02.09.2013 16:08:30

UPDATE: Schäuble konstatiert 2014 zusätzlichen Finanzbedarf in Griechenland

   -- Schäuble räumt "gewisses Problem" bei Programmumsetzung ein

   -- Barthle: Wir reden über vier bis viereinhalb Milliarden Euro

   -- Neues Griechenland-Programm soll ab Mitte 2014 geprüft werden

   (NEU: weitere Aussagen, Hintergrund)

   Von Andreas Kißler

   BERLIN--Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat vor den Abgeordneten des Bundestags-Haushaltsausschusses einen zusätzlichen griechischen Finanzbedarf von mindestens 4 Milliarden Euro für nächstes Jahr eingeräumt - aber einen weiteren Schuldenschnitt kategorisch ausgeschlossen. Das berichteten Sitzungsteilnehmer nach der Veranstaltung.

   "Aus heutiger Sicht reden wir über vier bis viereinhalb Milliarden Euro", sagte der Unions-Budgetsprecher Norbert Barthle (CDU). Schäuble selbst räumte vor Journalisten nach der Sitzung ein, dass Athen mehr Geld benötigt, wollte sich aber nicht auf eine Zahl festlegen. "Bis Ende 2014 haben wir in der Programmumsetzung ein gewisses Problem", konstatierte der Finanzminister.

   So seien nicht so viele Privatisierungserlöse gekommen wie geplant, und über die vereinbarte Rückführung von Notenbankgewinnen aus den Griechenland-Hilfen an das Land werde noch diskutiert. "Daraus kann sich ein etwaiger Bedarf in 2014 ergeben", sagte Schäuble, fügte aber an: "Über Zahlen kann ich keine verlässlichen Angaben machen." Die Entwicklung könnte auch besser verlaufen, deutete der Finanzminister an. Immerhin habe Griechenland im dritten Quartal laut Berichten nun "erhebliche Fortschritte" bei der Privatisierung gemacht.

   Auch weitere Mitglieder des Ausschusses bestätigten aber die Größenordnung von mindestens 4 Milliarden Euro für 2014. Die Grünen-Haushaltsexpertin Priska Hinz sprach von 4 bis 6 Milliarden. Einen Schuldenschnitt für Griechenland schloss der Finanzminister aber laut Barthle explizit aus.

   Die internationalen Geldgeber haben Griechenland seit 2010 zwei Hilfspakete im Volumen von rund 250 Milliarden Euro zugesagt. Im Gegenzug muss Athen umfangreiche Reformauflagen erfüllen. Der Internationale Währungsfonds als einer der Geldgeber hatte kürzlich mit der Einschätzung überrascht, dass Athen im nächsten Jahr 4,4 Milliarden Euro zusätzlich benötigen werde, um über die Runden zu kommen. Ein Jahr später sind es sogar sogar 6,5 Milliarden. Die Experten aus Washington forderten deshalb, den Griechen Schulden in Höhe von 4 Prozent der Wirtschaftsleistung abzunehmen.

   Schäuble hat bereits die Größenordnung von 11 Milliarden Euro Zusatzbedarf für beide Jahre als "nicht unrealistisch" bezeichnet, sich bisher aber noch nicht zu den einzelnen Jahren geäußert. Über die Zeit nach dem jetzigen Hilfspaket solle erst ab Mitte 2014 entschieden werden, sagte er auch am Montag.

   Der Finanzminister hatte vor zwei Wochen bei einer Wahlkampfveranstaltung gesagt, es werde "in Griechenland noch einmal ein Programm geben müssen". Später hatte Schäuble diese Ankündigungen verteidigt und erklärt, das Hilfspaket werde aber deutlich kleiner ausfallen als die bisherigen. Seitdem bestimmt das Thema Griechenland aber zu großen Teilen den ansonsten an Höhepunkten armen Wahlkampf. Schäuble verweist stets darauf, die Eurogruppe werde dem Land nach dem Auslaufen der Mittel weitere Hilfen gewähren, wenn es bestimmte Bedingungen erfülle.

   Auch am Montag wiederholte er dies. "Wir haben damals schon gesagt, es könnte sein, dass sich für die Zeit nach Programmlaufzeit noch ein gewisser begrenzter Restfinanzierungsbedarf ergeben sollte", sagte er. Dies solle aber erst ab Mitte 2014 geprüft werden. Nach der Ausschusssitzung lehnte er zudem kategorisch eine nachträgliche direkte Bankenrekapitalisierung durch den Bankenrettungsfonds ESM ab. "Die Chancen einer rückwirkenden direkten Bankenkapitalisierung sehe ich eigentlich nicht als gegeben an", sagte Schäuble.

