Keine Alternative |
21.01.2022 16:08:00
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RBI-Analysten: Aktien auch 2022 alternativlos - EZB wohl bald vor einem Schwenk
Inflation und Zinsen seien bestimmend an den Kapitalmärkten, wobei die Inflation länger bleibe und hartnäckiger sei als zunächst angenommen, sagte Gunter Deuber, Leiter von Raiffeisen Research. Von den Notenbanken könnten Überraschungen kommen, osteuropäische hätten angesichts hoher Teuerungsraten schon Zinsen angehoben. In den USA habe dies die Fed bereits angekündigt - die EZB trotz ihres keineswegs eingeschränkten Spielraums noch nicht. Für Ende 2022 erwarte man sich eine Änderung in der Kommunikationspolitik der Eurohüter, so Deuber.
Nach der Rebound der Konjunktur auf das Vorkrisenniveau sei mit einem fortgesetzten Aufschwung zu rechnen. Man sehe ein konstruktives makroökonomisches Umfeld, die starken Jo-Jo-Effekte der letzten eineinhalb Jahre durch Corona würden zu Ende gehen, für 2023 sei ein Übergang zu einem normalen Konjunkturjahr zu erwarten. Österreich gehöre zu den "Erholungskaisern" in der Eurozone: Nach dem sehr heftigen Einbruch 2020 um 6,7 Prozent habe es 2021 beim BIP mit Plus 5,3 Prozent eine dynamische Erholung gegeben, für heuer rechne man mit 4,5 Prozent Zuwachs, für 2023 mit 2,2 Prozent. Die Unternehmensgewinne in Österreich hätten sich sehr positiv entwickelt, bei den ATX-Unternehmen würden sie heuer nochmals zulegen. "Der ATX dürfte auch heuer wieder zu den Outperformern zählen", so Equity-Research-Leiter Christian Hinterwallner.
Allerdings knabbere die Inflation an den Ertragsraten, und es seien am Aktienmarkt keine zweistelligen Renditen mehr zu erwarten. Die hohe Teuerung, angetrieben durch den starken Anstieg der Energiepreise, habe auch mittelfristige Implikationen. Für die Eurozone rechnet man bei Raiffeisen für heuer mit 3,6 Prozent Inflation, das ist deutlich mehr als die 3,2 Prozent, die die EZB erwartet. Allerdings werde die Kernrate (ohne Energie und Nahrungsmittel) heuer bei nur 2,3 Prozent liegen und 2023 nicht mehr über 2 Prozent.
Aus Lohnsteigerungen gebe es in der Eurozone noch deutlich weniger Druck als in den USA - oder in Osteuropa. Im CEE-Raum hätten Notenbanken bereits Leitzinsen erhöht, etwa in Tschechien auf 3,75 oder in Ungarn auf 4 Prozent, erinnerte Deuber in einem Online-Pressegespräch. Allerdings gebe es in Zentraleuropa einen Inflationsdruck wie in den USA, die Kernraten hätten bis zu 5, 5 1/2 oder 6 Prozent betragen. Auch die sehr engen Arbeitsmärkte würden hier die Inflation hochtreiben. Auch wenn es in Europa insgesamt noch keinen Druck von der Lohnseite gebe, sollte man die mittelfristigen Inflationsrisiken nicht unterschätzen.
Die geldpolitische "Entkoppelung" zwischen Europa und den USA hält Deuber für unnotwendig, für "nicht angezeigt", denn die wirtschaftliche Erholung sei in Europa fast so wie in den USA. "Der Spielraum der EZB ist nicht mehr eingeschränkt", so der Experte. Bis Dezember habe die EZB das Inflationsthema "heruntergespielt", meinte RBI-Chefanalyst Peter Brezinschek, erst in der letzten Zinssitzung am 16. Dezember habe man das Wort "temporär" in Bezug auf die hohe Teuerung gestrichen. Die US-Fed habe zugleich schon klargemacht, dass ein mittel- und längerfristiges Inflationsproblem gebe: "Die Kommunikation von Fed-Chef Powell ist eindeutig: Die erhöhte Teuerung ist eine Gefahr für das Ziel Vollbeschäftigung." Die RBI rechne ab März mit vier US-Zinserhöhungen, die Mitglieder des Fed-Offenmarktausschusses (FOMC) selbst mit drei. Das werde sich "2023 fortsetzen", es werde dann weitere vier Zinsanhebungen geben, so Brezinschek. Erst 2024 werde ein Einpendeln auf ein normales Niveau erfolgen.
"Im Herbst 2022 ist die entscheidende Phase, wo die EZB Farbe bekennen muss", meinte der Chefanalyst der Raiffeisen Bank International (RBI). Die EZB versuche zwar so lange wie möglich, das Einlagenzinsniveau negativ bzw. den Haupt-Refi bei Null zu halten, aber die Meinungen in der Europäischen Zentralbank seien "breit gefächert" und das Wording werde "vorsichtiger". Eventuell könnte es doch schon Ende dieses Jahres Zinserhöhungen geben, glaubt der RBI-Chefanalyst persönlich. Im offiziellen Ausblick hat Raiffeisen Research eine EZB-Zinsanhebung erst für 2023. Im ersten Schritt werde man wohl vom negativen Einlagesatz abgehen, so Brezinschek. Die Höhe der Staatsschulden seien "kein Hemmnis für Zinserhöhungen", widersprach er einem öfter gehörten Argument. Nicht deren Höhe sei interessant für die Staaten, nur die Abreifungspolitik.
Auch wenn mögliche Sanktionen gegen Russland von den USA oder aus Europa im Zusammenhang mit der Ukraine "derzeit nicht Teil unserer Überlegungen" seien, wie Deuber betonte, könnten solche Maßnahmen schon einen "weitreichenden globalen Einfluss" haben und den Aktienmärkten im zweiten Halbjahr ein Rücksetzer drohen. Man sehe zwar einen gewissen Konzessionswillen von Europa und auch den USA, aber Russland habe viel weiter gehende Forderungen. Auf militärische Schritte Moskaus gegen die Ukraine würden wohl die USA und das United Kingdom - als Signatar-Staaten des Budapester Memorandum von 1994 bei der damaligen KSZE-Konferenz - wohl "mit sehr einschneidenden Maßnahmen reagieren", so Deuber, und das wäre dann auch ein großes Risiko für den positiven Ausblick auf die Kapitalmärkte im ersten Halbjahr.
sp/bel
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