24.11.2014 19:24:30
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UPDATE2: Stromerzeuger tragen Gabriels Vorstoß mit Fassung
-- Stromerzeuger sollen selbst entscheiden, welche Kraftwerke sie schließen
-- Branche bekennt sich zu Klimazielen Deutschlands
-- Widerstand kommt von CDU, BDI und IG BCE
(NEU: Position Energiewirtschaft, Zitate CDU-Fraktionsvize Fuchs, Einschätzung Analyst)
Von Christian Grimm
BERLIN--Die deutschen Stromkonzerne sind bereit, einen Teil ihrer Kraftwerke stillzulegen. Sie folgen damit einem Vorstoß von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), der von den Energieerzeugern bis 2020 eine Senkung ihres Treibhausgasausstoßes verlangt. Die Branche steht "hinter den klimapolitischen Zielen der Bundesregierung und dem Umbau der Energiewirtschaft", teilte der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft am Abend in Berlin mit.
Zuvor hatte Gabriel die Unternehmen in seinem Ministerium empfangen und seinen Plan vorgestellt. Die Stromwirtschaft soll in den fünf Jahren ab 2016 insgesamt 22 Millionen Tonnen Kohlendioxid weniger in die Luft blasen. Der SPD-Chef gab dennoch ein klares Bekenntnis zur Kohleverstromung ab. "Ich glaube, dass wir die Braunkohlekraftwerke und den Tagebau noch auf Jahre bis Jahrzehnte brauchen werden", sagte Gabriel im Anschluss an die Gespräche. Der aus Braunkohle erzeugte Strom ist besonders klimaschädlich, aber derzeit auch der billigste auf dem Markt. "Wir müssen die Strompreisentwicklung im Griff halten", betonte der Minister. Eine große Kraftwerkstilllegungswelle sei deshalb nicht sinnvoll.
Die strengeren CO2-Vorgaben sollen dazu beitragen, dass Deutschland seine Klimaziele erreicht. Im Jahr 2020 sollen sie 40 Prozent unter dem Wert von 1990 liegen. Jeder Stromkonzern bekommt nach den Vorstellungen Gabriels ein CO2-Budget pro Jahr, das er nicht übersteigen darf. Die Energieerzeuger sollen aber selbstständig festlegen dürfen, ob sie einzelne Kraftwerke komplett abschalten oder auf kleinerer Last fahren. "Sie (die Emissionen) können sie gleichmäßig auf ihre Kraftwerke verteilen, auf einzelne Anlagen konzentrieren und zwischen Anlagen übertragen. Damit wird ihnen ein Maximum an Flexibilität gewährt", heißt es in einem Papier aus dem Ministerium. Der SPD-Politiker betonte bei der Vorstellung seiner Ideen, dass auch andere Sektoren wie Verkehr, Transport und das Heizen von Wohnungen und Gebäuden umweltfreundlicher werden müssten.
Die Zeit für Entscheidungen drängt, weil das Kabinett bereits Anfang Dezember seinen Aktionsplan zum Klimaschutz verabschieden will. In den Reihen der Großen Koalition sorgt der Vorstoß des Vizekanzlers für Unmut. "Ich habe ganz erhebliche Bedenken und noch große Fragezeichen. Das gilt insbesondere mit Blick auf die Versorgungssicherheit und weiter steigende Strompreise", sagte Unions-Fraktionsvize Michael Fuchs. Der Wirtschaftspolitiker sieht Wertschöpfungsketten und damit tausende Arbeitsplätze in Gefahr. "Das sind alles gute Gründe, hier nichts übers Knie zu brechen", betonte Fuchs.
Ähnliche Bedenken hat der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Er warnte vor dem Verlust von über 70.000 Arbeitsplätzen. Widerstand signalisiert auch die Gewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie. IG BCE-Chef Michael Vassiliadis will nicht hinnehmen, dass bei der Stromwirtschaft weitere Arbeitsplätze zur Disposition stehen. "Wir wollen eine erfolgreiche Energiewende, wir wollen eine Energiewende, die zu mehr Beschäftigung führt, statt gute Arbeitsplätze zu vernichten", sagte Vassiliadis Mitte des Monats.
Unterstützung für die Stilllegung alter Kohlekraftwerke kommt hingegen aus der Wissenschaft. Deutschlands bekannteste Energieexpertin, Claudia Kemfert, schlug vergangene Woche vor, neun Gigawatt an Kohlekapazität aus dem Markt zu nehmen. Damit sollen in den nächsten Jahren 23 Millionen Tonnen weniger CO2 bei der Energieproduktion anfallen. Kemfert kommt damit den Vorstellungen aus dem Wirtschaftsministerium recht nahe. Nach ihren Berechnungen könnte der Sektor damit rund ein Drittel des nötigen Gesamtvolumens erbringen, damit die Bundesrepublik das 40-Prozent-Ziel erfüllen kann.
Da durch die Zwangsabschaltung das Angebot sinken würde, könnte gleichzeitig der Börsenpreis für Strom steigen, was wiederum den Energieerzeugern nützlich wäre. "Weil dem Klima und dem Strommarkt gleichzeitig geholfen wäre, winkt sogar eine doppelte Dividende", hatte die Professorin vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) erklärt. Sie rechnet mit einem Anstieg des Großhandelspreises um etwa 1,3 Cent. Energie-Analyst Erkan Aycicek von der LBBW glaubt ebenfalls, dass sich das gesetzliche Aus für einige Meiler als positiv für die Besitzer erweisen kann. Wenn Kohlekraftwerke vom Netz genommen werden, dürften die teureren Gaskraftwerke häufiger die Preise bestimmen.
Kontakt zum Autor: konjunktur.de@dowjones.com
(Mitarbeit: Jenny Busche)
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November 24, 2014 12:54 ET (17:54 GMT)
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