   Die Opposition kritisierte die Haltung Schäubles zu neuen Griechenland-Hilfen aber hart. "Der Finanzminister hat heute im Haushaltsausschuss die Gelegenheit verpasst, seine Ankündigung für ein drittes Griechenlandprogramm zu begründen", sagte SPD-Budgetexperte Carsten Schneider. Könne sich Griechenland nach dem Ende des Programms nicht am Kapitalmarkt finanzieren, werde das eine Antwort der Eurozone nötig machen. "Dies wird nicht erst Mitte 2014 sein, wie die Bundeskanzlerin behauptet, sondern unmittelbar nach der Wahl im Oktober", prophezeite Schneider nach der Sitzung im Bundestag.

   Die Veranstaltung ist Teil einer zweitägigen Kurz-Sitzungswoche. Die Abgeordneten des Bundestags sind noch einmal für dieses Intermezzo aus dem Wahlkampf nach Berlin gekommen, um im Plenum in zwei Sondersitzungen über wichtige Themen dieses Sommers zu debattieren. Deshalb kam es auch zu der Sitzung des Haushaltsausschusses, bei der Schäuble mit den Abgeordneten über das Thema Griechenland diskutierte.

   Zusätzliche Brisanz erhielt die Debatte, weil die Grünen in dem Ausschuss einen von ihnen überraschend Ende vergangener Woche lancierten Vorschlag für einen schrittweisen Schuldenschnitt zur Diskussion stellten. Sie habe ihren Vorschlag bei der Ausschusssitzung vorgelegt, sagte Grünen-Budgetexpertin Priska Hinz dem Wall Street Journal Deutschland. "Aber sie sind nicht darauf eingestiegen."

   Hinz kritisierte dies. "Finanzminister Wolfgang Schäuble entzog sich heute im Haushaltsausschuss jeder Debatte, wie eine Schuldentragfähigkeit Griechenlands mittelfristig erreicht werden soll", sagte sie und bekräftigte ihren Vorschlag: "Mit einem konditionierten Schuldenschnitt würde man erreichen, dass Griechenland viel früher an den Kapitalmarkt zurückkehren könnte."

   Dem Land sollen nach den Vorstellungen der Grünen in mehreren Schritten Schulden erlassen werden, wenn Athen im Gegenzug Reformen unternimmt. "Die sinnvollste Lösung Griechenland zu helfen, wäre ein konditionierter Schuldenschnitt öffentlicher Gläubiger", heißt es in dem Konzept ihrer Haushaltssprecherin. Mit diesem grenzen sich die Grünen deutlich von ihrem potenziellen Koalitionspartner SPD ab. Denn nicht nur die Regierung lehnt bisher einen weiteren Schuldenerlass für Griechenland ab, sondern auch SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück.

   Die IWF-Experten sind in ihrem Bericht allerdings zu anderen Schlussfolgerungen gekommen, wenn sie empfehlen, den Griechen Schulden in Höhe von 4 Prozent der Wirtschaftsleistung abzunehmen. Und selbst bei den Christdemokraten gibt es zu dem Thema unterschiedliche Haltungen. So will ausgerechnet der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger einen Schuldenschnitt für Griechenland "nicht für alle Zeiten ausschließen".

   Bei den Beratungen der Abgeordneten im Plenum sind nun noch weitere Auseinandersetzungen zu erwarten. Später am Montag beschäftigen sie sich noch mit den Berichten der Untersuchungsausschüsse zur Terrorzelle NSU und zur Aufklärungsdrohne Euro Hawk. Während es zu dem erst genannten Thema breiten Konsens aller Parteien gibt, dürfte spätestens in der Debatte zur Drohnenaffäre wieder der Wahlkampfmodus herrschen.

   Voll durchschlagen dürfte der dann bei der Debatte am Dienstag, die unter dem Motto "Zur Situation in Deutschland" steht. Sie wird eine Generalabrechnung der Opposition mit der schwarz-gelben Haushalts- und Finanzpolitik ermöglichen.

   Kontakt zum Autor: andreas.kissler@dowjones.com

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