25.04.2022 18:59:38

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Bitterer Nachgeschmack / Kommentar zum Ausgang der

Präsidentschaftswahl in Frankreich von Gesche Wüpper

Paris (ots) - Aus dem Ausland war Jubel und so mancher Seufzer der Erleichterung

zu hören. In Frankreich dagegen mochte nicht so recht Freude darüber aufkommen,

dass sich Emmanuel Macron in der Stichwahl erneut gegen Marine Le Pen

durchsetzen konnte. Denn sein Wahlsieg kaschiert den tiefen Graben, der das Land

inzwischen spaltet. Mit 13,3 Millionen Stimmen hat Le Pen das beste Ergebnis

einer rechtsextremen Partei seit dem Zweiten Weltkrieg verbucht. Auch das

republikanische Bündnis konnte nichts gegen sie ausrichten.

Die Zahl derjenigen, die aus Protest nicht oder ungültig gewählt haben, war

extrem hoch. Macron einen Denkzettel zu verpassen war vielen wichtiger als alles

andere - auch wichtiger als einen Wahlsieg Le Pens zu verhindern. Damit nicht

genug, stimmten im ersten Wahlgang fast 55% der Wähler für extremistische

Kandidaten, darunter viele junge Franzosen etwa für den rechtsextremen Éric

Zemmour oder den Linkspopulisten Jean-Luc Mélenchon.

Dass sie einen Wahlsieg Macrons nicht so einfach hinnehmen werden, zeigte sich

schon am Wahlabend, als es in mehreren Städten zu Protesten kam. "Macron, hau

ab" und "Wir brauchen eine Revolution" war dort zu hören. Die Wut, mit der viele

Franzosen auf den alten, neuen Präsidenten schimpfen, seine erste Amtszeit gar

als Diktatur bezeichnen, ist erschreckend. Die Gefahr, dass einige Wähler

glauben, eine Diktatur könne nicht schlimmer als das System Frankreichs sein,

steigt.

Ob Macron sein Programm nun einfach durchsetzen kann, wird in großem Maße von

den Parlamentswahlen im Juni abhängen. Ein breites Reformpaket wie zu Beginn

seiner ersten Amtszeit, als er das starre Arbeitsrecht lockerte und

Steuerreformen auf den Weg brachte, ist diesmal nicht zu erwarten. Bereits vor

der Stichwahl hat er Zugeständnisse bei der von ihm geplanten Rentenreform

signalisiert. Am Wahltag dann versprach er, auch Antworten für diejenigen finden

zu wollen, die ihn nicht gewählt hätten.

Das Risiko, dass mehr Proteste als während der von den Gelbwesten geprägten

ersten Amtszeit drohen, ist auch wegen der zunehmenden Inflation groß. Für die

Fortsetzung des 2017 von Macron begonnenen Reformkurses sind das nicht die

besten Voraussetzungen. Von dem frischen Wind und dem Optimismus, der nach

seiner Wahl vor fünf Jahren zu spüren war, ist nichts mehr übriggeblieben. Statt

dessen bleibt angesichts des starken Abschneidens der extremistischen Kandidaten

ein bitterer Nachgeschmack.

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