Markt im Blick 09.08.2020 14:49:00

Wasserstoffaktien im Fokus: Was sind lohnenswerte Investments in dieser Zukunftsbranche?

Wasserstoffaktien im Fokus: Was sind lohnenswerte Investments in dieser Zukunftsbranche?

• Branchengrößen und kleine Branchenvertreter unter der Lupe
• Nikola als Sonderfall
• Alternative: Wasserstoffindex


Anleger, die auf Wasserstoff-Aktien setzen, haben in den vergangenen Monaten teils deutliche Gewinne einfahren können. Doch blindes Investieren in die Branche sollte aus Anlegersicht vermieden werden.

Ein Blick auf die Branchengrößen NEL, Ballard Power und PowerCell

Wer sich mit dem Thema Wasserstoffaktien beschäftigt, kommt um die drei großen Namen NEL, Ballard Power und PowerCell nicht herum.

Für den norwegischen Konzern NEL ASA gab es erst in der vergangenen Woche positive Neuigkeiten: Die Konzerntochter Proton Energy Systems erhält eine Finanzspritze des US-Energieministeriums in Höhe von 4,4 Millionen US-Dollar. Mit dem Geld soll das Unternehmen die Entwicklung fortschrittlicher Komponenten und Herstellungsmethoden vorantreiben, um aus Elektrolyse kostengünstig Wasserstoff zu erhalten, teilten die Norweger in einer Pressemitteilung mit. Die NEL-Tochter erhält damit knapp sieben Prozent des 64 Millionen US-Dollar schweren Wasserstofftopfes, mit dem das Energieministerium in diesem Jahr insgesamt 18 Projekte unterstützen will.
Analysten schätzen die Chancen des Unternehmens, das neben Elektrolyse auch den Fokus auf Wasserstofftankstellen legt, unterschiedlich ein. Von sechs bei FactSet gelisteten Experten, die den Anteilsschein bewerten, vergibt die Hälfte ein Buy-Rating, zwei raten zum Verkauf und einer zum Halten der Aktie.

Positiver sind die Experten daneben für die Aktien des kanadischen Weltmarktführers für Brennstoffzellen, Ballard Power, gestimmt. Von acht Analysten vergeben drei einen "Hold"-Status, die übrigen raten zum Kauf oder Übergewichten der Aktie. Zuletzt hatte Ballard Power mit einem überraschenden Interview im firmeneigenen Blog auf sich aufmerksam gemacht, in dem der CEO von Proton Technologies Canada auf eine effiziente und kostengünstige Methode hinwies, mit der Wasserstoff aus stillgelegten Ölfeldern extrahiert werden kann. Das kam am Markt gut an.
Doch es gibt auch kritische Stimmen: Der US-Hedgefonds Lakewood Capital betätigt sich Bloomberg zufolge bei Ballard Power als Shortseller. Zur Begründung hieß es, die Stapelung von Brennstoffzellen biete ein kommerzialisiertes Produkt mit geringer Wertschöpfung.

Power Cell mit seinen Großkunden wie Volvo und Bosch gehört ebenfalls zu den großen Namen der Branche. Die Aktie der Schweden hat im bisherigen Jahresverlauf 73 Prozent zulegen können, doch für die wenigen Analysten, die die Aktie bewerten, ist der Anteilsschein aktuell nur eine "Halten"-Position. Tagesaktuelle Nachrichten gibt es derzeit nicht, doch am Markt ist immer wieder von einer Überbewertung der Aktie die Rede.
Obwohl Experten die Geschäftsaussichten des Unternehmens durchaus als positiv bewerten, spiegelt sich dies noch nicht in der Bilanz wider. Zwar konnten die Erlöse im ersten Geschäftsquartal deutlich gesteigert werden, mit Umsätzen von umgerechnet rund dreieinhalb Millionen Euro ist aber noch deutlich Luft nach oben, das operative Ergebnis blieb weiter deutlich negativ.

Kleinere Werte mit Potenzial?

Doch die Wasserstoffbranche hat noch eine Reihe weiterer Unternehmen hervorgebracht, die für Anleger einen Blick wert sein dürften. Dazu gehört Bloom Energy, das sich auf die Entwicklung von Hochtemperatur-Brennstoffzellen spezialisiert hat. Aus Analystensicht ist die Aktie des US-Konzerns durchwachsen bewertet: Von acht bei FactSet gelisteten Experten, die den Anteilsschein unter Beobachtung haben, vergeben drei ein "Buy"-Rating, vier weitere einen "Hold"-Status und einer bewertete die Titel mit "underweight". Vor wenigen Tagen hat das Unternehmen vorläufige Zweitquartalszahlen veröffentlicht und konnte sowohl auf Umsatz- als auch auf Ergebnisseite die Erwartungen übertreffen. Einen Ausblick auf das dritte Quartal blieb das Unternehmen aber aufgrund der anhaltenden Unsicherheiten im Zusammenhang mit den wirtschaftlichen Folgen der Coronavirus-Pandemie schuldig.

