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06.03.2013 15:59:30
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UPDATE: Stahlhändler Klöckner setzt alle Hoffnungen in die USA
-- KlöCo schreibt im vierten Quartal Nettoverlust von 120 Millionen Euro
-- Stahlhändler sieht sich bei Restrukturierung über Plan und will 2013 schwarze Zahlen schreiben
-- Unternehmen will in den USA weiter wachsen
-- Großaktionär Interfer Holding lässt Absichten offen
(NEU: Aussagen aus der Bilanz-Pressekonferenz, Details zum US-Geschäft, Aktienkurs, Analystenkommentare)
Von Hendrik Varnholt
Klöckner & Co legt alle Hoffnung auf die USA: Dort will der Stahlhändler wachsen. Von Europa dagegen erwarten die Duisburger nicht mehr viel: In rund zwei Jahren will KlöCo die Hälfte seines Stahls in Nordamerika verkaufen - in diesem Jahr sind es bereits rund 40 Prozent. Das zeigt, in welchem Dilemma die deutsche und europäische Energiepolitik steckt: In den USA sinken dank der Erdgas-Fördermethode Fracking die Energiepreise, während in Europa CO2-Zertifikate die Produktion vieler Unternehmen weiter verteuern dürften. KlöCo-Chef Gisbert Rühl plant mit einem Industrieboom in Nordamerika.
Der Klöckner-Vorstand ist nicht allein mit der Prognose. Experten rechnen damit, dass die Amerikaner weiter mit Erfolg nach dem sogenannten Schiefergas bohren. Dessen Reserven sind erst seit wenigen Jahren dank Verbesserungen beim sogenannten Fracking erreichbar. Dabei wird eine Flüssigkeit mit hohem Druck in das Speichergestein gepresst. Risse und Klüfte weiten sich dadurch, so dass in Poren gespeichertes Erdgas oder Erdöl den Weg ins Freie finden kann.
Und die Schierfergasreserven scheinen riesig zu sein, US-Präsident Barack Obama sprach im vergangenen Jahr von Vorräten für 100 Jahre. Zwar gehen die Schätzungen auseinander, doch zeigt sich schon jetzt: Fracking bringt den Energiemarkt durcheinander. In den USA ist Gas so billig wie lange nicht mehr. Auch der Strompreis steht unter dem Druck des Schiefergas-Booms, denn in US-Gaskraftwerken lässt sich auch billig Elektrizität herstellen.
In Europa dagegen sollen die Preise für CO2-Verschmutzungsrechte nach dem Willen der EU bald wieder steigen. Hinzu kommt die wirtschaftliche Schwäche vor allem im Süden. Rühl bilanziert: In Europa dürfte die Stahlnachfrage weiter schrumpfen. Minus ein bis zwei Prozent seien in diesem Jahr möglich. "Es bleibt ein harter Kampf", sagt er.
KlöCo will den eigenen Absatz und den Umsatz trotzdem konstant halten und setzt auf das USA-Geschäft. Dort hinzukommende Volumina dürften die Rückgänge in Europa ausgleichen, schätzt Rühl. Schon im vergangenen Jahr hatte der Stahlhändler seinen US-Absatz um 30,8 Prozent gesteigert. KlöCo übernahm dort das Unternehmen Macsteel Service Centers. In Europa dagegen ging der Absatz um 6,5 Prozent zurück - auch weil Klöckner sich etwa aus osteuropäischen Ländern zurückzog. Unter dem Strich setzte der Konzern 7,1 Millionen Tonnen ab, 6,1 Prozent mehr als im Vorjahr. Der Umsatz im Gesamtjahr stieg von 7,1 auf 7,39 Milliarden Euro.
