Zwei-Klassen-Aktien |
28.09.2021 22:42:00
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Machterhaltung: So verweigern Mark Zuckerberg & Co. Aktionären echtes Mitbestimmungsrecht
• Unternehmer wie Zuckerberg zementieren ihre Macht
• Kritik an Aktien mit und ohne Stimmrecht wird lauter
Aktionäre haben Macht: Sobald ein Unternehmen an die Börse geht und Aktien unters Anlegervolk bringt, schwindet die Macht der bisherigen Anteilseigner. Aktionäre kaufen sich mit Geld in das Unternehmen ein, werden mit Aktien am Unternehmenserfolg beteiligt und erwerben zeitgleich ein Mitbestimmungsrecht. Doch immer häufiger ist dies nur noch Theorie - denn in der Praxis tendieren Unternehmen dazu, zwei Aktiengattungen zu schaffen - eine, die Alteigentümern massives Mitbestimmungsrecht einräumt, und eine, die der breiten Masse mehrheitlich eine finanzielle Beteiligung am Unternehmen zusichert.
Mehrklassenstrukturen zur Machterhaltung
Prominentestes Beispiel dafür ist der Milliardenkonzern Facebook. Beim Börsengang des Internetkonzerns im Jahr 2012 wurden nur Aktien der Klasse A für Neuinvestoren verfügbar gemacht. Diese Art von Papieren ist mit einfachem Stimmrecht ausgestattet. B-Aktien, die Facebook-Gründer und -Chef Mark Zuckerberg besitzt, werden unterdessen nicht an der Börse gehandelt, verfügen aber über zehnfaches Stimmrecht - eine Aktie des Milliardärs sichert dem Unternehmer damit zehn Mal mehr Mitbestimmungsrecht als eine am Markt verfügbare A-Aktie. Bezogen auf die aktuellen Besitzverhältnisse bei Facebook bedeutet das: Mit nur rund 14 Prozent der Facebook-Aktien kommt Mark Zuckerberg auf über die Hälfte der Stimmrechte und ist damit beliebig in der Lage, die Geschicke des Unternehmens zu kontrollieren.
Auch Aktionäre des Fahrdienstleisters Lyft sind vergleichsweise machtlos. A-Aktien, die an der Börse gehandelt werden, sind mit einfachem Stimmrecht ausgestattet, die Unternehmensgründer besitzen unterdessen Aktien der Klasse B - mit zwanzigfachem Stimmrecht.
Ein ähnliches Bild zeigt sich beim Blick auf die Aktienstruktur des Internetriesen Alphabet. Die Google-Mutter hat nicht nur zwei, sondern gleich drei Aktienklassen: A-, B- und C-Aktien. Die A-Aktie ist börsennotiert und gleicht einer Stammaktie bei Volkswagen. Besitzer dieser Aktie, häufig Angestellte des Unternehmens, da die Aktie oft als Mitarbeiteranteil ausgegeben wird, haben ein Stimmrecht und dürfen die Zukunft des Unternehmens mit lenken. Auch C-Aktien werden an der Börse gehandelt, verfügen aber nicht über Stimmrecht. Privatanleger haben diese Aktiengattung vorrangig im Depot, auch wenn sie in Sachen Mitbestimmung machtlos sind.
B-Aktien von Alphabet unterdessen verfügen über das zehnfache Stimmrecht und werden nicht an der Börse gehandelt. Die Anteile sind in den Händen der Unternehmensgründer, die auf diesem Weg die anhaltende Kontrolle über Alphabet zementiert haben. Gemeinsam kommen Sergey Brin und Larry Page auf über 50 Prozent der Stimmrechte.
Auch Snap, Pinterest und Airbnb haben bei ihren Börsendebüts Aktien ohne oder mit weniger Stimmrecht auf den Markt gebracht.
Doch nicht nur Techunternehmen wie Facebook, Lyft und Google haben die Mehrklassenaktienstruktur für sich entdeckt - auch deutlich ältere Unternehmen verfügen über mehr als eine Aktiengattung. Dazu gehört auch eine der bekanntesten Investmentgesellschaften der Welt, die Warren Buffett-Holding Berkshire Hathaway. Neben dem offensichtlichsten Unterschied zwischen den beiden börsengehandelten Aktiengattungen A und B, nämlich dem enorm hohen Preis der A-Papiere, unterscheiden sich beide Titel auch noch in anderer Art und Weise elementar. Das Stimmrecht der deutlich liquideren und flexibel handelbaren B-Aktien ist auf ein Zehntausendstel des Stimmrechts der A-Titel beschränkt. Warren Buffett selbst hat 39 Prozent der Berkshire Hathaway-A-Aktien im Depot.
