17.06.2015 20:16:45
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UPDATE/Griechenkrise könnte auf Gipfel-Endspiel hinauslaufen
-- Schäuble dämpft Hoffnungen auf baldigen Durchbruch
-- Altmaier: Auch Athen muss hart für Lösung arbeiten
-- Tsipras will sich keine Einschnitte aufzwingen lassen
-- Merkels Regierungserklärung mit Spannung erwartet
(durchgehend neu)
Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones)--Die Verhandlungen über die Zukunft Griechenlands könnten auf eine harte Runde bei einem Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs hinauslaufen. Das legen die jüngsten Äußerungen aus Berlin, Athen und von der EU nahe.
In Berlin jedenfalls wird eine Einigung bereits beim Treffen der Euro-Finanzminister am Donnerstag in Luxemburg für immer unwahrscheinlicher gehalten. Inzwischen wird in der deutschen Hauptstadt offen von einem "Endspiel" um die griechische Euro-Zugehörigkeit gesprochen. Mit Spannung wird nun erwartet, ob sich Bundeskanzlerin Angela Merkel in einer Regierungserklärung hierzu festlegen wird, die sie noch vor der Abreise ihres Finanzministers Wolfgang Schäuble (beide CDU) nach Luxemburg halten wird.
Schäuble selbst rechnet offenbar bei der Eurogruppe am Donnerstag nicht mit einem Durchbruch in der Krise. Grund dafür sind laut seinem Ministerium fehlende Vorschläge der griechischen Regierung. "Sie sollten nicht davon ausgehen, dass der Minister morgen schon über Papiere entscheiden kann", erklärte Schäubles Sprecher Martin Jäger. Bisher gebe es keine Einigung zwischen Athen und der Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds (IWF).
Schäuble dämpft Hoffnungen auf Durchbruch am Donnerstag
Ob es am Wochenende im Falle einer ergebnislosen Eurogruppe zu einem Notgipfel der Staats- und Regierungschefs kommt, ist offiziell weiter unklar. "Über die nächsten Schritte kann man erst beraten im Lichte des Ausgangs dieses Euro-Finanzministertreffens", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert.
Doch Schäuble hat auch in der Sitzung des Bundestags-Finanzausschusses, in der er die Abgeordneten über den Stand der Verhandlungen unterrichtete, nur wenig Hoffnung auf eine baldige Lösung der Griechenland-Krise entfacht. Der Minister habe sich im Finanzausschuss "nicht positiv geäußert, dass er die Hoffnung hat", dass es in der Eurogruppe zu einer Einigung komme, sagte CSU-Finanzexperte Hans Michelbach danach. Es gebe "keine Vorbereitungen, um zu einer Beschlusslage zu kommen," erklärte auch er zur Begründung.
Schäuble selbst wollte sich zwar weder vor noch nach seinem rund zweistündigen Auftritt in dem Ausschuss gegenüber Journalisten äußern und seine Erwartungshaltung für das Treffen darlegen.
Doch Kanzleramtschef Peter Altmaier, der am Nachmittag seinerseits den Haushaltsausschuss über die Sachlage informierte, schien dort die Erwartung zu stützen, dass alles auf einen großen Gipfel hinauslaufen könnte. "Es wird morgen eine Sitzung der Eurogruppe geben, danach werden wir den Stand der Verhandlungen bewerten und über das weitere Vorgehen entscheiden", erklärte er und legte sich damit ausdrücklich nicht auf den Donnerstag als Tag der möglichen Einigung fest.
Verhandlungen haben "Endspielcharakter"
Über einen eventuellen Sondergipfel werde nach der Sitzung der Eurogruppe am Donnerstag entschieden, konstatierte auch der Unions-Haushaltsexperte Eckhardt Rehberg (CDU). "Ob es nach der morgigen Eurogruppen-Sitzung einen Sondergipfel gibt, das wird man morgen Abend oder Freitag früh erst sehen", sagte er. In diesem Sinne habe sich auch Peter Altmaier geäußert.
Finanzminister Schäuble erweckte laut Michelbach in der nicht öffentlichen Anhörung den Eindruck, "dass wir in einem Endspielcharakter sind". Sein Argument: Bis zum 30. Juni muss eine Einigung erreicht werden, weil es für die Zeit danach kein gültiges Verhandlungsmandat des Bundestages mehr gibt. Der Grünen-Finanzexperte Gerhard Schick sagte, für ihn sei deshalb eine Befassung des Parlaments am 29. oder 30. Juni "das plausibelste Szenario".
In der kommenden Woche steht ein regulärer EU-Gipfel an, auch wenn der Spielraum für eine Lösung der Misere dann sehr eng würde. Merkels seit langem angesetzte Regierungserklärung am Donnerstag bezieht sich auf dieses Treffen.
