17.03.2015 17:33:31
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UPDATE/Union und SPD zeigen Riss in neuer Reparationsdebatte
-- Kauder hält Reparationsfrage für ausgestanden
-- Oppermann will Debatte mit Blick auf Zukunft führen
-- Politiker von SPD und Grünen befeuern Debatte
(NEU: Kauder, Oppermann)
Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones)--Die Fraktionsführungen von Union und SPD haben eine unterschiedliche Bewertung in der Frage griechischer Reparationsforderungen abgegeben. Während der Unions-Fraktionsvorsitzende Volker Kauder betonte, das Thema sei abgeschlossen, rief SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann dazu auf, weitere Diskussionen zu führen.
"Die Bundesregierung vertritt die Auffassung, dass die Entschädigungsansprüche Griechenlands rechtlich abschließend geregelt sind", sagte Oppermann. "Ich kann diese Rechtsauffassung nachvollziehen. Aber wir können nicht bei diesem Stand zur Tagesordnung übergehen, denn wir tragen Verantwortung für die Grausamkeiten und das Nazi-Unrecht während der NS-Besatzungszeit in Griechenland." Oppermann trat dafür ein, deutsch-griechische Freundschaftsprojekte zu fördern. "Wir müssen diese Diskussion mit Blick auf die Zukunft führen", forderte er. Keinesfalls dürfe sie mit der Debatte um die griechische Schuldenkrise vermischt werden.
Kauder hält Reparationsfrage für ausgestanden
Die Unions-Bundestagsfraktion hat aber reserviert auf solche Forderungen aus den Reihen von SPD und Grünen reagiert, Griechenland für die Folgen der deutschen Besatzung in der Nazizeit zu entschädigen. Kauder bekräftigte die rigorose Haltung von CDU und CSU in dieser Frage. "Ich werde in der Fraktion die gemeinsame Position der Bundesregierung verteilen lassen, in der klar formuliert wird, warum ein Anspruch darauf nicht besteht", erklärte Kauder vor einer Sitzung seiner Fraktion. "Das ist ausgestanden, es gibt keinen Anspruch", betonte er, "und die Griechen sollen sich einmal mit ihrer Hausaufgabe beschäftigen, und nicht immer andere Schuldige suchen".
In der Koalition tut sich damit ein Riss in einer Frage auf, in der die Regierung bisher eine kategorische Position vertrat. Die Auseinandersetzung könnte sich künftig vor allem durch die SPD ziehen, denn das von den Sozialdemokraten geführte Auswärtige Amt bleibt gegen Reparationen. Allerdings kamen auch aus der Union konziliantere Töne als die des Fraktionschefs.
Unions-Fraktionsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer (CDU) sagte, aufgrund klarer völkerrechtlicher Regelungen habe nach seiner Auffassung "die Reparationsfrage ihre Berechtigung verloren". Allerdings schloss er weitere Diskussionen trotzdem nicht aus. "Das kann man gerne weiter diskutieren", sagte er. "Das kann man auch unterschiedlich diskutieren."
Politiker von SPD und Grünen befeuern Debatte
Das Auswärtige Amt lehnte Forderungen nach Reparationen für Griechenland hingegen klar ab. "Deutschland steht zu seiner historischen Schuld und auch zu seiner Verantwortung", sagte der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Roth (SPD), der Nachrichtenseite n-tv.de. Die Verbrechen der Nazis in Griechenland seien noch nicht vollständig aufgearbeitet. Doch die Frage der Reparationen sei "politisch und juristisch abgeschlossen".
Führende Politiker von SPD und Grünen haben sich dafür ausgesprochen, Griechenland für die Folgen der Nazi-Besatzung zu entschädigen. "Politisch ist der Fall aus meiner Sicht eindeutig: Wir sollten auf die Opfer und deren Angehörige finanziell zugehen", sagte Gesine Schwan, die Vorsitzende der SPD-Grundwertekommission, zu Spiegel Online.
Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner erklärte, die Frage der Entschädigungen solle nicht mit der aktuellen Debatte über die Euro-Krise verknüpft werden. "Aber unabhängig davon bin ich der Meinung, dass wir die Entschädigungs-Diskussion führen müssen." Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter betonte, Deutschland könne "die Forderungen aus Griechenland nicht einfach vom Tisch wischen".
Rückzahlung von Zwangskredit ist umstritten
Die Bundesregierung hat aber bereits vergangene Woche klargemacht, dass sie die Reparationsfrage und auch das Thema einer von den Nationalsozialisten 1942 bei der griechischen Notenbank erhobenen Zwangsanleihe knapp 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges als erledigt ansieht. Sprecher der Regierung haben neuerliche griechische Forderungen nach Reparationszahlungen kategorisch zurückgewiesen. "Rechtlich wie politisch ist diese Frage umfassend und auch abschließend geklärt", hatte Regierungssprecher Steffen Seibert bei einer Pressekonferenz in Berlin gesagt. "Deswegen kann es dazu keine Verhandlungen geben."
Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras hatte vergangenen Mittwoch in einer Rede die Forderungen bekräftigt, die nach griechischem Verständnis aus der Zeit der deutschen Besatzung des Landes im Zweiten Weltkrieg herrühren. Für Unmut in Deutschland sorgte besonders, dass Justizminister Nikos Paraskevopoulos seine Zustimmung zu einer möglichen Pfändung deutscher Immobilien in Griechenland für den Fall angekündigt hatte.
Unter anderem geht es bei dem Streit um einen Zwangskredit über 476 Millionen Reichsmark, den die Nationalsozialisten 1942 von der griechischen Notenbank erhoben. Griechenland beklagt, die Rückzahlung dieses Kredites sei bis heute nicht erfolgt. Das Thema dürfte auch Gegenstand eines Gespräches sein, das Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am kommenden Montag mit Tsipras bei dessen Antrittsbesuch in Berlin führen wird. Dieser Besuch war erst an diesem Montag kurzfristig vereinbart worden.
Union rückt Schuldenkrise in den Mittelpunkt
Grosse-Brömer forderte, anstatt der Reparationsfrage müsse jetzt die Umsetzung der griechischen Reformankündigungen in der aktuellen Schuldenkrise ins Zentrum gerückt werden. "Es besteht ja Handlungsbedarf", betonte er. Griechenland müsse die Vorhaben endlich umsetzen. "Darauf sollte man sich jetzt klar konzentrieren." Durch erste Maßnahmen der griechischen Regierung sei "auch Vertrauen zerstört worden", hob er in Reaktion auf Äußerungen von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hervor. "Es ist so, dass ich der Auffassung bin, dass Vertrauen zurückzugewinnen ist."
Schäuble hatte am Montagabend heftige Kritik an der griechischen Regierung geübt und betont, die von Athen vorgeschlagene Politik werde nicht funktionieren, die griechische Regierung habe das Vertrauen komplett zerstört und belüge das griechische Volk. "Solange die Griechen nicht ihre aktuelle Situation anerkennen, wird es keine Lösung geben, die das Land in eine bessere Position bringt," so Schäuble.
Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com
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March 17, 2015 12:02 ET (16:02 GMT)
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