgang des bereinigten EBIT auf sogar 276 Millionen Euro prognostiziert. Vorstandschef Heinrich Hiesinger zeigte sich mit der Entwicklung zufrieden. Starke Zuwächse im Auftragseingang der Industriegütergeschäfte belegen nach seinen Worten, "dass wir in der Umsetzung der strategischen Weiterentwicklung erfolgreich sind". Vor allem die Aufzugsparte floriert. Sie verbuchte laut Hiesinger einen Rekord-Auftragseingang.
Größter Sorgenfall des Konzerns sind dagegen nach wie vor die amerikanischen Stahlwerke. Nimmt man die Kosten für die von ThyssenKrupp als nicht fortgeführte Aktivitäten bezeichneten Produktionsstätten hinzu, hat der Konzern zwischen April und Juni unter dem Strich sogar 362 Millionen Euro verloren, nach einem Gewinn von 109 Millionen Euro im Vorjahreszeitraum. Die Anlagen in Amerika leiden nämlich noch immer unter einer schwachen Auslastung. Im abgelaufenen Quartal musste ThyssenKrupp in seinem Werk in der Nähe von Rio de Janeiro zudem einen Hochofen wegen technischer Schwierigkeiten zeitweise außer Betrieb nehmen. Nach mehreren Abschreibungen stehen die Anlagen in Brasilien und den USA noch mit einem Wert von rund 3,4 Milliarden Euro in den Büchern von ThyssenKrupp. Der Konzern hat bislang mehr als 12 Milliarden Euro für sein amerikanisches Stahlgeschäft ausgegeben.
Schon im Mai des vergangenen Jahres hatte ThyssenKrupp angesichts dessen den Rückzug aus der Stahlproduktion in Amerika angekündigt. Der Stahl- und Technologiekonzern sucht seitdem einen Käufer für die Produktionsstätten. Der Verkaufsprozess allerdings ist ins Stocken geraten. Wie das Wall Street Journal Deutschland von mehreren Informanten erfuhr, verhandelt ThyssenKrupp nun auch über eine Variante, nach der das brasilianische Stahlunternehmen CSN nur das ThyssenKrupp-Werk im US-Staat Alabama übernehmen würde. Vorstandschef Hiesinger sagte bei der Vorstellung der Quartalszahlen am Dienstag: "Auch wir hätten gerne schneller einen Abschluss erzielt." Der Verkaufsprozess dauere länger als erwartet, da etwa die Bieter das Hochlaufen des zeitweise abgeschalteten Hochofens abwarten wollten. ThyssenKrupp werde seine Entscheidungen "nicht von Stichtagen abhängig machen". Noch im Frühjahr hatte das Unternehmen einen Verkauf bis zum Geschäftsjahresende im September in Aussicht gestellt.
Angesichts des weiteren Verlusts erhöhte sich bei ThyssenKrupp abermals auch das Verhältnis der Nettofinanzschulden zum Eigenkapital. Das sogenannte Gearing betrug Ende Juni 185,7 Prozent und lag damit deutlich über dem mit Banken vereinbarten Grenzwert von 150 Prozent. Eine bislang nicht in Anspruch genommene Kreditlinie im Umfang von 2,5 Milliarden Euro ist damit in Gefahr, wenn sich die Kennzahl nicht bis zum Ende des Geschäftsjahres senken lässt. ThyssenKrupp bezeichnete das Gearing nun als "temporär erhöht". Der Mittelzufluss aus dem Verkauf des amerikanischen Stahlgeschäfts werde die Kennzahl "wieder signifikant reduzieren". Gleichwohl wolle das Unternehmen mit den Banken über den Grenzwert verhandeln.
Seine Liquidität betrachtet ThyssenKrupp als gesichert. Vorstandschef Hiesinger schloss gleichwohl abermals eine Kapitalerhöhung nicht aus. Zu einem solchen Schritt könne es auch unabhängig von einer Entscheidung über den Kauf der amerikanischen Stahlwerke kommen, sagte er nun. Noch vor einigen Wochen hatte Hiesinger erklärt, über die Ausgabe neuer Aktien erst entscheiden zu können, wenn klar ist, zu welchen Konditionen ThyssenKrupp das amerikanische Stahlgeschäft abgeben kann.
An der Prognose für die fortgeführten Aktivitäten hält der Konzern aber fest. ThyssenKrupp bekräftigte die eigene Voraussage, nach der das Unternehmen mit den fortgeführten Aktivitäten im laufenden Geschäftsjahr ein bereinigtes EBIT von rund 1 Milliarde Euro erwirtschaften will. Der Umsatz werde unter dem Niveau des Vorjahres von 40,1 Milliarden Euro liegen, wiederholte das Unternehmen. Im dritten Quartal sind die Erlöse der fortgeführten Aktivitäten gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 859 Millionen Euro auf 9,5 Milliarden Euro zurückgegangen.
Auf die Entwicklung reagiert ThyssenKrupp mit Sparbemühungen: In den nächsten Jahren soll ein Restrukturierungsprogramm die Kosten des Konzerns um rund zwei Milliarden Euro senken. Einen wesentlichen Beitrag soll die europäische Stahlsparte leisten. Bei ihr will ThyssenKrupp die Zahl der Stellen um bis zu 3.800 reduzieren - unter anderem durch den Verkauf von Teilen des Elektroband-Geschäfts.
Auch Konkurrenten sind in der Stahlkrise zum Sparen gezwungen. Der Stahlhersteller Salzgitter etwa verhandelt mit Arbeitnehmervertetern über ein Kostensenkungsprogramm. Er will am Mittwoch über erste Details des Sparvorhabens informieren. Salzgitter hatte Anfang August abermals eine Gewinnwarnung ausgegeben. Auch der Stahlhändler Klöckner & Co korrigierte seine Erwartungen nach unten. Vorsichtige Hoffnung allerdings machte jüngst der Chef des luxemburgischen Stahlkonzerns ArcelorMittal, Lakshmi Mittal. In einem Interview mit dem Wall Street Journal sagte er: "Wenn Sie sich die globale Situation anschauen, liegt das Schlimmste hinter uns."
Kontakt zum Autor: hendrik.varnholt@wsj.com
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August 13, 2013 15:02 ET (19:02 GMT)
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