Anlagestrategie 15.12.2013 03:00:01

Mexiko: Das „neue China“?

von Helga Jung, Gastautorin von Euro am Sonntag

Mexiko hat sich vom Hinterhof Amerikas zum Wachstumsmarkt gemausert. Die Vorteile für den Produktions­standort liegen auf der Hand: Die Nähe zum Absatzmarkt USA ermöglicht es, nahezu just in time die Nachfrage aus dem Nachbarstaat zu bedienen. Doch nicht allein der Zeitfaktor, auch die niedrigen Transportkosten sprechen für Mexiko. Und: Inzwischen ist das Produzieren in Mexiko nicht mehr wesentlich teurer als in China. Lagen die Löhne im Aztekenstaat vor zehn Jahren noch rund 400 Prozent über denen Chinas, so ist der Abstand auf weniger als 30 Prozent gesunken. Die Folge: Lohnintensive Branchen wenden sich von China ab.

Die Autoindustrie ist beispielhaft für den Aufstieg Mexikos zum globalen Produktionszentrum. VW, Ford, GM, Nissan und andere Automobilgiganten fertigen bereits dort, mittlerweile trägt die Automobilindustrie rund drei Prozent zum Bruttoinlandsprodukt des Landes bei. Und wer weiß schon, dass ­Mexiko China als führenden Produzenten von Flachbildschirmen abgelöst hat?

Mexikos wirtschaftliche Fortschritte sind nicht zu übersehen, wichtige Reformen werden angegangen. Für die kommenden Jahre ist ein jährliches Wirtschaftswachstum von rund vier Prozent realistisch — mehr als in Brasilien. Die neue Regierung unter Präsident Enrique Peña Nieto möchte das stabile Wachstum dazu nutzen, die sich herausbildende Mittelschicht weiter zu stärken. Im Idealfall könnte so eine positive Spirale nach oben entstehen, lautet die Hoffnung. Zur „clase media“ zählen heute rund 65 Millionen Mexikaner, mehr als Hälfte der Gesamtbevölkerung.

Inzwischen verfügen 98 Prozent aller Mexikaner über Strom. Die Zahl der Menschen, die ein Telefon besitzen, stieg in den vergangenen Jahren von 36 auf 43 Prozent, bei Computern von neun auf 29 Prozent, bei Kühlschränken von 68 auf 82 Prozent und bei Autos von 32 auf 42 Prozent. Mit zunehmendem Wohlstand verstärkt sich bei den Menschen der verständliche Wunsch, diesen Besitz vor Verlust zu schützen. Doch die staatliche Sicherung reicht schon seit einiger Zeit nicht mehr aus, um die Menschen ausreichend gegen die Risiken des Alltags abzusichern. Für Banken und Versicherungen eröffnen sich in diesem Umfeld enorme Wachstumschancen.

Der Konsum nimmt zu,
Altersvorsorge wird wichtiger

Auch die demografische Entwicklung spricht für Mexiko: Während Chinas Bevölkerung immer älter wird, ist in Mexiko gut die Hälfte der Bevölkerung unter 30 Jahre alt. Zugleich steigt das Bildungsniveau. Knapp 50 Prozent der 15- bis 24-Jährigen besuchen inzwischen eine weiterführende Schule. Die Quote der Analphabeten hat sich in den vergangenen Jahren auf knapp sieben Prozent nahezu halbiert. Mexiko ist jedoch nicht nur jung. Dank grundlegender Verbesserungen im Gesundheitswesen ist die durchschnittliche Lebenserwartung der Menschen in den vergangenen Jahren auf inzwischen 77 Jahre gestiegen. Damit gewinnen auch Themen wie Gesundheits- und Altersvorsorge zunehmend das Interesse der Mittelschicht.

Laut einer aktuellen Umfrage schätzen mexikanische Verbraucher ihre finanzielle Situation aktuell so positiv ein wie seit Jahren nicht mehr. Experten gehen davon aus, dass bei einem prognostizierten Wirtschaftswachstum von vier Prozent die Konsumausgaben jährlich um zehn bis 15 Milliarden US-Dollar steigen werden. Ein Teil dieses Geldes wird auch in die Wahrung des erzielten Wohlstands sowie die Vorsorge fließen.

Natürlich gibt es auch Probleme. Neben der Bekämpfung der Kriminalität gehören der Ausbau und die Modernisierung der Infrastruktur zu den größten Herausforderungen. Die Kosten für Energie und Kommunikation sind sehr hoch. Eisenbahn- und Straßennetze sowie Flughäfen genügen noch nicht internationalen Standards. Eine notwendige Moderni­sierung der Transportwege würde nicht allein neues Wachstum nach sich ziehen, sondern den Standortvorteil Mexikos im internationalen Wettbewerb weiter verbessern.

Insgesamt solide Staatsfinanzen mit einem Haushaltsdefizit von 2,6 Prozent des BIP im Jahr 2012 bei einer Staatsverschuldung von gerade einmal 36 Prozent des BIP, ein Wirtschaftswachstum von jährlich gut vier Prozent über die letzten drei Jahre, verlässliche rechtliche Rahmenbedingungen, der Schutz geistigen Eigentums, Freihandelsabkommen mit über 44 Ländern und eine gehörige Portion Optimismus: Mexiko hat mehr zu bieten als alte Kulturen, Sonne, Sand und Strand.

zur Person:

Helga Jung, Mitglied des
Vorstands der Allianz SE

Nach einer Banklehre und der BWL-Promotion fing Jung 1993 bei der Allianz in der Finanzabteilung an. Seit 2012 ist sie Mitglied des Vorstands der Allianz SE und zuständig für das Versicherungsgeschäft in Spanien, Portugal und Lateinamerika.
Die Allianz ist Europas größter Versicherer. Den Verbindlichkeiten aus dem Versicherungsgeschäft steht ein Vermögen von mehr als 500 Milliarden Euro gegenüber. Dank dem Asset-Management mit Allianz Global Investors und Pimco gehört der Konzern zu den führenden Anbietern von Anlage­lösungen für institutionelle und private Investoren.

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