16.11.2020 07:30:00
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Die Verkündung der Erlösung von Corona
Rückblick auf die vergangene Woche
Hosianna! Die Erlösung naht. Corona wird besiegt werden. Diese frohe Kunde haben wir in der vergangenen Woche empfangen, sechseinhalb Wochen vor Heiligabend. Für die Katholiken bedeutet das: Jetzt nochmal richtig losfeiern, um sich bald zu impfen und die Sünden, die man während des Lockdowns begangen hat, später mit gesenktem Kopf und roten Wangen zu beichten. Für die Protestanten beutet es, noch einmal Kraft zu sammeln für weitere, hoffentlich letzte harte Monate, in denen es gilt, sich zusammenzureißen und demütig durch diese harte Zeit zu gehen, bis der Impfstoff endlich für alle verfügbar ist. Und für die Querdenker läuft der Countdown. Wenn alles gut läuft, werden spätestens zu Weihnachten 2021 in Deutschland so viele Menschen gegen Covid-19 geimpft sein, dass das Virus nicht mehr in der Tagespresse, sondern fortan nur noch in historischen Rückschauen eine Rolle spielen wird. Mit dem Ende der herbeiphantasierten „Corona-Diktatur“ entfällt dann die Glaubens-Klammer, die den wilden Haufen aus QAnon-Anhängern und anderen Verschwörungstheoretikern, abgedrehten Esoterikern, Rechtsradikalen und Aluminium-Hutträgern zusammenhält.
Man darf gespannt sein, welche neue abgedrehte Theorie Querdenken-711-Gründer Michael Ballweg erfindet, um seine überteuerten T-Shirts, Jacken, Mützen und Schals an die quergläubig Verirrten zu verticken, die ihm derzeit noch die Taschen füllen. Wer kauft noch ein Querdenken-T-Shirt für schlappe 24,90 Euro oder einen Querdenken-Schal für 19,90 Euro, wenn es nichts mehr gibt, gegen das man protestieren kann? Fliegt gar der ganze Laden vorher schon auf, weil endlich jemand bemerkt, dass die beiden Balken des Querdenker-Logos gerade, horizontal und parallel zueinander verlaufen – und nicht quer? Man weiß es nicht. Man hofft.
Ach ja, und dann wären da noch die Kapitalisten, Unternehmer, Investoren, Aktionäre, darunter auch viele Menschen, die tatsächlich rechnen können. Konfessionell divers, aber in dem Glauben geeint, dass ein Jeder sein Glück in preiswertem Einkauf und teurem Verkauf finden kann. Aus ihrem Lager – und das sollte man nicht ignorieren – kommen die Verkünder der frohen Botschaft. Kurz, nachdem die beiden börsengelisteten Unternehmen BioNTech und Pfizer verkündeten, einen zu 90 Prozent wirksamen Impfstoff gegen Covid-19 zur Marktreife entwickelt zu haben, verkaufte Pfizer-CEO Albert Bourla 62 Prozent seiner Beteiligung an Pfizer. Für seine 132.508 Aktien, die er abstieß, erhielt er 5,6 Millionen Dollar (4,7 Millionen Euro). Bourla verkaufte am Tag der Verkündung zum Höchstkurs. Manche werfen ihm das als verwerflich vor. Andere wittern gar schon wieder eine neue Verschwörung: Was weiß der Mann, was wir nicht wissen?
