Kritik an US-Geldpolitik 29.12.2022 23:43:00

Top-Ökonom Mohamed El-Erian kritisiert Inflationsziel der Fed

Top-Ökonom Mohamed El-Erian kritisiert Inflationsziel der Fed

• US-Notenbank bleibt falkenhaft
• Währungshüter riskieren eine Rezession
• Mohamed El-Erian hält 2-Prozent-Inflationsziel für zu niedrig

Schon vor über einem Jahr - also als die US-Währungshüter den wachsenden Inflationsdruck noch als vorübergehendes Phänomen abtaten - warnte der ägyptisch-US-amerikanische Wirtschaftswissenschaftler Mohamed Aly El-Erian davor, dass die US-Notenbank die Inflationsgefahr nicht entschlossen genug bekämpft und sie später so hart eingreifen werden müsse, dass sie eine Rezession riskiert. Mit dieser Prognose sollte er Recht behalten. Die steigende Inflation in den USA legte aufgrund des Ukraine-Kriegs sowie globaler Lieferkettenprobleme immer weiter zu und erreichte im Juni 2022 sogar den höchsten Stand seit über 40 Jahren.

Inzwischen hat die Fed ihren Irrtum erkannt und mit einer beispiellosen Serie von großen Zinsschritten reagiert. Zuletzt haben die US-Währungshüter Mitte Dezember den Leitzins um 50 weitere Basispunkte auf 4,25 bis 4,50 Prozent angehoben. Ferner signalisierte die Fed, dass der Zinshöhepunkt 2023 mit etwa 5,1 Prozent höher liegen dürfte als im September noch mit etwa 4,60 Prozent projiziert, außerdem hat sie die Vorstellung, dass sie die Zinsen im nächsten Jahr bereits wieder senken könnte, entschieden zurückgewiesen. Jedoch ist diese falkenhafte Geldpolitik für die Notenbank auch ein Balanceakt, denn höhere Zinsen helfen zwar dabei, die Inflation zu dämpfen, können aber zugleich das Wirtschaftswachstum bremsen. Deshalb nehmen nun bei vielen Marktteilnehmern die Rezessionsängste wieder zu.

Zu den prominentesten Kritikern der Fed gehört wohl Mohamed El-Erian: "Die Fed versucht immer noch aufzuholen, um die steigenden Preise zu zügeln, nach ihrer langanhaltenden enormen Fehleinschätzung vom vergangenen Jahr, dass die Inflation nur vorübergehend sei und nach ihren anfänglich sehr zögerlichen Schritten, monetäre Stimuli zurückzunehmen", schrieb der Präsidenten des Queens’ College der Universität Cambridge kürzlich in einem Beitrag für die "Financial Times".

Mohamed El-Erian kritisiert Inflationsziel der Fed

Die Kritik des prominenten Ökonomen, der früher CEO von PIMCO war, richtet sich nun hauptsächlich gegen das erklärte Inflationsziel der Fed. Zwar hat die US-Notenbank im August 2020 mitten in der Coronakrise ihre geldpolitische Strategie auf eine "flexible Form eines durchschnittlichen Inflationsziels" umgestellt. So verschafft sich die Fed mehr geldpolitischen Spielraum, indem sie beschlossen hat, dass das Inflationsziel künftig nur noch im Durchschnitt bei zwei Prozent liegen solle. Gemäß diesem neuen "Average Inflation Targeting" genannten Modell darf die Inflationsrate nun auch für einige Zeit über dem 2-Prozent-Ziel gehalten werden, falls sie zuvor geraume Zeit unter diesem angepeilten Idealwert lag. Dass die vergangene Inflation berücksichtigt wird, ist neu, davor gab es nur ein in die Zukunft gerichtetes Ziel.

Doch obwohl die Währungshüter damit nun mehr Spielraum haben, kritisiert Mohamed El-Erian das Ziel von 2,0 Prozent. Er hält diese Marke nicht für das ideale Inflationslevel. Laut dem Wirtschaftswissenschaftler wird sich die Fed im kommenden Jahr 2023 mit einer schwierigen Entscheidung konfrontiert sehen: Entweder sie zerstört das Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze um ihr 2-Prozent-Ziel einzuhalten, oder sie setzt sich öffentlich ein höheres Inflationsziel und riskiert damit eine neue Runde destabilisierter Inflationserwartungen.

Mit Blick auf die instabilen Lieferketten, die Abkehr von fossilen Brennstoffen und die lange Periode einer ultralockeren Geldpolitik hält der Ökonom, der davon ausgeht, dass sich die Inflation auch 2023 als hartnäckig erweisen und über dem 2-Prozent-Ziel bleiben wird, ein Inflationsziel von drei bis vier Prozent für angemessener. Möglich wäre seiner Ansicht nach, dass die Währungshüter zwar offiziell an ihrem 2-Prozent-Ziel festhalten, tatsächlich aber insgeheim eine höhere Zahl anstreben und hoffen, dass die Öffentlichkeit dies akzeptiert. Damit würde die US-Notenbank zwar Zweifel an ihrer Verlässlichkeit riskieren, doch angesichts der unsicheren Umstände könnte die Fed dies trotzdem für die beste Herangehensweise halten, meint El-Erian.

Redaktion finanzen.at

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