22.12.2021 19:43:38

OTS: Börsen-Zeitung / Verlustprojekt, Kommentar zu Delivery Hero von Helmut Kipp

Verlustprojekt, Kommentar zu Delivery Hero von Helmut Kipp

Frankfurt (ots) - Ebenso überraschend wie die Rückkehr auf den deutschen Markt

vor wenigen Monaten kommt nun die Ankündigung von Delivery Hero, den Heimatmarkt

schon wieder aufzugeben. Offenbar läuft das Geschäft hierzulande so schlecht,

dass keine andere Wahl bleibt, als den Stecker zu ziehen. Damit entpuppt sich

der im vergangenen Mai verkündete Wiedereintritt - das ursprüngliche

Deutschlandgeschäft wurde Ende 2018 an die heutige Just Eat Takeaway verkauft -

als grandiose und teure Fehlentscheidung. Die seinerzeit präsentierte

Einschätzung, der hiesige Markt sei noch nicht ausreichend erschlossen und biete

großes Potenzial, war falsch. Auch ein für tiefrote Zahlen bekanntes Unternehmen

wie Delivery Hero muss ungeachtet aller Expansion auf betriebswirtschaftliche

Rationalität achten.

Analysten standen dem Projekt von vornherein skeptisch gegenüber, da sie zu

Recht hohe Verluste befürchteten. Selbst Firmenchef Niklas Östberg sprach von

einem Investitionszeitraum von zehn bis 15 Jahren, um in Deutschland an die

Spitze zu gelangen. Doch die Dominanz des Konkurrenten Lieferando war den

Berlinern ein Dorn im Auge, was nachvollziehbar ist: Wer bestellt schon gern auf

der Plattform eines Konkurrenten, um sich das Mittagessen an den Arbeitsplatz

liefern zu lassen? Entsprechend schwer wird den Managern der Rückzug aus dem

Heimatmarkt fallen.

Die Begründung, man sei jetzt mit einer ganz anderen Realität konfrontiert als

beim Eintritt, spiegelt bestenfalls die halbe Wahrheit wider. Weder das

Vorpreschen von Uber Eats noch der Markteintritt des US-Schwergewichts Doordash

kommen unerwartet. Ähnliches gilt für den Umstand, dass Investoren immer mehr

Geld in Expressdienste wie Gorillas und Flink stecken und damit aggressiv

wachsende Konkurrenten heranzüchten, die Delivery Hero im Geschäft mit

Lebensmitteln das Leben schwermachen. Allenfalls die Wucht, mit der Wettbewerber

nach Kunden und Marktanteilen greifen, mag überraschen. Ein wenig komisch wirkt

der Hinweis, dass auch der Mangel an Fahrern bei dem Rückzug eine Rolle spielt.

Mehr als nur Mini-Entlohnung zu zahlen und bessere Arbeitsbedingungen hätten

Abhilfe schaffen können.

Dem Abgang von Delivery Hero werden weitere Bereinigungsschritte folgen. Denn

nach wie vor ist der Liefermarkt überhitzt, weil Investoren Unsummen zu

aberwitzig anmutenden Bewertungen ins Onlinegeschäft mit Lebensmitteln pumpen.

Die meisten Anbieter verbrennen weiterhin viel Geld. Auf die Dauer wird das

nicht gehen.

(Börsen-Zeitung, 22.12.2021)

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