05.02.2015 16:36:31
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UPDATE: Schäuble bleibt hart gegenüber Athener Forderungen
-- Schäuble besteht nach Treffen mit Varoufakis auf Verlässlichkeit
-- Berlin pocht auf Einhaltung der Vereinbarungen
-- Athen will Überbrückungshilfe bis Ende Mai
(NEU: weitere Aussagen, Reaktionen)
Von Andreas Kißler
BERLIN--Deutschland hat der neuen griechischen Regierung seine ablehnende Haltung zu einer Neuverhandlung der mit dem Land getroffenen Vereinbarungen klar gemacht. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zeigte sich nach einem Treffen mit seinem Athener Amtskollegen Yanis Varoufakis konziliant im Ton, machte aber in der Sache keine Zugeständnisse.
Schäuble pochte auf Verlässlichkeit bei der Einhaltung getroffener Vereinbarungen, auch wenn er bei einer Pressekonferenz von einem "breiten gemeinsamen Grundverständnis" sprach. Einen Schuldenschnitt lehnte er erneut ab. Varoufakis sagte zu, Deutschland könne von Griechenland ein "Höchstmaß an Vernunft" erwarten, und forderte Überbrückungshilfen.
Berlin besteht auf Einhaltung der Vereinbarungen
Habe man die besondere Konstruktion der Währungsunion im Blick, "dann ist entscheidend, dass Vereinbarungen, die wir treffen, auch eingehalten werden", sagte Schäuble. "Verlässlichkeit ist die Voraussetzung für Vertrauen," betonte er. "Ich muss ein wenig darauf achten, dass Absprachen, die wir getroffen haben, auch eingehalten werden."
Griechenland befinde sich noch in einem laufenden Programm. "Wenn dieses Programm geändert werden soll, braucht es dazu eine Vereinbarung", betonte er. "Wir waren uns, wenn ich das richtig verstanden habe, einig, dass das Thema Schuldenschnitt nicht von aktueller Bedeutung ist", sagte er zudem.
Schäuble zeigt offen seine Skepsis
Über die nun weiter zu treffenden Maßnahmen stimme man aber nicht überein, und er habe seine "Skepsis nicht verhehlen können, dass manche der angekündigten Maßnahmen nach unserer Überzeugung nicht unbedingt in die richtige Richtung gehen", sagte Schäuble. "We agree to disagree", fasste er den Diskussionsstand zusammen - "wir stimmen überein, dass wir uns uneinig sind".
Griechenland habe "den schwierigsten Weg" zu gehen, die Gründe dafür lägen aber in dem Land selbst "und nicht in Europa und schon gar nicht in Deutschland". Ausdrücklich beharrte Schäuble darauf, Griechenland müsse weiter mit der Troika der Geldgeber verhandeln. Dies nannte er "unstreitig". Athen lehnt die Troika aber kategorisch ab.
Griechenland fordert Überbrückung bis Ende Mai
Varoufakis erklärte, das derzeitige Hilfsprogramm laufe bis zum 28. Februar. Athen wolle aber ein Überbrückungsprogramm bis Ende Mai, "damit wir ein bisschen Luft haben". In kurzer Zeit solle es dann eine Vereinbarung mit EU und IWF geben.
Deutschland habe in der griechischen Regierung "einen potentiellen Partner, wenn es darum geht, Lösungen für Europa zu finden", betonte er. "Sie können von meiner Regierung ein Höchstmaß an Vernunft erwarten." Griechenland befinde sich aber in einer grausamen Deflations- und Schuldenspirale, tue aber alles, um einen Zahlungsausfall zu verhindern.
Das bisher vereinbarte Reformprogramm funktioniere nicht, meinte der griechische Finanzminister. "Wir fechten die Logik des Programms an", sagte er und sprach von einer Umschuldung. Der größte Kredit aller Zeiten sei an einen bankrotten Staat gegeben worden. Das Programm enthalte zu 60 bis 70 Prozent richtige Maßnahmen, in ihm fehlten aber noch "signifikante Reformen". Unter anderem erneuerte Varoufakis die Absicht der Regierung in Athen, die Korruption einzudämmen.
Opposition und Ökonomen sparen nicht mit Kritik
Die deutsche Opposition übte allerdings ebenso Kritik wie prominente Wirtschaftswissenschaftler - allerdings mit unterschiedlichen Zielrichtungen.
"Die Bundesregierung muss endlich von ihrer ideologischen, verbohrten Europapolitik abrücken und sich auf konstruktive Verhandlungen und Lösungen in Europa einlassen", forderte der Grünen-Haushaltssprecher Sven-Christian Kindler. Angesichts hoher Arbeitslosigkeit, immer weiter steigender Schuldenquoten, wirtschaftlicher Instabilität und Deflationsgefahren sei klar, dass die Austeritätspolitik in Europa gescheitert sei. "Wir brauchen eine sozial-ökologische Investitionsoffensive", verlangte Kindler.
Die beiden prominenten EZB-Kritiker Bernd Lucke und Hans-Werner Sinn sahen in den jüngsten Turbulenzen um Griechenland den Beweis für das Scheitern der Währungshüter. "Endlich hat selbst die Europäische Zentralbank begriffen, dass Griechenland keinen endlosen Zugang zu frischem Geld bekommen darf", sagte AfD-Sprecher Lucke zu Dow Jones Newswires. Mit jedem weiteren Kredit an Athen wachse die Gefahr für Deutschland, "noch mehr Geld zu verlieren als ohnehin schon", warnte der Präsident des Münchner ifo-Institutes.
EZB setzt Athen unter Druck
Griechenland ist unter weiteren Druck geraten, weil die EZB überraschend Sonderregelungen für den Einsatz griechischer Staatsanleihen als Sicherheiten aufhob und damit den Zugang zu frischem Geld erschwerte. Die Finanzierung der griechischen Banken scheint trotzdem gesichert, denn der EZB-Rat hat der griechischen Notenbank nach Informationen der Zeitung Die Welt erlaubt, Liquiditätshilfen bis zu rund 60 Milliarden Euro zu vergeben.
Der griechische Finanzminister hatte vor seinem Besuch in Berlin Gespräche in mehreren anderen EU-Hauptstädten geführt. Erst am Mittwoch hatte er sich mit EZB-Präsident Mario Draghi getroffen.
Kein Treffen mit Merkel
Im Vorfeld hatte die Bundesregierung sich von dem Treffen mit Varoufakis Aufschluss über die konkreten Planungen in Athen versprochen. Es ist der erste Besuch eines Mitglieds der neuen griechischen Regierung in Berlin. "Wir freuen uns auf die ersten Begegnungen, warten auf die konkreten Vorschläge, und dann können wir weiter sprechen", hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel am Mittwoch gesagt.
Deutschland beharrt auf die Einhaltung der griechischen Verpflichtungen, vor allem auf Strukturreformen. Ein bilaterales Treffen Merkels mit dem neuen Athener Regierungschef Alexis Tsipras ist vorerst nicht geplant.
Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com
(Mitarbeit: Christian Grimm)
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February 05, 2015 10:05 ET (15:05 GMT)
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