27.04.2022 13:17:00
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WIIW: Teilweiser Gas-Lieferstopp ist "Warnung an Deutschland"
Die Forderung Russlands, dass "unfreundliche" Staaten die russischen Gaslieferungen in russischen Rubel bezahlen sollen, "ist natürlich ein Knackpunkt", der zu einer Verschärfung der Konfrontation führen könnte, erklärte WIIW-Ökonom Vasily Astrov.
"Diese ganze Diskussion, ob man etwas in Rubel oder Dollar oder Euro zahlt, ist ein bisschen eine virtuelle Diskussion", sagte Holzner, "weil in der einen oder anderen Art und Weise wurde ja auch früher, egal in welcher Währung ursprünglich bezahlt wurde, das Geld irgendwann in Rubel umgetauscht." Ursprünglich hätten 80 Prozent der Exporterlöse in Rubel umgetauscht werden müssen, der ökonomische Effekt der russischen Forderung wäre, dass es nun 100 Prozent wären. Diese Diskussion mache rein ökonomisch gesehen nicht viel Sinn, dabei gehe es mehr um "Symbolpolitik", sagte Holzner. Für Russland wäre aber die direkte Bezahlung in Rubel eine Möglichkeit, die Sanktionen gegen die Gazprombank zu umgehen, ergänzte Astrov.
Die Lage der österreichischen Regierung sei jetzt schwierig, sagte Holzner, "man hat jetzt quasi mit Jahrzehnten einer fehlgeleiteten Energiepolitik zu tun, und es gibt kurzfristig keine gute Lösung". Von den Sozialpartnern und insbesondere von der Industriellenvereinigung werde darauf hingewiesen, dass in wichtigen Industriesektoren z.B. in Oberösterreich oder in der Steiermark, in der Stahl- und Chemieindustrie "die Abhängigkeit von russischem Gas so massiv ist und nicht kurzfristig größere Mengen aus anderen Quellen bezogen werden können und dass das für einzelne Industriezweige verheerende Folgen hätte". Es sei eine politische Entscheidung, "wie sehr man bereit ist, für einen Krieg in einem anderen Land selber große Schmerzen auf sich zu nehmen".
Mit dem Stopp der Gaslieferungen an Polen und Bulgarien teste Russland, wie ernst es die EU mit den Sanktionen meine. Polen habe ohnehin bald auf russische Gaslieferungen verzichten wollen, das sei also nur symbolisch. "Bulgarien ist das schwächste Glied in der Kette, das ist das ärmste Land in der europäischen Union, das ist also auch eher symbolisch zu sehen", meinte Holzner. "Letztlich wird auch niemand Österreich fragen, es wird alles von der Entscheidung in Deutschland abhängen." Wenn sich Deutschland für ein Embargo entscheide, "dann werden auch Österreich, Tschechien und die Slowakei folgen".
Bei einem Totalembargo von Öl und Gas werde es für Russland sehr eng, sagte Astrov. 40 Prozent der Einnahmen des russischen Staates würden aus dem Energiesektor stammen - darin sei aber auch der Absatz in Russland enthalten. Bei einem Totalembargo durch die EU würden also etwa 15 bis 20 Prozent der russischen Staatseinnahmen wegfallen.
Jedenfalls würde es aber der russischen Zentralbank nicht gelingen, eine Abwertung des Rubels zu verhindern, der Rubel könnte gegenüber Euro und Dollar die Hälfte seines Wertes verlieren. Die Inflation würde weiter steigen, "das Potenzial des russischen Staates massiv untergraben". Auch könnte Russland seine Gasexporte nicht einfach etwa nach China umleiten, weil die Pipelines aus Westsibirien alle mit Westeuropa verbunden seien.
Holzner glaubt dennoch nicht, dass ein Totalembargo den Krieg stoppen würde. "Ich glaube nicht, dass Russland zu irgendetwas gezwungen werden kann. Es ist immer die ausschließliche Entscheidung Russlands, was es macht."
ivn/tsk
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