Gespräche mitgeschnitten? 27.07.2020 17:58:00

Abhör-Affäre setzt VW-Aktie unter Druck: Volkswagen sucht Maulwurf - Prevent droht VW mit weiteren rechtlichen Schritten

Abhör-Affäre setzt VW-Aktie unter Druck: Volkswagen sucht Maulwurf - Prevent droht VW mit weiteren rechtlichen Schritten

Der Konzern sucht derzeit nach einem Spitzel aus den eigenen Reihen, der Gespräche einer Arbeitsgruppe mit heiklem Auftrag in den Jahren 2017 und 2018 mitgeschnitten hat, wie VW am Sonntag auf Anfrage mitteilte. Das Online-Wirtschaftsmagazin "Business Insider" hatte Auszüge aus den Mitschnitten öffentlich gemacht. In der betreffenden Arbeitsgruppe ging es um den heftigen Streit mit der Zulieferergruppe Prevent vor einigen Jahren - und wie Volkswagen darauf reagieren wollte.

Wenn interne und vertrauliche Sitzungen dokumentiert würden und "solche Informationen unberechtigt an die Öffentlichkeit gelangen, schockiert uns das zutiefst. Der Fall wird selbstverständlich untersucht", hieß es von VW. Laut "Business Insider" geht es um fast 50 Stunden an Audioaufzeichnungen. Ein Sprecher von Prevent sagte, das Unternehmen habe keine Kenntnis von den Aufnahmen gehabt.

2016 hatten Tochtergesellschaften von Prevent die Belieferung von VW mit Sitzbezügen und Getriebegehäusen im Streit um Bedingungen eingestellt und den Autoriesen damit in einen tagelangen Produktionsstopp unter anderem im Stammwerk Wolfsburg gezwungen. Weitere Streitigkeiten folgten, bis VW schließlich 2018 alle Verträge mit Prevent kündigte. Noch heute beschäftigt der Zwist in einigen Verfahren die Gerichte.

VW hatte damals in einer Arbeitsgruppe mit dem Namen "Projekt 1" erörtert, wie man mit dem streitbaren Zulieferer umgehen sollte. Das VW-interne Team hatte nach Angaben der Wolfsburger die Aufgabe, "weiteren Schaden vom Unternehmen, seinen Kunden, Mitarbeitern und Lieferanten abzuwenden. Es wurde offen über alle möglichen Lösungsansätze diskutiert, viele aber auch verworfen. Es war kein Entscheidungsgremium." Verantwortung für das Team hatten der damalige Konzern-Einkaufschef Francisco Javier Garcia Sanz und der Beschaffungsvorstand der Marke Volkswagen, Ralf Brandstätter. Brandstätter ist vor kurzem zum Vorstandschef bei der Kernmarke VW Pkw befördert worden.

Teil der Überlegungen war dem Bericht zufolge wie letztlich auch geschehen das "Aussteuern" von Prevent als Lieferant generell, aber auch ein abgestimmtes Vorgehen mit anderen Autoherstellern. Die Prevent-Eigentümerfamilie Hastor hatte beispielsweise versucht, den Amberger Zulieferer Grammer zu übernehmen. Die Bemühungen scheiterten aber letztlich am Widerstand des Managements, das mit dem chinesischen Zulieferer Ningbo Jifeng einen sogenannten weißen Ritter präsentierte, der den Hersteller von Kopfstützen, Mittelkonsolen und Nutzfahrzeugsitzen dann übernahm.

VW bestreitet, sich mit Daimler und BMW in Sachen Prevent abgesprochen zu haben: "Es hat keine abgestimmten Handlungen mit anderen OEMs gegeben." Prevent hat in den USA schon vor einiger Zeit eine Schadenersatzklage über 750 Millionen US-Dollar eingereicht, die das Unternehmen mit Verstößen gegen das Wettbewerbsrecht begründet - angeblich habe VW auch dort auf Zulieferer hingewirkt, sich nicht unter die Fittiche von Prevent zu begeben. In Deutschland geht es in den gerichtlichen Streitigkeiten um konkrete Lieferverträge.

Noch keine Anzeige wegen VW-Spitzel-Affäre

Bei der Staatsanwaltschaft Braunschweig ist noch keine Anzeige wegen der Spitzelaffäre beim Autobauer Volkswagen eingegangen. Das teilte die Behörde am Montag mit. Das heimliche Mitschneiden interner Sitzungen könnte nach vorläufiger rechtlicher Einschätzung Verstöße gegen zwei Paragrafen bedeuten: Verletzung des Geschäftsgeheimnisses (Paragraf 23 GeschGehG) und Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes (Paragraf 201 StGB). Diese Delikte würden üblicherweise nur auf Antrag des Geschädigten verfolgt. Die Staatsanwaltschaft prüfe aber, ob dennoch auch von Amts wegen ein Verfahren einzuleiten sei, sagte eine Sprecherin.

Prevent droht VW mit weiteren rechtlichen Schritten

Der Abhöraffäre bei Volkswagen könnte zu weiteren rechtlichen Auseinandersetzungen mit dem ehemaligen Lieferanten Prevent führen. "Da die Aktionen von VW Prevent gezielt geschadet haben, prüfen wir derzeit selbst rechtliche Schritte gegen Volkswagen", teilte ein Sprecher der Zulieferergruppe am Montag in Frankfurt mit.

Prevent hat nach eigenen Angaben mit der Entstehung der Aufzeichnungen nichts zu tun. "Bis jetzt haben wir keinerlei Kenntnis vom Inhalt dieser Aufzeichnungen", sagte ein Sprecher.

"Den Medienberichten zufolge stehen hier Verstöße gegen das Kartellrecht, mögliche Aktien-Insider-Transaktionen, Falschaussagen gegenüber Behörden und Gerichten sowie ein inakzeptabler Umgang mit vielen Zulieferern im Raum. Dies sollte die zuständigen Behörden auf den Plan rufen", hieß es von Prevent. Unter anderem war in der Arbeitsgruppe debattiert worden, ob das Unternehmen als Zulieferer von VW - wie letztlich geschehen - aussortiert wird.

Nach Angaben von Prevent sind derzeit allein vor deutschen Gerichten gut zehn Verfahren gegen VW anhängig. Dabei geht es um die Bedingungen und Kündigungen einzelner Lieferverträge. In den USA hat Prevent auch Klage eingereicht und will 750 Millionen US-Dollar Schadenersatz, weil VW dort angeblich Druck auf Zulieferer gemacht haben soll, Übernahmeavancen der Familie Hastor eine Absage zu erteilen. VW seinerseits will unter anderem den Schaden aus einem Lieferstopp 2016 in Deutschland erstreiten und beziffert diesen auf mehr als 100 Millionen Euro. Auch mit Daimler streitet sich Prevent und will Schadenersatz von den Schwaben - auch hier gibt es keine Lieferbeziehungen mehr.

Die Vorzugsaktien von Volkswagen zeigten sich am Montag auf XETRA letztlich 0,55 Prozent tiefer bei 141,24 Euro.

(dpa-AFX)

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Bildquelle: Bocman1973 / Shutterstock.com,iStock/shaunl

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