13.12.2012 11:04:43

KORREKTUR/ROUNDUP 2/ThyssenKrupp wagt Befreiungsschlag: Vorstände müssen gehen

    (Berichtigung der Meldung vom 6. Dezember, 13.43 Uhr: Damit wird im 10. Absatz klargestellt, dass Berlien erst seit dem Jahr 2009 für den Unternehmensbereich Aufzugstechnik zuständig ist.)

 

       ESSEN (dpa-AFX) - Angesichts immer neuer Probleme wagt ThyssenKrupp einen ungewöhnlichen Befreiungsschlag: Gleich drei von sechs Vorständen des Essener Traditionsunternehmens sollen nach dem Willen des Aufsichtsrats ihren Hut nehmen. Dem seit Anfang vergangenen Jahres amtierenden Vorstandschef Heinrich Hiesinger sprach das von Gerhard Cromme geleitete Kontrollgremium aber sein Vertrauen aus, das Unternehmen wieder auf Kurs zu bringen. Die Aktie legte in einem festen Umfeld um 2,68 Prozent zu.

 

    Neben dem wegen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft unter Druck geratenen Vorstand Jürgen Claassen (54) sollen auch Stahl-Chef Edwin Eichler (54) und Technologievorstand Olaf Berlien (50) gehen. Hintergrund sind drohende Milliardenverluste beim Stahlgeschäft in Übersee und sich häufende Berichte über unsaubere Geschäftspraktiken in gleich mehreren Sparten des Konzerns.

 

    Mit dem Schritt wolle man ein "klares Signal nach außen" setzen, hieß es in der Erklärung. Auch angesichts der Aufdeckung der Korruptions- und Kartellfälle stelle sich "die Frage nach der bisherigen Führungskultur im Konzern". Dabei setzt der Aufsichtsrat auf Hiesinger und den ebenfalls noch relativ neuen Vorstand Guido Kerkhoff. Ihre Arbeit finde die "volle Unterstützung" der Kontrolleure. Während der Elektroingenieur Hiesinger von Siemens zu ThyssenKrupp gekommen war, hatte Finanzchef Kerkhoff zuvor das Europageschäft der Telekom geleitet.

 

    Bereits im vergangenen Monat hatte der Aufsichtsrat den Posten des Arbeitsdirektors im ThyssenKrupp-Vorstand neu besetzt. Der ehemaligen IG-Metall-Bezirksleiter Oliver Burkhard soll zum 1. April kommenden Jahres den Posten von Ralph Labonte übernehmen, der aus Gesundheitsgründen ausscheidet.

 

    Die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat begrüßten die Pläne als Signal für einen Neuanfang. "Transparenz und Ehrlichkeit im Umgang miteinander" seien in dem Unternehmen nicht mehr in jedem Fall selbstverständlich gewesen, sagte Bertin Eichler, der als Mitglied des IG-Metall-Vorstands auch stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender bei ThyssenKrupp ist.

 

    An der Börse konnte die Aktie bis zum Mittag um 2,71 Prozent zulegen. Laut Analyst Ingo-Martin Schachel von der Commerzbank unterstreicht der Paukenschlag den Veränderungswillen von Hiesinger und auch von Aufsichtsratschef Cromme hinsichtlich der Organisation und Kultur des größten deutschen Stahlkonzerns. ThyssenKrupp legt am kommenden Dienstag (11.12.) seine Jahresbilanz für das Geschäftsjahr 2011/2012 vor.

 

    Den Kahlschlag an der ThyssenKrupp-Spitze hatte das Unternehmen am Mittwochabend völlig überraschend angekündigt. Alle drei betroffenen Manager sollen den Konzern nach einer Empfehlung des Personalausschusses des Aufsichtsrats bereits zum Jahresende verlassen. Die endgültige Entscheidung darüber fällt am kommenden Montag im Aufsichtsrat des Konzerns.

 

    Damit zieht Deutschlands größter Stahlkonzern Konsequenzen aus dem Milliardendebakel beim Bau von Stahlwerken in Brasilien und den USA sowie der Aufdeckung einer Reihe von Korruptionsfällen. Unklar sei aber noch, ob es möglicherweise weitere, bisher unbekannte Probleme im Stahlkonzern gebe, hieß es an der Börse.

 

    Nach Informationen der "Financial Times Deutschland" (FTD) drohen bei der Bilanzvorlage weitere Milliardenabschreibungen für das Stahlgeschäft in Übersee. Nach Medienberichten könnte der Konzern mit den von Hiesinger bereits seit Mai zum Verkauf gestellten Stahlwerken bis zu elf Milliarden Euro verlieren.

 

    Auf ThyssenKrupp kommen nach der Aufdeckung eines Aufzugs- und Rolltreppenkartells gleich mehrere Schadenersatzklagen zu. Dem Berliner Landgericht liegen Schadenersatzklagen von Städten und der Bahn sowie von mehreren Bauunternehmen vor. Die EU-Kommission hatte bereits eine millionenschweren Geldbuße verhängt. Alle Vorwürfe hinsichtlich des Aufzugs-und Rolltreppenkartells betreffen ausschließlich den Zeitraum vor 2004. Berlien ist für den betroffenen Unternehmensbereich erst seit 2009 zuständig. Sein Vertrag sollte eigentlich erst am 31. März 2017 auslaufen.

 

    In der Vergangenheit war der Essener Konzern auch mit einem Schienenkartell in die Schlagzeilen geraten. Es war im vergangenen Jahr aufgeflogen. Das Bundeskartellamt hatte daraufhin im Juli dieses Jahres wegen Absprachen zulasten der Bahn ein Bußgeld von 103 Millionen Euro gegen ThyssenKrupp verhängt. Auch hier drohen hohe Schadenersatzforderungen von betroffenen Unternehmen.

 

    Gegen Claassen ermittelt die Staatsanwaltschaft Essen wegen Verdachts der Untreue im Zusammenhang mit einer USA-Reise. "Da haben wir einen Anfangsverdacht", sagte Oberstaatsanwalt Willi Kassenböhmer am Donnerstag. Es gehe es um die Frage, ob privat veranlasste Kosten korrekt gegenüber dem Arbeitgeber abgerechnet worden seien. Claassen hatte bereits am vergangenen Wochenende den Aufsichtsrat gebeten, ihn bis auf weiteres von seinen Vorstandsaufgaben zu entbinden. Der frühere Pressesprecher war im Vorstand für die Einhaltung rechtlicher Vorgaben zuständig.

 

    Edwin Eichler ist bisher im Vorstand für die Stahlsparte verantwortlich. Der Bau und Hochlauf der beiden Werke in den USA und Brasilien hat nach Angaben von Hiesinger aus dem Mai bislang bereits rund zwölf Milliarden Euro verschlungen. Die Prüfung der Projekte habe ergeben, dass die Planungen des früheren Vorstands deutlich zu optimistisch gewesen seien oder sich im Nachhinein als falsch erwiesen hätten, teilte ThyssenKrupp jetzt mit./uta/enl/hff/kie/DP/jha/stk

 

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