Die Zeit für Griechenland wird immer knapper, Ende Juni läuft das bereits zwei Mal verlängerte Hilfsprogramm aus. Dann muss das Land auch insgesamt 1,6 Milliarden Euro an den Internationalen Währungsfonds (IWF) zurückzahlen, die das Euro-Sorgenkind wohl nicht aufbringen kann. Die Griechen bräuchten daher dringend die verbliebenen 7,2 Milliarden Euro aus dem zweiten Hilfsprogramm.
Altmaier erhöht den Druck auf Athen
Die Kreditgeber stellen aber Forderungen, die Athen für die Auszahlung der letzten Tranche aus dem zweiten Hilfspaket erfüllen muss, ohne die das Land wohl spätestens im Juli zahlungsunfähig wäre.
Altmaier nutzte ebenso wie mehrere Vertreter der Regierungskoalition die Gelegenheit am Mittwoch, um den Druck auf Athen noch einmal zu erhöhen, nun endlich einen Kompromiss in den Verhandlungen einzugehen. "Die Bundesregierung möchte eine Lösung", sagte der Kanzleramtsminister. "Aber das setzt voraus, dass auch die griechische Regierung ihrerseits hart für eine solche Lösung arbeitet." Rehberg ergänzte, eine Lösung "setzt voraus, dass sich die griechische Regierung ihrer Verantwortung stellt".
Auch aus der SPD kamen deutliche Worte Richtung Athen. Ihrem Budgetexperten Johannes Kahrs zufolge herrschte Einigkeit, "dass wir gemeinsam einen Partner brauchen in Griechenland, wenn der Versuch, Griechenland im Euro zu halten, erfolgreich bleiben soll." Man sehe aber "diesen Partner im Augenblick nicht".
Harte Worte gen Athen
Fraktionsgeschäftsführerin Christine Lambrecht sagte zwar, "alles Interesse" müsse darauf ausgerichtet sein, Griechenland in der Eurozone zu halten. "Dazu muss aber auch die griechische Regierung ihren Beitrag leisten." Es müsse zu einer "vertretbaren Lösung" für Athen, aber auch für dessen Geldgeber kommen.
Der SPD-Finanzexperte Joachim Poß warf der Regierung von Ministerpräsident Alexis Tsipras ein "großes Maß an Irrationalität" vor, während Kahrs Athens Finanzminister Yanis Varoufakis als "politischen Irrläufer" titulierte. "Jetzt kann man nur hoffen, dass man das auf Regierungschefebene klärt."
Freilich deutet aus den jüngsten Äußerungen der griechischen Regierung und der europäischen Spitzenpolitiker nichts auf einen sich abzeichnenden baldigen Kompromiss hin. Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem forderte Athen dazu auf, den Gläubigern eine neue Reformliste vorzulegen. Andernfalls seien die Chancen für eine Einigung beim Treffen der Euro-Finanzminister am Donnerstag sehr gering.
Im niederländischen Parlament in Den Haag sagte Dijsselbloem, er hoffe immer noch, dass Griechenland in der Eurozone bleibt. Aber jegliches Abkommen müsse glaubwürdig sowohl für Griechenland als auch für die Gläubiger sein. "Wenn das nicht der Fall ist, dann ist es keine Übereinkunft und es wird uns um die Ohren fliegen."
Tsipras will sich Einschnitte nicht aufzwingen lassen
Doch Tsipras machte nach einem Treffen mit Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann in Athen klar, dass er sich keine harten Entscheidungen von außen aufzwingen lassen will. "Falls es ein ehrenhaftes Abkommen gibt, werden meine Mitarbeiter und ich die Kosten seiner Durchführung auf uns nehmen", erklärte er. "Im gegenteiligen Fall werden wir es sein, die ein großes Nein zu einer katastrophalen Politik für Griechenland sagen."
Am Dienstag hatte Tsipras die Gläubiger heftig dafür attackiert, wie sie mit der griechischen Schuldenkrise umgehen. Zugleich legte er nahe, dass ein Treffen der europäischen Staats- und Regierungschefs eine Lösung in der verfahrenen Situation bringen könnte. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker warf der Regierung in Athen allerdings vor, die Wähler über die Verhandlungen falsch zu informieren.
Der IWF hatte zuletzt wiederholt auf weitere Reformen beim griechischen Rentensystem und der Mehrwertsteuer gedrungen. Tsipras sagte dazu, die "Fixierung" auf Kürzungen und Sparmaßnahmen sei offenbar "Teil eines politischen Plans", ein gesamtes Volk zu demütigen.
Am Sonntag waren die Verhandlungen zwischen Griechenland und den Geldgebern nach kurzer Zeit ohne Einigung zu Ende gegangen. Beim Treffen der Eurogruppe in Luxemburg sollen die Gespräche weitergehen.
Mitarbeit: Christian Grimm, Archie van Riemsdijk und Stelios Bouras
Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com
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June 17, 2015 13:45 ET (17:45 GMT)
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