Ein durchschnittliches Buy-Rating von Analystenseite erhält aktuell die Aktie von Plug Power. Der Wasserstoffspezialist hatte zuletzt Umsatz und Ergebnis ebenfalls verbessern können. Beim Ergebnis je Aktie blieb ein Minus von 0,120 US-Dollar in den Büchern, der Umsatz konnte um 79,23 Prozent auf knapp 41 Millionen US-Dollar gesteigert werden.
Auch hier gab es zuletzt keine relevanten Nachrichten von Unternehmensseite, ein Analyst von Morgan Stanley hatte zuletzt aber eine mögliche Kostenparität von Wasserstoff zu herkömmlichen Brennstoffen in Aussicht gestellt, wenn der Wasserstoff durch Elektrolyseanlagen gewonnen wird, die ihre Energie von Windparks erhalten. Plug Power nannte er als möglichen Profiteur dieser Entwicklung.

Eine weitere Aktie aus der Branche, die Anleger im Blick behalten sollten, ist Cummins. Der US-Konzern hat zuletzt mit seinen Zahlen zum vergangenen Geschäftsquartal die Markterwartungen übertroffen: Der Gewinn belief sich auf 1,86 US-Dollar je Aktie, bei den Erlösen lag Cummins mit 3,98 Milliarden US-Dollar ebenfalls über den Schätzungen der Analysten. Viele Experten räumen den US-Amerikanern aufgrund ihres technologisch diversifizierten Portfolios große Chancen im Rennen um eine gute Position auf dem Wasserstoffmarkt ein - nicht zuletzt, weil sich der Motorenhersteller mit Hyundai zusammengetan hat, um gemeinsam Brennstoffzellenantriebe zu entwickeln. 15 von 25 Analysten, die die Aktie bewerten, geben eine "Halten"-Empfehlung für den Wert aus, sieben raten zum Kauf. Nur zwei sehen die Lage bei Cummins skeptisch.

Bei Hexagon Composites liefen die Geschäfte zuletzt rund. Der norwegische Lieferant von Composite-Hochdruckbehältern für Gas-Anwendungen konnte einen neuen 5,2 Millionen US-Dollar schweren Auftrag an Land ziehen. Ein Neukunde aus der Luft- und Raumfahrtindustrie hat das All-Inclusive-Paket bestellt und Hexagon mit Entwurf, Entwicklung und Produktion von Druckbehältern für eine Trägerrakete beauftragt. Das Raumfahrtprojekt könnte weitere Aufträge nach sich ziehen, hofft das Unternehmen. Drei Buy-Ratings von Analystenseite kann die Hexagon Composite-Aktie einsammeln, auch Experten sehen die mögliche Entwicklung es Unternehmens also positiv.

Auch Proton Power Systems sollten Anleger im Blick behalten. Zwar ist die Aktie weiterhin ein Pennystock, der Brennstoffspezialist hat aber ambitionierte Ziele, die auch dem Anteilsschein deutlich auf die Sprünge helfen könnten. Insbesondere die 100-prozentige deutsche Tochter Proton Motor Fuel Cell GmbH könnte hier eine entscheidende Rolle spielen, immerhin ist das bayerische Unternehmen nach eigenen Angaben hierzulande Marktführer im Bereich Wasserstoff-Brennstoffzellen. Proton Motor Fuel Cell hat jüngst einige Großprojekte verkünden können, darunter die Auslieferung der Haupt-Komponente für das erste europäische Wasserstoff-Kraftwerk oder die Produktion für eine geplante Wohnquartier-Energiezentrale. Zudem gab es neben der E-Trucks Europe-Beauftragung für E-Müllsammelfahrzeuge, die mit dem von Proton Motor entwickelten HyRange®-Antriebssystem ausgestattet werden, Folgebestellungen für maritime sowie Rail-Lösungen, erklärte das Unternehmen in einer Pressemitteilung. Analysten halten sich mit der Bewertung der börsennotierten Konzernmutter allerdings noch weitgehend zurück, so dass eine Einschätzung von Expertenseite hier fehlt.

Sonderfall Nikola

Einen Sonderfall beim Thema Wasserstoff- / Brennstoffzellen stellt der US-Konzern Nikola dar. Noch hat das Unternehmen, das sich als Konkurrent zum Elektroautokonzern Tesla sieht, nämlich kein Produkt am Start, auch wenn es zwischenzeitlich zumindest ein Video des geplanten Brennstoffzellen-Sattelzug gibt, mit dem Nikola den Markt für Lastwagen mit Wasserstoffantrieb erobern will.

