07.05.2013 07:45:00
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Gutmann Investment Mail – Mai 2013
„Japanische Verhältnisse“ und: Was wir davon lernen können. Steuert Europa auf „japanische Verhältnisse“ zu? Oder sind wir gar schon mittendrin?
Dieser Inbegriff des verzweifelten und letztlich vermeintlich gescheiterten Versuchs, Wachstum bzw. Inflation mit geld- und fiskalpolitischen Mitteln in einer Volkswirt-schaft zu erzeugen, rückt aktuell – vor allem in Europa – wieder stärker in den Blick-punkt. Auch wenn die heutige Situation mit Japan vor 20 Jahren nicht vergleichbar ist, so fühlt sich doch vieles nach einer langwierigen Stagnation mit niedrigen Inflations-raten an, mit der wir konfrontiert sein könnten. Was sind die Unterschiede zu damals, wo gibt es Parallelen und weckt der Begriff der „japanischen Verhältnisse“ vielleicht Assoziationen, die mit der Realität in Japan wenig zu tun haben? Und vor allem: welche Schlüsse muss man auf der Investmentseite ziehen?
Viel Negatives wird mit dem Terminus „Japanische Verhältnisse“ gedanklich verbunden: Unterdurchschnittliches Wachstum, Deflation, Hilflosigkeit, verzweifelte Versuche und letzt-lich Scheitern. Der MSCI Japan liegt dieser Tage (Ende März 2013) noch immer deutlich unter der Hälfte des Hochs von 1989. Der Verdacht liegt nahe, dass Japan nicht nur auf ein verlorenes Jahrzehnt zusteuert, sondern sogar auf eine verlorene Generation. Dabei kann man den politischen und monetären Autoritäten sicher nicht den Vorwurf machen, handlungs-unwillig gewesen zu sein. Und vielleicht ist es gerade dieser Punkt, der so sehr verunsichert: dass trotz beispielloser Bemühungen und Wirtschafts-Stimuli die Entwicklung der letzten beiden Dekaden in Japan – noch bis in die 90er-Jahre oft als Vorzeigevolkswirtschaft ange-führt – in dieser Form verlaufen ist.
Eines ist jedenfalls klar: Das Verständnis der „japanischen Verhältnisse“ sowie die richtige Einordnung der derzeitigen Situation ist entscheidend für den langfristigen Anlageerfolg. Denn der historische Vergleich der Assetklassen über die letzten 20 Jahre in Japan zeigt ein eindeutiges, vielleicht im damaligen Niedrigzinsumfeld nicht unmittelbar intuitives Ergebnis.
Um Aussagen treffen zu können, ob wir uns in Europa auf „japanische Verhältnisse“ zube-wegen oder uns bereits darin befinden, muss man zuerst besagte Verhältnisse definieren. Bei dieser Definition ist man zudem mit dem Problem konfrontiert, dass es sich um einen sehr langen Zeitraum handelt, innerhalb dessen sich eine Reihe von makroökonomischen Ereig-nissen in unterschiedlichen Ausmaßen abgespielt hat. Dabei ist nicht immer ganz klar, was tatsächlich Ursache und was Wirkung ist. Die Asienkrise Mitte der 90er-Jahre hat Japan nur wenige Jahre nach dem Platzen der Immobilienblase – und damit zu einem denkbar ungüns-tigen Zeitpunkt – ereilt. Deflation bringt man immer mit „japanischen Verhältnissen“ in Ver-bindung, sie wurde allerdings erst ab der Millenniumswende ein strukturelles Thema und ist damit eigentlich ein recht „junges“ japanisches Phänomen. Disinflation – also laufend kleiner werdende Preisanstiege – war hingegen schon seit Krisenbeginn, Anfang der 90er-Jahre, stets zu bemerken.

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