16.07.2016 10:26:45
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UPDATE2/Putschversuch bringt Gewalt und Chaos in die Türkei
--Schwere Gefechte bei Putschversuch in der Türkei
--Ministerpräsident Yildirim: "Lage weitgehend unter Kontrolle"
--Sondersitzung des türkischen Parlaments
(NEU: Weitere Details, Hintergründe, Reaktionen)
ANKARA (AFP)--Ein Putschversuch von Soldaten hat in der Nacht zum Samstag Gewalt und Chaos in die Türkei gebracht. Eine Gruppe von Militärs verkündete am Freitagabend die Übernahme der Macht, in Ankara und Istanbul kam es zu schweren Gefechten. Mindestens 90 Menschen wurden laut Medienberichten getötet und 1.154 weitere verletzt. Mehr als 1.500 Armeeangehörige wurden festgenommen. Die Regierung erklärte den Putsch für gescheitert.
Ein "Rat für den Frieden im Land" verkündete am Freitagabend im Fernsehen, die Armee habe "die Macht im Land in ihrer Gesamtheit übernommen". Damit sollten "die verfassungsmäßige Ordnung, die Demokratie, die Menschenrechte und die Freiheiten" im Land gewährleistet werden, hieß es in der Erklärung. Die Putschisten riefen das Kriegsrecht aus und verhängten eine Ausgangssperre.
Präsident Recep Tayyip Erdogan sprach von einem "Aufstand einer Minderheit in der Armee" und kündigte "sehr starke Gegenmaßnahmen" an. Der Staatschef rief seine Anhänger zu Gegendemonstrationen auf. In der Hauptstadt Ankara sowie in Istanbul und Izmir folgten zahlreiche Menschen dem Aufruf, an einigen Orten waren mehr Demonstranten zu sehen als Putsch-Soldaten.
An einer der beiden teilweise gesperrten Bosporus-Brücken in Istanbul eröffneten Soldaten das Feuer auf demonstrierende Regierungsanhänger. Ein AFP-Fotograf sah dutzende Verletzte. Auch auf dem Taksim-Platz schossen Soldaten auf Gegner des Putschversuchs, hier gab es ebenfalls Verletzte. Proteste von Erdogan-Anhängern gab es am Atatürk-Flughafen.
Im Zentrum von Ankara waren heftige Explosionen und Schüsse zu hören, während Kampfflugzeuge und Militärhelikopter über der Stadt kreisten. Medienberichten zufolge wurde das Parlament aus der Luft angegriffen. Laut der Nachrichtenagentur Anadolu wurden dabei 17 Polizisten getötet. Ministerpräsident Binali Yildirim wies die regierungstreuen Streitkräfte an, die Flugzeuge und Hubschrauber in den Händen der Putschisten abzuschießen.
Yildirim sagte, die Lage sei wieder "weitgehend unter Kontrolle". Er sprach von einem "idiotischen" Versuch, der "zum Scheitern verurteilt" gewesen sei. Jedoch waren in den frühen Morgenstunden weiterhin vereinzelte Feuergefechte in Ankara und Istanbul zu hören. Regierungstreue Kampfjets schossen ein von Putschisten gekapertes Kampfflugzeug ab. Am Samstagmorgen griffen Kampfjets Panzer der Putschisten an, die am Präsidentenpalast in Ankara aufgefahren waren.
Erdogan hielt sich zu dem Zeitpunkt bereits in Istanbul auf. Er hatte seinen Urlaub am Mittelmeer abgebrochen und landete am frühen Samstagmorgen am Atatürk-Flughafen in der Bosporus-Metropole, wo er von jubelnden Anhängern empfangen wurde. Der Staatschef warf den Putschisten vor, kurz nach seiner Abreise sein Hotel in Marmaris bombardiert zu haben.
Erdogan machte die Anhänger des islamischen Predigers Fethullah Gülen für den Putsch verantwortlich und drohte, sie würden "einen hohen Preis für diesen Verrat zahlen". Gülen wies die Anschuldigung vehement zurück und verurteilte den Putschversuch.
Generalstabschef Hulusi Akar wurde laut Medienberichten von den Putschisten als Geisel genommen. Später meldete der Sender CNN-Türk, Akar sei von Sicherheitskräften befreit und an einen sicheren Ort gebracht worden.
Auf einer Bosporus-Brücke in Istanbul ergaben sich dutzende Putschisten, die zuvor die Brücke unter ihre Kontrolle gebracht hatten. Sie ließen sich mit erhobenen Händen festnehmen. Außerdem ergaben sich laut Anadolu fast 200 Putschisten, die sich im Hauptquartier der Streitkräfte verschanzt hatten. Spezialkräfte sicherten das Gelände.
Landesweit wurden 1.563 Armeeangehörige festgenommen, wie ein Regierungsvertreter sagte. Das türkische Parlament kam am Morgen zu einer Sondersitzung zusammen. Diese wurde live im Fernsehen übertragen.
International wurde der Putschversuch scharf verurteilt. US-Präsident Barack Obama stellte sich hinter Erdogan und rief zur Unterstützung der demokratisch gewählten Regierung auf. Er appellierte an alle Seiten, "Gewalt und Blutvergießen zu vermeiden". Die Bundesregierung sicherte der Regierung ihre "Unterstützung" zu. "Die demokratische Ordnung in der Türkei muss respektiert werden", betonte Regierungssprecher Steffen Seibert.
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon forderte die schnelle und friedliche Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung. Die EU-Führung betonte in einer gemeinsamen Erklärung, sie unterstütze uneingeschränkt die demokratisch gewählte Regierung, die Institutionen und die Rechtsstaatlichkeit in der Türkei.
DJG/ros
(END) Dow Jones Newswires
July 16, 2016 03:56 ET (07:56 GMT)- - 03 56 AM EDT 07-16-16

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