Umsätze mit dem Verkauf des Fahrzeugs macht Nikola allerdings noch nicht, Kunden, die eine Vorbestellung getätigt und dafür eine Anzahlung geleistet haben, können voraussichtlich nicht vor der zweiten Jahreshälfte 2021 mit einer Auslieferung rechnen. Doch Nikola ist eine "Story"-Aktie, die am Markt seit Börsenstart bereits zahlreiche Anhänger fand. Viele Börsianer hoffen auf eine Wiederholung der Tesla-Story - schließlich ist auch der Autobauer von Elon Musk deutlich höher bewertet, als es das eigene Geschäft mit Elektrofahrzeugen rechtfertigen lässt. Doch wie auch bei Tesla handeln Anleger bei Nikola die Idee und die Aussicht auf eine marktbeherrschende Position in der Zukunft.

Analysten sind im Fall von Nikola durchaus gespalten: So hatte vor einiger Zeit RBC-Analyst Joseph Spak bemängelt, das Unternehmen habe "eher einen Businessplan als ein richtiges Business", was eine Bewertung schwierig mache.
Optimistischer zeigte sich JPMorgan-Analyst Paul Coster, der eine Kaufempfehlung aussprach und betonte, die erfolgreiche Umsetzung der mehrjährigen Wachstumsstrategie sei nicht vollständig in das Wertpapier eingepreist. Die Aktie sei für langfristige Investoren interessant, so der Experte.

Linde, Air Liquide & Co.: Börsengrößen mit neuem Fokus

Neben den zahlreichen Unternehmen, die im Zusammenhang mit der Brennstoffzellenentwicklung neu entstanden sind, gibt es auch einige etablierte Börsengrößen, die das Geschäft für sich entdeckt haben. Dazu gehört auch der DAX-Konzern Linde, der seit der Fusion mit dem US-Konkurrenten Praxair im Jahr 2018 der weltgrößte Anbieter von Industriegasen ist. Doch in Zukunft will man den Fokus verstärkt auf das Wasserstoffgeschäft legen: "Die Dekarbonisierung, also die Senkung des Ausstoßes von Kohlenstoffdioxid, ist überall auf der Welt der große Trend", so Konzernchef Steve Angel gegenüber dem "Handelsblatt". Bereits aktuell würde das Unternehmen mit mit der Produktion, dem Vertrieb, der Speicherung und der Anwendung von Wasserstoff rund zwei Milliarden Dollar umsetzen.
Bei Analysten kommt das gut an, aktuell gibt es bei FactSet nur zwei Verkaufsempfehlungen für die Linde-Aktie bei 17 Buy-Ratings.

Auch Linde-Konkurrent Air Liquide will in dem Segment eine größere Rolle einnehmen. Erst kürzlich hatten die Franzosen gemeldet, gemeinsam mit dem Hafenbetrieb Rotterdam innerhalb der nächsten fünf Jahre 1.000 Wasserstoff-LKW auf die Straßen in den Niederlanden, in Belgien und Deutschland bringen zu wollen. Darüber hinaus ist Air Liquide auch als Lieferant für Tankstellenausrüstung aktiv, in Paris will man darüber hinaus den Aufbau einer Taxiflotte angehen, die aus 600 H2-betriebenen Fahrzeugen bestehen soll. Analystenhäuser bewerten die Initiativen positiv, die Air Liquide-Aktie ist für die Experten mehrheitlich ein Kauf, einige andere vergeben ein "Hold"-Rating.

Neben Linde und Air Liquide sind in diesem Zusammenhang auch Daimler, OMV, Shell und TOTAL einen Blick wert. Die Unternehmen sind Teil des Air Liquide-Joint Ventures H2 MOBILITY Deutschland, der Plan ist der Aufbau einer Wasserstoff-Infrastruktur für Brennstoffzellen-Fahrzeuge.

Wasserstoff-Index als Alternative

Anleger, die nicht auf Einzelwerte setzen, aber dennoch am Wasserstoff-Trend partizipieren wollen, haben noch eine andere Investmentmöglichkeit: einen Wasserstoff-Index. Der E-Wasserstoffindex Europa beinhaltet in unterschiedlicher Gewichtung Linde, Air Liquide, NEL, ITM Power, Cell Impact, SFC Energy und Proton Power Systems.

Die Auswahl einzelner Branchenvertreter entfällt für Anleger in diesem Fall.

Redaktion finanzen.at

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Bildquelle: PierreOlivierClementMantion/iStock,Anusorn Nakdee / Shutterstock.com,Anusorn/stock.adobe.com

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