07.11.2007 12:21:00

Börse Frankfurt-News: Branchenbetrachtung: Versicherungen

        FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - 6. November. In den vergangenen Jahrzehnten haben sich die Erst- und Rückversicherungsmärkte durch drastische Zyklen ausgezeichnet. Phasen hoher Preise sorgten für kräftige Gewinnschübe, zusätzliches Kapital strömte in den Markt. Der Kampf um Marktanteile führte dann zu deutlichen Preissenkungen und Verlustphasen.

 

Nach hohen Schäden, unter anderem durch die Anschläge am 11. September 2001, begann vor sechs Jahren ein Preisanstieg in der ganzen Branche. Seit zwei Jahren bröckeln die Prämien für die Endkunden wieder. Die Versicherer selbst zahlen aber immer noch hohe Preise, wenn sie Rückversicherungsschutz einkaufen. Nicht nur die Münchener Rück hält die Preise stabil, auch Rivalen wie Swiss Re oder Hannover Rück setzen auf Kontinuität.

 

Überarbeitete Aufsichtsregeln sollen Sicherheit erhöhen

 

Mit dem Verfall der Kurse an den Weltbörsen trat ein großes Branchenproblem zu Tage: die Übergewichtung von Aktien in den Portfolios der Versicherungen. Neue Regeln sollen solche Szenarien zukünftig verhindern. Analog zu den unter dem Begriff "Basel II" entstehenden Aufsichtsregeln für Banken verbessert "Solvency II" die Aufsicht über die Versicherer. In der Vergangenheit wurde das von den Unternehmen geforderte Eigenkapital im Wesentlichen nach der Höhe der eingenommenen Prämien bemessen. In den neuen Aufsichtsrichtlinien kommt es in einem viel höheren Maß als bisher auf die tatsächlichen Risiken an, die die Versicherer eingehen.

 

Stabile Entwicklung in den letzten Jahren

 

Mittlerweile befindet sich die Branche in einer stabilen Verfassung. Die Katastrophenschäden der vergangenen beiden Jahre in Rekordhöhe sind gut verkraftet worden, stellen die Analysten der Deka-Bank in einer Branchenstudie fest. Die Margen haben sich erhöht, so dass in der deutschen Sachversicherung die Prämieneinnahmen wieder höher als die Schadenszahlungen sind und die Margen sich dadurch deutlich verbessert haben. Die Assekuranz verdient demnach - anders als in den neunziger Jahren - wieder Geld im Kerngeschäft. Hinzu kommen noch die Kapitalerträge. So erwartet Branchenführer Allianz im dritten Jahr in Folge ein Rekordergebnis. Auch andere Versicherungsgruppen wie Hannover Rück und Ergo haben die Gewinne gesteigert.

 

Hypothekenkrise belastet weniger

 

Entgegen der Ansicht mancher Marktbeobachter ist die Hypothekenkrise kaum ein Thema in den Vorstandsetagen der Versicherer. Das Bundesaufsichtsamt für das Finanzwesen, die BAFin, hat Mitte August die Engagements der Unternehmen im krisengeschüttelten US-Immobilienmarkt untersucht. Dabei kam heraus, dass 40 Unternehmen überdurchschnittlich in Risikogeschäfte mit Hypothekenderivaten verwickelt sind. Das ist jedes dritte Unternehmen in der Branche.

 

Die Versicherungen selbst geben sich mit Auskünften zurückhaltend. Die Provinzial zum Beispiel sei mit "weniger als 0,5 Prozent direkt an US-Immobilienpapieren beteiligt", heißt es offiziell aus der Zentrale in Düsseldorf. Ergo (Hamburg-Mannheimer) habe nur "kleinere Bestände" am US-Immobilienmarkt. Die BaFin hakte gezielt bei jenen Versicherern nach, die auffallend stark auf Asset Backed Securities − besicherte Kredite − gesetzt haben und bei denen die Risiken für die Renditen der Kunden daher besonders groß sind. Maximal dürfen die Unternehmen 7,5 Prozent der Gelder in solche Konstruktionen stecken. Im Branchendurchschnitt sind es nur 1,6 Prozent, bei den 40 überdurchschnittlich Investierten zwischen drei und fünf Prozent.

