14.09.2015 19:46:45
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UPDATE/Verteilung von Flüchtlingen stellt EU vor Zerreißprobe
-- vereinbarte Verteilung von 40.000 Flüchtlingen auf freiwilliger Basis offiziell beschlossen
-- Tusk will ohne Einigung Sondergipfel
(NEU: Slowakei und Polen bekräftigten Ablehnung von Aufnahmepflicht
BRüSSEL (AFP)--Der Streit um die Verteilung von Flüchtlingen hat die EU vor eine Zerreißprobe gestellt. Bei einem Sondertreffen der EU-Innenminister zeichnete sich am Montag kein Konsens für einen Vorschlag ab, 120.000 Menschen über verpflichtende Quoten auf alle EU-Länder zu verteilen. Stattdessen warnte die luxemburgische EU-Ratspräsidentschaft angesichts der Wiedereinführung von Grenzkontrollen in Deutschland und anderen Ländern vor einem Auseinanderbrechen Europas.
Osteuropäische Länder bekräftigten zu dem Treffen in Brüssel ihren Widerstand gegen eine Pflicht zur Aufnahme der 120.000 Flüchtlinge, die EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker vergangene Woche gefordert hatte, um Griechenland, Italien und Ungarn zu entlasten. "Wir glauben nicht, dass Quoten die Lösung sind", sagte der slowakische Innenminister Robert Kalinak. Ähnliche Töne kamen aus Polen: Ihr Land werde "so viele Flüchtlinge aufnehmen, wie uns möglich sind, und keinen einzigen mehr", erklärte Regierungschefin Ewa Kopacz in Warschau.
Ein Kompromissvorschlag der Luxemburger EU-Ratspräsidentschaft wurde jedoch von den Quotenbefürwortern Deutschland und Frankreich als zu wenig ehrgeizig abgelehnt. Der Entwurf sei "noch nicht präzise genug", kritisierte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU). In Vorgesprächen sei deshalb vereinbart worden, klarer zu formulieren, was "europäische Solidarität" bei der Flüchtlingsaufnahme bedeute und in welchem Zeitrahmen die Pläne umgesetzt werden sollten. Der französische Innenminister Bernard Cazeneuve sagte, er und de Maizière hielten es für "unausweichlich, dass alle Länder sich am Grundsatz der Umverteilung beteiligen".
Die irische Innenministerin Frances Fitzgerald hatte zuvor gesagt, verpflichtende Quoten lägen "heute nicht auf dem Tisch". Es gehe lediglich darum, "eine politische Vereinbarung" auf die Zahl von 120.000 Flüchtlingen zu erzielen. Ein EU-Diplomat bestätigte, dass der bisherige Erklärungsentwurf, nicht festlegte, ob die Teilnahme an der Umverteilung "freiwillig oder verpflichtend ist". Trotzdem gebe es weiter Widerstände.
Ein Beschluss der Flüchtlingsverteilung mit qualifizierter Mehrheit war bei dem Treffen zwar möglich, gilt aber wegen der innenpolitischen Brisanz als politisch ausgeschlossen - unter anderem auch, weil in Polen Ende Oktober Parlamentswahlen stattfinden. EU-Ratspräsident Donald Tusk hat bereits angekündigt, ohne Durchbruch bei den Innenministern werde er noch im September einen EU-Sondergipfel ansetzen. Dort müsste ohnehin im Konsens entschieden werden.
"Wir müssen uns heute zusammenreißen, sonst wird Europa auseinandergerissen", warnte Luxemburgs Außen- und Immigrationsminister Jean Asselborn. Er sah die Reisefreiheit im Schengen-Raum in Gefahr, in dem es normalerweise keine Kontrollen an den Grenzen gibt. Er habe Verständnis für die deutsche Entscheidung, wegen der Flüchtlingskrise wieder Grenzkontrollen einzuführen, sagte er. Diese dürften aber nur "für sehr kurze Zeit" gelten. Sonst werde es zu einem "Dominoeffekt" und "Chaos" kommen. Viele Länder würden dann ihrerseits Grenzkontrollen einführen. Dann könnten die Europäer "Schengen vergessen".
Tatsächlich kündigte auch Österreich am Montag Kontrollen an der Grenze zu Ungarn an, wo weiter tausende Flüchtlinge auf dem Weg nach Westen waren. Auch die Slowakei und Tschechien kündigten verstärkte Kontrollen an. Polen behielt sich die Einführung vor. Der niederländische Justizstaatssekretär Klaas Dijkhoff sagte, sein Land werde vorerst "mehr Patrouillen" an der Grenze einsetzen.
Offiziell beschlossen wurde zu Beginn des Innenministertreffens die schon im Sommer vereinbarte Umverteilung von 40.000 Flüchtlingen aus Griechenland und Italien, wie der EU-Ratsvorsitz mitteilte. Hierbei werden die Flüchtlinge aber nur auf freiwilliger Basis von anderen EU-Staaten aufgenommen. Im Juli hatte es zunächst nur Zusagen für die Aufnahme von gut 32.000 Menschen gegeben. Weitere Zusagen sollen bis Jahresende erfolgen. Auch hier war eine Verteilung über verpflichtende Quoten am Widerstand insbesondere osteuropäischer Staaten gescheitert.
Kontakt zum Autor: konjunktur.de@dowjones.com
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September 14, 2015 13:16 ET (17:16 GMT)- - 01 16 PM EDT 09-14-15
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