13.12.2012 11:04:49
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KORREKTUR/ROUNDUP3: Vorstandsentlassungen bei ThyssenKrupp erfreuen Anleger
ESSEN (dpa-AFX) - Ein Kahlschlag als Hoffnungszeichen: Mit Erleichterung haben die Finanzmärkte auf den geplanten Rausschmiss des halben ThyssenKrupp-Vorstands reagiert. Angesichts immer neuer massiver Probleme sollen gleich drei von sechs Vorständen des Essener Traditionsunternehmens nach dem Willen des Aufsichtsrats ihren Hut nehmen - eine höchst ungewöhnliche Maßnahme für einen Dax (DAX)-Konzern. Der Aktienkurs legte daraufhin bis zum Donnerstagnachmittag um mehr als 2,5 Prozent zu.
Dem seit Anfang vergangenen Jahres amtierenden Vorstandschef Heinrich Hiesinger (52) sprach das von Gerhard Cromme (69) geleitete Kontrollgremium sein Vertrauen aus, das Unternehmen wieder auf Kurs zu bringen. Die Ablösung seiner Kollegen sei "in enger Abstimmung" mit dem Manager entschieden worden, heißt es in einer Mitteilung vom Mittwochabend.
Neben dem Vorstand Jürgen Claassen (54) sollen auch Stahl-Chef Edwin Eichler (54) und Technologievorstand Olaf Berlien (50) gehen. Hintergrund sind drohende Milliardenverluste beim Stahlgeschäft in Übersee und sich häufende Berichte über unsaubere Geschäftspraktiken in gleich mehreren Sparten des Konzerns. Über eine Nachfolgeregelung wurde zunächst nichts bekannt.
Mit dem Schritt wolle man ein "klares Signal nach außen" setzen, hieß es in der Erklärung. Auch angesichts der Aufdeckung von Korruptions- und Kartellfällen stelle sich "die Frage nach der bisherigen Führungskultur im Konzern". Dabei setzt der Aufsichtsrat auf Hiesinger und den ebenfalls noch relativ neuen Vorstand Guido Kerkhoff. Ihre Arbeit finde die "volle Unterstützung" der Kontrolleure. Während der Elektroingenieur Hiesinger von Siemens zu ThyssenKrupp gekommen war, hatte Finanzchef Kerkhoff zuvor das Europageschäft der Telekom geleitet.
Aufsichtsratschef Cromme, der auch den Siemens-Aufsichtsrat leitet, gilt als einer der mächtigsten Kontrolleure in der deutschen Wirtschaft. Allerdings sind die Fehlentscheidungen bei ThyssenKrupp auch unter seinen Augen getroffen worden - er gehört dem Gremium seit 2001 an und war vorher selbst Chef des Stahlriesen, der künftig stärker zum Technologiekonzern umgebaut werden soll.
Die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat begrüßten die Pläne. "Transparenz und Ehrlichkeit im Umgang miteinander" seien in dem Unternehmen nicht mehr in jedem Fall selbstverständlich gewesen, sagte Bertin Eichler, der als Mitglied des IG-Metall-Vorstands auch stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender bei ThyssenKrupp ist.
Die Aufräumaktion an der ThyssenKrupp-Spitze hatte das Unternehmen am Mittwochabend völlig überraschend angekündigt. Die betroffenen Manager sollen den Konzern nach einer Empfehlung des Personalausschusses des Aufsichtsrats bereits zum Jahresende verlassen. Die endgültige Entscheidung darüber fällt am kommenden Montag (10.12.) im Aufsichtsrat des Konzerns. Am Dienstag legt ThyssenKrupp seine Jahresbilanz für das Geschäftsjahr 2011/2012 vor.
Nach Informationen der "Financial Times Deutschland" (FTD) drohen bei der Bilanzvorlage weitere Milliardenabschreibungen für das Stahlgeschäft in Übersee. Nach Medienberichten könnte der Konzern mit den von Hiesinger bereits seit Mai zum Verkauf gestellten Stahlwerken in den USA und Brasilien bis zu elf Milliarden Euro verlieren.
Außerdem kommen auf ThyssenKrupp nach der Aufdeckung eines Aufzugs- und Rolltreppenkartells mehrere Schadenersatzklagen zu. Die EU-Kommission hatte bereits eine millionenschwere Geldbuße verhängt. Alle Vorwürfe hinsichtlich des Aufzugs-und Rolltreppenkartells betreffen ausschließlich den Zeitraum vor 2004. Olaf Berlien ist erst seit 2009 für den betroffenen Unternehmensbereich Aufzugtechnik zuständig.
Gegen Claassen ermittelt die Staatsanwaltschaft Essen wegen Verdachts der Untreue im Zusammenhang mit einer USA-Reise. "Da haben wir einen Anfangsverdacht", sagte Oberstaatsanwalt Willi Kassenböhmer am Donnerstag. Es gehe es um die Frage, ob privat veranlasste Kosten korrekt gegenüber dem Arbeitgeber abgerechnet worden seien. Claassen hatte bereits am vergangenen Wochenende den Aufsichtsrat gebeten, ihn bis auf weiteres von seinen Vorstandsaufgaben zu entbinden. Der frühere Pressesprecher war im Vorstand ausgerechnet für die Einhaltung rechtlicher Vorgaben zuständig.
Eichler, der dritte betroffene Top-Manager, ist bisher für die Stahlsparte verantwortlich. Der Bau und Hochlauf der beiden Werke in den USA und Brasilien hat bereits Milliarden verschlungen. Die Prüfung der Projekte habe ergeben, dass die Planungen des früheren Vorstands deutlich zu optimistisch gewesen seien oder sich im Nachhinein als falsch erwiesen hätten, hieß es nun in der Mitteilung des Aufsichtsrats.
Laut Analyst Ingo-Martin Schachel von der Commerzbank unterstreicht der Paukenschlag den Veränderungswillen von Hiesinger und auch von Aufsichtsratschef Cromme hinsichtlich der Organisation und Kultur des größten deutschen Stahlkonzerns.
Bereits im vergangenen Monat hatte der Aufsichtsrat den Posten des Arbeitsdirektors im ThyssenKrupp-Vorstand neu besetzt. Der ehemaligen IG-Metall-Bezirksleiter Oliver Burkhard soll zum 1. April kommenden Jahres den Posten von Ralph Labonte übernehmen, der aus Gesundheitsgründen ausscheidet./uta/enl/hff/kie/DP/stk
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