Echte Änderungen damit unmöglich?
Unternehmen, die über mehrere Aktiengattungen mit jeweils unterschiedlichem Stimmrecht verfügen, sichern sich auf diesem Weg in der Regel gegen zu viel Einmischung von außen ab. Selbst wenn sich Gesellschafter zusammentun, um gemeinsam Beschlüsse zu fassen, die Änderungen etwa an der Unternehmensausrichtung oder künftigen Geschäften aber auch der Unternehmenspolitik im Hinblick auf soziale oder Umweltbelange durchzusetzen, ist dieses Vorhaben häufig zum Scheitern verurteilt.
"Bei Facebook ist die Jahreshauptversammlung größtenteils nur Theater", zitiert "MarketWatch" Robert Bartlett, einen Juraprofessor an der UC Berkeley, der Wertpapierregulierung und Unternehmensfinanzierung lehrt. Bei dem jüngsten Aktionstreffen des Internetgiganten habe es einen Vorschlag gegeben, die Zwei-Klassen-Aktienstruktur abzuschaffen. Dieser Vorschlag sei von 90 Prozent der Stimmen von außerhalb des Unternehmens unterstützt worden - schlussendlich habe man den Antrag mit nur 27,7 Prozent der Gesamtstimmen aber abgeschmettert.
"Es gibt viel öffentliche Aufmerksamkeit und Besorgnis über Unternehmen wie Facebook, die Entscheidungen treffen und welchen Einfluss und welche Macht sie haben", erklärt Richard Clayton, Research Director bei der CtW Investment Group bei MarketWatch. "Wenn es beim Börsengang von Facebook eine Ein-Stimme-pro-Aktie-Struktur gegeben hätte, hätte das Unternehmen bereits große Veränderungen vorgenommen."
Kritik wird immer größer
Angesichts der Kontrolle, die die Chefs von Milliardenkonzernen über börsennotierte Unternehmen ausüben und der massiv eingeschränkten Macht zahlenmäßig deutlich überlegener Kleinaktionäre, wird die Kritik an Mehrklasse-Aktien am Markt immer lauter.
Michael Connor, Executive Director von Open MIC, einer gemeinnützigen Organisation, die sich für sozial verantwortliches Investieren einsetzt, betont gegenüber "MarketWatch": "Sobald Sie das Unternehmen an die Öffentlichkeit verkauft haben, ist es das Unternehmen der Öffentlichkeit." Bei Facebook & Co. herrsche "eine Arroganz, die nach Gerechtigkeit schreit", so der Experte weiter.
Doch viele Anleger geben sich offenbar damit zufrieden, mit dem Besitz einer Aktie zwar am finanziellen Erfolg eines börsennotierten Unternehmens beteiligt zu sein, sonst aber kaum Mitspracherecht zu haben. Denn in der Vergangenheit haben Unternehmen mit mehreren Aktienklassen häufig besser abgeschnitten als Börsenkonzerne mit nur einer Aktienart. Das dürfte insbesondere der Tatsache zu schulden sein, dass die Praxis von Mehrklassenaktien häufig bei Techunternehmen, die den breiten Markt übertreffen konnten, Anwendung findet. So lange also die Kursperformance stimmt, gibt es wenig Grund, sich über mangelndes Mitbestimmungsrecht zu beschweren.
Juraprofessor Bartlett glaubt, dass die US-Wertpapierbehörde mit einer simplen Maßnahme Mehrklassenaktien-Strukturen einen Riegel vorschieben könne, nämlich wenn diese bei anstehenden Börsengängen mit mehr als einer Aktienart im Rahmen der Notierungsanforderungen eine Auslaufklausel voraussetzen würde.
Indexanbieter haben bereits reagiert: So kündigten beispielsweise Standard & Poor’s und FTSE Russell 2017 an, dass sie Unternehmen mit Mehrklassen-Aktienstrukturen nicht mehr in ihre Indizes aufnehmen würden. Für einige bereits in den Indizes enthaltene Unternehmen gebe es allerdings Bestandsschutz. Unternehmen wie Snap und Palantir wird somit die Indexaufnahme verwehrt, Facebook aber darf seinen Platz im S&P 500 behalten.
Redaktion finanzen.at
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