14.10.2022 18:26:38

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Suche nach dem Boden, Kommentar zum Aktienmarkt von Christopher

Kalbhenn

Frankfurt (ots) - Die Bewegungen des Dax in der zweiten Hälfte der abgelaufenen

Woche dürfen mit Fug und Recht als spektakulär bezeichnet werden. Nach den Daten

zur US-Inflation, die erneut höher ausfiel als erwartet, sackte der Index am

Donnerstagnachmittag bis nahe an die Marke von 12 000 Punkten ab, um eine

scharfe Kehrtwende zu vollziehen. Sie führte den Dax auf ein am Freitagvormittag

erreichtes Hoch von 12 588 Zählern, ein Anstieg um nahezu 5 % innerhalb nur

weniger Handelsstunden. Es wäre jedoch verfrüht, nun den Schluss zu ziehen, dass

der Aktienmarkt definitiv seine Tiefs gesehen hat, und fest mit einer demnächst

startenden nachhaltigen Erholung zu rechnen.

Denn die Treiber der Gegenbewegung sind nicht unbedingt nachhaltig. Zu einem

großen Teil war sie technischer Natur, getrieben von Eindeckungen und

Schnäppchenjagd. Der Markt war ausverkauft, die globale Fondsmanagerumfrage der

Bank of America wird am Dienstag wahrscheinlich erneut eine extrem negative

Anlegerstimmung und hohe Liquiditätsbestände aufzeigen. Zudem trieb die

Erleichterung über die durchsickernden weiteren Abstriche an den fiskalischen

Entlastungsvorhaben der neuen britischen Regierung die Bewegung, und nach der

ersten Enttäuschung über die US-Inflationsdaten fokussierte sich der Markt

darauf, dass die Jahresteuerungsrate immerhin erneut etwas gesunken ist.

Jedoch löst der Umstand, dass die britische Regierung nach dem von ihr

ausgelösten Vertrauensverlust um Schadensbegrenzung bemüht ist, nicht die

Probleme, mit denen die Aktienmärkte zu kämpfen haben. Das Gleiche gilt für die

leicht rückläufige Jahresinflation in den USA. Die Daten haben letztlich

gezeigt, wie hartnäckig die hohe Inflation ist. Einstweilen bleibt es dabei,

dass die Zentralbanken entschlossen die Zügel weiter anziehen werden. Zins-,

Inflations- und Rezessionsrisiken werden ebenso wie die geopolitischen Konflikte

weiterhin die Aktienmärkte belasten und die Volatilität hochhalten.

Auf der Habenseite der Aktienmärkte stehen die deutlich gesunkenen Bewertungen,

die hoffen lassen, dass der Boden nicht mehr weit entfernt ist. Allerdings sind

diesbezüglich noch viele Fragen offen. Bislang hat sich das düstere Umfeld noch

nicht entsprechend in den Ergebnisberichten der Unternehmen und den

Analystenerwartungen niedergeschlagen. Wahrscheinlich müssen hier noch

nennenswerte Abstriche vorgenommen werden, wovon dann auch das Bewertungsbild

betroffen wäre.

Das Bankhaus M.M. Warburg etwa hegt Zweifel, was die Konsenserwartungen

betrifft. Für die Dax-Unternehmen würden Gewinnzuwächse von 7,3 % in diesem und

weiteren 5,4 % im nächsten Jahr erwartet. "Obwohl die Gewinnprognosen für das

Jahr 2023 zuletzt etwas reduziert wurden, scheinen sie uns angesichts der

konjunkturellen Risiken zu optimistisch zu sein, sodass wir weitere Anpassungen

nach unten erwarten." Die Berichtssaison für das dritte Quartal werde

wahrscheinlich mehr Klarheit bringen, ob die positiven Aussichten für das

kommende Jahr aufrechtzuerhalten sind oder nicht. "Sollte dies der Fall sein,

könnten sich die Aktienkurse in der nächsten Zeit wieder deutlich erholen,

selbst eine Jahresendrally ist dann angesichts der schlechten Stimmung der

meisten Marktteilnehmer möglich", so die Bank, die aber noch zur Vorsicht rät.

Auch die Commerzbank betrachtet die Konsenserwartungen mit Skepsis. Das

Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) für den Dax sei in den vergangenen Quartalen von 18

auf 10 gefallen und notiere damit auf einem Niveau, welches in den Jahren 2003,

2009 und 2020 am Ende eines Bärenmarkts zu beobachten gewesen sei. Dennoch

hätten die Aktienmärkte die für 2023 drohende Rezession noch nicht vollständig

eingepreist. Zum einen basiere das Dax-KGV von 10 auf der wohl zu optimistischen

Erwartung, dass die Dax-Unternehmen eine Nachsteuermarge von 7,5 % erzielen

werden, verglichen mit langjährigen Durchschnittsmargen von 4,5 %. "Eine

Rückkehr zu dieser durchschnittlichen Gewinnmarge würde das Dax-KGV von 10 auf

16 erhöhen", so die Bank. Zum anderen notiere das Kurs-Buchwert-Verhältnis des

Dax mit 1,25 über dem Niveau von 1,0 bis 1,2, welches in vergangenen Rezessionen

regelmäßig erreicht worden sei. "Das pessimistische Anlegersentiment und die

defensive Positionierung der Aktieninvestoren dürften zwar kurzfristig immer

wieder zu schnellen Aktienerholungen führen. Doch mittelfristig sollten sich die

Aktien-Abwärtstrends fortsetzen."

Pressekontakt:

Börsen-Zeitung

Redaktion

Telefon: 069--2732-0

www.boersen-zeitung.de

Weiteres Material: http://presseportal.de/pm/30377/5345173

OTS: Börsen-Zeitung

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