Noch steckt KlöCo in der Anpassung an die industrielle Großwetterlage. Der Konzern will die Zahl seiner Mitarbeiter um rund 1.800 reduzieren und von den einst 290 Niederlassungen etwa 60 schließen. Damit sinkt die Kapazität in Europa weiter. Das Programm ist bislang zu zwei Dritteln umgesetzt. Sobald die Ziele erreicht sind, will KlöCo wieder akquirieren - und zwar vor allem in den USA. Europa dagegen liege nicht im Fokus für Unternehmenszukäufe.
Bei der Restrukturierung sieht sich KlöCo über Plan. Der Umbau soll in diesem Jahr das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) um rund 60 Millionen Euro verbessern. KlöCo erwartet deshalb für 2013 insgesamt ein operatives Ergebnis von rund 200 Millionen Euro - und unter dem Strich die Rückkehr in die schwarzen Zahlen.
Am Aktienmarkt sorgte das am Mittwoch zusammen mit Übernahmespekulationen für Begeisterung. Der Kurs stieg in der Spitze um fast 5 Prozent. Der Fokus auf die USA sei wegen der anhaltenden Nachfrageschwäche in Europa sinnvoll, sagt etwa Björn Voss vom Analysehaus Warburg Research. Auch die Zukunftsaussichten kommen insgesamt offenbar gut an. Analysten der BHF-Bank sprechen von einem Ausblick leicht über den Markterwartungen. Eine Rolle spielen aber auch Übernahmefantasien - ausgelöst dadurch, dass KlöCo seit Mitte Februar über die Interfer Holding zu knapp 8 Prozent im Eigentum des Dortmunder Baustoff-Milliardärs Albrecht Knauf ist. Knauf betreibt mit der Knauf Interfer SE auch einen eigenen Stahlhändler. KlöCo-Chef Rühl berichtete nun von einem Gespräch mit dem neuen Großaktionär. Die Unterhaltung habe "in guter Atmosphäre" stattgefunden. Auf die entscheidende Frage gab die Interfer Holding laut Rühl aber keine Antwort: Sie ließ demnach offen, ob sie an einer Verbindung der Stahlunternehmen interessiert ist.
Was die Restrukturierung in Richtung US-Geschäft ausmacht, zeigt der Vergleich: Zum Schluss des vergangenen Jahres war KlöCo noch weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Das Unternehmen verlor zwischen Oktober und Dezember unter dem Strich 120 Millionen Euro - und auch ohne Restrukturierungskosten wären die Zahlen rot gewesen. Analysten hatten im Durchschnitt nur mit einem Minus von 67 Millionen Euro im Schlussquartal gerechnet und schon dies hätte eine erhebliche Ausweitung des Vorjahresverlustes bedeutet. Auch vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen (EBITDA) verlor der Konzern mit 35 Millionen Euro deutlich mehr als erwartet. Im Vorjahresquartal hatte das EBITDA noch bei 14 Millionen Euro über null gelegen.
Auch wenn die Entwicklung bei Klöckner nicht allein den Unterschieden zwischen Europa und Amerika geschuldet ist: Fälle wie die des Stahlhändlers dürften den Druck auf die Politik in Europa und besonders in Deutschland erhöhen. Die Industrie kehre zurück in die USA, sagt Klöckner-Chef Rühl. Nach Ansicht von Experten hätte Deutschland dem durchaus etwas entgegenzusetzen. Etwa in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen sollen große Gasreserven im Boden liegen - erreichbar per Fracking. Doch bislang ist das Verfahren in Deutschland verpönt. Zu groß ist die Angst, die bei dem Verfahren eingesetzten Chemikalien könnten etwa das Trinkwasser vergiften.
Dennoch fordert zum Beispiel der Vorstandschef des Energiekonzerns RWE, Peter Terium, Fracking in Deutschland zu testen. In dem Land schließlich gebe es ausreichend Ingenieurwissen, um das Verfahren sicher zu machen.
Kontakt zum Autor: hendrik.varnholt@dowjones.com
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March 06, 2013 09:29 ET (14:29 GMT)
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