 

Stefan Hanekopf, Leiter Asset Management der Öffentlichen Versicherung Braunschweig, sieht bei vielen Versichern eine bessere Diversifikation ihrer Portfolios im Vergleich zur Aktienmarktkrise vor sechs Jahren. "Die Assekuranzen sind nach dem Jahr 2002 dazu übergegangen, ihre Reserven in so genannte Masterfunds zu stecken. Das sind Spezialfonds, die − meist von London aus − die Gelder auf Aktien, Immobilien, Derivate, festverzinslichen Wertpapieren und Fonds streuen. Darunter können auch Investments mit Kreditrisiken sein. Nur 30 Prozent dieser Kreditrisiken liegen im Schnitt in Nordamerika und nur ein Bruchteil davon sind verbriefte Hypothekenkredite", sagt Hanekopf. Das Hauptrisiko liege bei den meisten Portfolios wegen des hohen Anteils an festverzinslichen Papieren auf der Zinsseite, also bei einem möglichen Anstieg der Zinsen. Der Aktienanteil sei hingegen nach wie vor untergewichtet. "Das der eine oder andere Wettbewerber hat seine Risiken in Kreditderivaten möglicherweise vor der Hypothekenkrise nicht komplett herunter gefahren. Insgesamt ist die Branche aber hinsichtlich der Risikogewichtung gut aufgestellt", erklärt Hanekopf.

 

Preiskampf in der Autoversicherung

 

Einen Preiskampf liefern sich die Erstversicherer hingegen in der Autoversicherungssparte. Das Segment steht nach Ansicht der Branchenanalysten von DB Research dicht an der Grenze zum Verlust. Viele Anbieter machten jedoch Preisreduzierungen im Automarkt jenseits der Profitabilitätsschwelle aus Prestige-und Markteintrittsgründen mit. Global verliefen die Preistrends aber nicht parallel. Die unterschiedlichen Marktzyklen in Asien im Vergleich zu den USA und Europa ermöglichten es international aufgestellten Unternehmen, Kapazitäten auf andere Märkte zu verlagern. Deshalb können sie eine solche Strategie länger unbeschadet überstehen.

 

Wachstumspotential in der Altersvorsorge

 

Als wichtigstes Wachstumsfeld in Deutschland gilt nach einer Studie der Credit Suisse langfristig die private Altersvorsorge, wenngleich das Wachstum im Neugeschäft in den beiden vergangenen Jahren enttäuschend gering gewesen sei. Die Perspektiven bleiben dennoch günstig. Der Staat ziehe sich ein gutes Stück aus der Rentenversicherung zurück und fordere die Bürger zum Sparen auf. Zudem altert die Bevölkerung, weil weniger Kinder geboren werden und die Menschen länger leben. Die Lebensversicherer hoffen, dass sie von diesem Trend profitieren können.

 

Die Deutschen geben jedes Jahr pro Kopf knapp 2.000 Euro für Versicherungen aus, das sind rund 7 Prozent der Wirtschaftsleistung. Die Durchdringung mit Versicherungsprodukten liegt damit insgesamt etwa im europäischen Durchschnitt. Das resultiert allerdings vor allem aus der überproportional hohen Nachfrage nach Sach- und Krankenversicherungen. Bei Lebensversicherungen liegt der Anteil am Bruttoinlandsprodukt mit 3 Prozent dagegen weit unter dem europäischen Durchschnitt. Die Versicherer setzten darauf, dass sich dieser Anteil in den kommenden Jahren angleicht. Auch im Bereich Rechtschutz und Berufsunfähigkeit bestehe noch erhebliches Wachstumspotential, meinen die Analysten der Credit Suisse. Der Abbau gesetzlicher Garantien sorge in diesem Sektor für zusätzlichen Absicherungsbedarf.

 

Fonds zu Versicherungsaktien

 

Bezogen auf die Versicherungsbranche gibt es keine Fonds, die ausschließlich in Versicherungsaktien investieren. Die meisten Produkte mischen Käufe in Versicherungstiteln häufig mit Anlagen in der Finanzbranche wie Banken und Finanzdienstleister.

 

Auf europäischer Ebene legt der DVG Europa Finanzen (WKN 977302) an. Der Fonds investiert in ein diversifiziertes Portfolio aus Banken und Versicherungen. Er orientiert sich am DJ STOXX Finance und wird von der Ratingagentur Morningstar mit drei Sternen bewertet.

 

Etwas internationaler investiert der DWS Finanzen (WKN 976991). Der Fonds hält auch Anteile an US- oder brasilianischen Unternehmen. Maßstab seiner Entwicklung ist der MSCI World Finance-Index. Auch dieses Produkt wird von Morningstar mit drei Sternen bewertet. (Siehe Interview mit Fondsmanager in dieser Woche).

 

Die Branchenbetrachtung ist Teil des wöchentliche Börse Frankfurt -Fondsnewsletters. Diesen können Sie sich zusenden lassen. Schreiben Sie einfach eine E-Mail an redaktion@deutsche-boerse.com. © 6. November 2007 / Andreas Wolf

 

(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)

 

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