16.11.2014 14:14:47

Stromtrassen im Südwesten - nun hat Wendlingen den Schwarzen Peter

STUTTGART (dpa-AFX) - In Bayern reicht der Widerstand gegen Stromtrassen bis in die Staatskanzlei, im Südwesten sorgt die Energiewende auf kommunaler Ebene für Zündstoff. So formiert sich in Wendlingen und Umgebung Widerstand gegen den geplanten Endpunkt einer Stromtrasse des Projektes "SuedLink" in der dicht besiedelten Region nahe Stuttgart. Die Bürgermeister in einem Radius von zehn Kilometern um die 16 000-Einwohner-Gemeinde wollen sich in Kürze mit dem Landrat treffen, um eine Strategie gegen die ungeliebte Planung des Netzbetreibers Transnet BW zu entwickeln. "Wir fühlen uns schlecht informiert und sind verärgert, weil man uns nicht sagt, wie das genau funktionieren soll", sagt Wendlingens Bürgermeister Steffen Weigel.

Viele der Bürgermeister in den möglicherweise betroffenen Gemeinden, darunter Esslingen, Kirchheim, Nürtingen, Wernau, Deizisau, Plochingen, seien von der neuen Festlegung noch gar nicht informiert. Weigel: "Momentan fühlen wir uns vor den Kopf gestoßen." Denn bis vor kurzem hatte noch die Gemeinde Hüttlingen (Ostalbkreis) den Schwarzen Peter in Form des Trassen-Endpunktes Goldshöfe. Jetzt soll der Endpunkt der im Kreis Segeberg (Schleswig-Holstein) startenden Stromautobahn näher an die Großverbraucher im mittleren Neckarraum heranrücken. Das Milliarden-Vorhaben "SuedLink" der Netzbetreiber Transnet BW und Tennet soll Strom aus Windkraft aus dem Norden in den Süden Deutschlands bringen.

Das Problem für Wendlingen ist nicht so sehr das bereits bestehende Umspannwerk, obwohl Weigel auch dort neue Zuleitungen befürchtet, als der Konverter. Diese Anlage wandelt Gleich- in Drehstrom um und benötigt eine Fläche von 100 000 Quadratmetern, das wären deutlich mehr als zehn Fußballfelder. Arbeitsplätze sind mit der Anlage nicht verbunden.

Die Wendlinger seien schon genug belastet mit ihrer Nähe zum Landesflughafen, zur Autobahn 8, zwei Zugstrecken, mehreren vielbefahrenen Straßen sowie künftig der Neubautrasse Stuttgart-Ulm, klagt Weigel. "Man kann den Leuten hier nicht mehr zumuten." Außerdem seien Auswirkungen des Projektes auf Mensch und Umwelt völlig unklar. Dass er nach dem Sankt-Florians-Prinzip handele, weist der Sozialdemokrat zurück: "Die Energiewende, die ich befürworte, ist schließlich eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe: Sie darf sich nicht nur an betriebswirtschaftlichen und netzlogischen Gesichtspunkten orientieren - ohne Rücksicht auf vorhandene Belastungen."

Regina König von Transnet BW betont, das Unternehmen werde mit den Betroffenen in Dialog treten, bevor es in die Bundesfachplanung oder das Planfeststellungsverfahren eintrete. Für den Naturschutzbund Deutschland ist "SuedLink" eine "unstrittige und wichtige" Trasse. "Das stromhungrige Baden-Württemberg sollte mit sauberem Strom aus dem Norden gefüttert werden", unterstreicht Landeschef Andre Baumann. Nur so könne die Energiewende realisiert werden.

Unterdessen atmen Politiker und Bürger im Ostalbkreis auf, weil der Kelch an ihnen vorüber gegangen ist: Der Endpunkt der Trasse ist ebenso vom Tisch wie eine von dort ausgehende 380 Kilovolt-Leitung in die Region mittlerer Neckar. Nach den Worten von Landrat Klaus Pavel konnte beides dank der interkommunalen Interessengemeinschaft aus den Kreisen Ostalb, Göppingen und Rems-Murr sowie zehn Bürgerinitiativen (BI) verhindert worden. Der CDU-Mann begründet sein Veto ebenfalls mit Belastungen: "Wir habe auf der Ostalb Biomasse, Windkraft und Photovoltaik ohne Ende, deren Energie auch in die Ballungsräume weitergeleitet wird." Deshalb sei das Verständnis der Bürger für eine neue Hochspannungsleitung zur Stuttgarter Industrieregion gering gewesen.

Josef Kowatsch von der BI Hüttlingen pflichtet Pavel bei: "Nur der Protest hat zum Sinneswandel bei Transnet BW geführt." Er ermutigt die Wendlinger zu kämpfen. Denn eigentlich sei die Trasse gar nicht notwendig und führe zu einem Stromüberschuss im Südwesten. Der Lehrer ist überzeugt: "Die Wendlinger haben gute Karten."/jug/DP/he

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