Vielleicht kann Bourla aber auch nur richtig gut rechnen: Pfizer und BioNTech haben angekündigt, bis 2021 rund 1,4 Milliarden Dosen des neuen Impfstoffs herstellen zu können. Die Hälfte davon bleibt bei BioNTech. Eine Dose wird 19 US-Dollar kosten, sprich: 9,50 US-Dollar verbleiben bei BioNTech. Von diesem Preis bleiben abzüglich Herstellung, Vertrieb und Steuern schätzungsweise 70 Prozent als Gewinn hängen. Das ergibt unter dem Strich etwa vier Milliarden Euro Gewinn, jeweils für BioNTech und Pfizer. Pfizer hat im vergangenen Jahr mit einem Umsatz in Höhe von 52 Milliarden Euro ein Ergebnis je Aktie von 2,92 US-Dollar erzielt. Pfizer könnte, wenn die oben genannte Rechnung aufgeht, sein Bruttoergebnis vom Umsatz mithilfe des neuen Corona-Impfstoffs um immerhin rund zehn Prozent steigern - was einen etwa zehnprozentigen Aufschlag auf den Aktienkurs vor Veröffentlichung der Impfstoff-Erfolgsmeldung rechtfertigen würde. Denn der Vertrieb des von BioNTech entwickelten und von Pfizer getesteten und produzierten Impfstoffs wird einen positiven, aber nicht grandiosen Effekt auf den Umsatz des Pharmakonzerns haben. Ganz anders sieht es bei BioNTech aus. Das Unternehmen hat bei einem Aktienkurs von aktuell etwa 100 Euro eine Marktkapitalisierung von rund 24 Milliarden Euro. Nimmt man den möglichen Gewinn des in den kommenden Monaten produzierten Impfstoffs als Maßstab, würde die BioNTech-Aktie derzeit für das Jahr 2021 ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von sieben ausweisen. Das ist ein Schnäppchenpreis. Sollte Albert Bourla so gut rechnen können, wie man es vermuten darf, hat er in der vergangenen Woche nicht nur Pfizer-Aktien verkauft, sondern das Geld sogleich neu investiert: in BioNTech-Aktien.
Und so dürfen sich angesichts der Verkündung der bevorstehenden Corona-Erlösung bald Alle gleichermaßen freuen: die Karnevalisten auf die Session 2021/22, die Fußballverrückten auf die Europameisterschaft mit Publikum und die Aktionäre auf die Kursgewinne der Pharma- und Biotech-Firmen. Es sei denn, der Himmel fällt uns auf den Kopf. Aber das ist eine andere Geschichte, liebe Querdenker.
Ausblick auf die wichtigsten Termine in dieser Woche
Am Dienstag veröffentlicht das Board of Governors of the Federal Reserve aktuelle Zahlen zur Industrieproduktion in den USA. Das Volumen der Produktion der amerikanischen Industrie stagniert seit Monaten, von Wachstum redet derzeit niemand. Das wird sich wohl auch kurz nach der US-Präsidentenwahl nicht ändern.
Am Mittwoch gibt die europäische Statistikbehörde Eurostat den Eurozonen CPI bekannt, der die Änderungen der Preise für Waren und Dienstleistungen erfasst. Der Index ist seit Monaten rückläufig und tendiert mittlerweile in den negativen Bereich. Wer vor einem Anziehen der Inflation warnt, sollte sich diesen Index einmal sehr ernsthaft und in Ruhe ansehen. Inflation ist derzeit kein Thema. Überhaupt nicht.
Am Donnerstag veröffentlicht die Europäische Zentralbank die aktuellen Zahlen zur Leistungsbilanz der Länder der Europäischen Währungsunion. Die Zahlen geben den Nettofluss von Transaktionen, einschließlich Waren, Dienstleistungen und Zinszahlungen in der Eurozone wieder. Man mag es angesichts der depressiven Corona-Stimmung kaum glauben, aber die Exportwirtschaft in der Eurozone wächst mit beachtlichem Tempo aus der Krise heraus.
Am Freitag gibt die griechische Notenbank, mit einem Tag Verspätung zur EZB, die Leistungsbilanz für Griechenland bekannt. Okay, wie immer auf den letzten Drücker, aber vermutlich positiv mit einem Pluszeichen vor der Leistungsbilanz. Wenigstens müssen wir uns um Hellas derzeit nicht die größten Sorgen machen. Das ist ja auch schon mal etwas wert.

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