19.03.2007 20:20:00

IfW: Deutsches Potenzialwachstum in nächsten Jahren bis zu 2%

KIEL (Dow Jones)--Die deutsche Wirtschaft verfügt in den kommenden Jahren nach Berechnungen des Instituts für Weltwirtschaft an der Universität Kiel (IfW) über ein nachhaltiges Potenzialwachstum von bis zu 2%. Es werde 2007 mit 1,7% veranschlagt, 2008 und 2009 mit 1,8% und 2010 mit 2%, erklärten die Kieler Ökonomen am Montag auf einer Konferenz des Instituts. "Der Lohnzuwachs ist für eine lange Zeit unter dem Produktivitätswachstum geblieben, das hat Attraktivität geschaffen", sagte IfW-Präsident Dennis Snower bei dem "75. Kieler Konjunkturgespräch" unter dem Motto "Deutschland als neuer Konjunkturmotor für die Weltwirtschaft?".

   Ein Teil des Aufschwungs sei klar zyklischer Natur, aber das Wachstumspotenzial habe sich auch erhöht, erklärte das IfW. "Deutschland kann nachhaltig um 2% wachsen", sagte IfW-Ökonom Carsten-Patrick Meyer voraus. So seien die Anreize zur Aufnahme einer Arbeit erhöht worden, Steuern und Sozialversicherungsbeiträge gesunken oder mindestens stabilisiert worden, und die Arbeitslosenunterstützung sei zurückgefahren worden. "Das macht das Bild für das Potenzialwachstum sehr viel besser", sagte Meyer.

   Wegen größerer Arbeitsmarktflexibilität und des gedämpften Lohnwachstums nehme die Beschäftigung außerdem zu. "Das hat einen kumulativen Effekt gehabt", konstatierte Snower. Der IfW-Präsident sagte, allerdings bestehe "auch weiterhin Grund für Pessimismus" und verwies auf die hohe Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft von Exporten und von der verarbeitenden Industrie. Hier müsse man mehr auch auf Dienstleistungen setzen, verlangte er.

   Andere Teilnehmer der Diskussion zeigten sich in ihrer Prognose zum Potenzialwachstum allgemein pessimistischer als die Kieler Volkswirte oder führten eine erwartete positive Entwicklung auf andere Faktoren zurück. So bezweifelte Gustav-Adolf Horn von der Hans-Böckler-Stiftung, ob das Potenzialwachstum systematisch die angemessene Richtgröße sei. "Wir beobachten ein altbekanntes Phänomen: Das Potenzialwachstum folgt dem tatsächlichen Wachstum", monierte er. Die Lohnzurückhaltung wertete Horn unter Verweis auf ihre belastenden Nachfrageeffekte negativ. "Deutschland hat von der Lohnzurückhaltung nicht profitiert, diese war vielmehr eine Bürde", meinte Horn.

   Commerzbank-Volkswirt Jörg Krämer unterstrich demgegenüber, nicht nur die Löhne seien gesunken, sondern die Lohnstückkosten allgemein. "Deutschland wird noch weiter sein Produktivitätswachstum erhöhen", sagte er voraus. Anders als das IfW sah Krämer hierfür aber nicht in erster Linie die Auswirkungen jüngster politischer Maßnahmen verantwortlich, sondern das Engagement der Privatwirtschaft. "Die wahren Reformer befinden sich im Unternehmenssektor", hob er hervor. Die deutsche Wirtschaft habe ihre preisliche Wettbewerbsfähigkeit deutlich erhöht. Deshalb liege auch nach seiner Ansicht das Potenzialwachstum nun höher, allerdings nur bei rund 1,5%.

   Das IfW hatte erst in der vergangenen Woche seine Prognose für das Wirtschaftswachstum in Deutschland erneut heraufgesetzt und erwartet nun ein Wachstum von 2,8% in diesem und 2,4% im nächsten Jahr. Damit liegen die Kieler Wirtschaftsforscher an der Spitze der konjunkturellen Erwartungen für dieses Jahr. Für das Potenzialwachstum erwarten sie auch in den beiden Jahren nach 2010 eine Rate von nur knapp unter 2%, erklärten sie bei der Konferenz am Montag weiter.

   Auch andere Wirtschaftsforschungsinstitute hatten in der vergangenen Woche ihre Wachstumserwartungen hochgeschraubt. So sieht das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) in Essen für dieses Jahr ein Wachstum des deutschen BIP von 2,3% und für nächstes sogar von 2,6% und das Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) für 2007 von 2,0% und für 2008 von 2,5%.

   Die Bundesregierung hält hingegen offiziell weiterhin an ihrer Prognose von lediglich 1,7% Wachstum in diesem Jahr fest. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich zwar bereits positiv geäußert und erklärt, Deutschland habe nun "endlich wieder in die Rolle des Konjunkturmotors im Euro-Währungsraum zurückgefunden", gleichzeitig jedoch auch vor fortbestehenden Strukturproblemen am Arbeitsmarkt gewarnt.

   -Von Andreas Kißler, Dow Jones Newswires, +49 (0)30 - 2888 4118, andreas.kissler@dowjones.com

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