07.10.2014 17:40:31
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Scheinselbstständigkeit: Rentenversicherung straft Bundestag ab
Von Stefan Lange
BERLIN--Der Bundestag hat offenbar jahrelang gegen eigene Vorschriften verstoßen und sogenannte Besucherführer als Scheinselbstständige beschäftigt. Zu diesem Ergebnis kommt eine Betriebsprüfung der Deutschen Rentenversicherung Bund bei der Bundestagsverwaltung, in die das Wall Street Journal Deutschland Einblick hatte. Ein Sprecher des Bundestages bestätigte am Dienstag in Berlin neue Nachforderungen der Rentenkasse in Höhe von 1,45 Millionen Euro. Insgesamt belaufen sich die Nachtragsforderungen demnach auf knapp 2,5 Millionen Euro. Offen ist, ob Zinsen und Säumniszuschläge dazukommen.
Die Summe kann sich noch vervielfachen, da nur ein Zeitraum von vier Jahren geprüft wurde, die Beschäftigungsverhältnisse an sich jedoch länger bestanden. Denkbar sind außerdem Haftstrafen gegen die Verantwortlichen wegen Sozialversicherungsbetruges. Ein Betroffener hat außerdem Strafanzeige gegen eine Mitarbeiterin der Bundestagsverwaltung erstattet.
Der Fall ist, neben den möglichen rechtlichen und finanziellen Folgen, auch politisch brisant. Denn damit steht der Vorwurf im Raum, dass der Bundestag als Arbeitgeber gegen Gesetze verstieß, die er selbst erlassen hat. Schon seit Jahren versuchen Bundestagsabgeordnete und das Bundesarbeitsministerium, den Missbrauch von scheinselbstständigen Tätigkeiten und Werkverträgen einzudämmen. Vorschriften wurden erlassen, unter anderem wurde das Sozialgesetzbuch geändert. Kanzlerin Angela Merkel hat bereits mehrfach vor der Umgehung tarifvertraglicher Regelungen gewarnt, per Koalitionsvertrag hat sich Schwarz-Rot verpflichtet, weiter gegen Scheinselbstständigkeit zu kämpfen.
Der Fall, der inzwischen vor Gericht gelandet ist, reicht in das Jahr 2009 zurück. Damals beantragte einer der Besucherführer des Bundestages eine sogenannte Statusfeststellung bei der Deutsche Rentenversicherung Bund. Die Rentenversicherung stellte eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung fest und bescheinigte dem Bundestag damit, seine Besucherführer als Scheinselbstständige zu beschäftigen. Der Bundestag wehrt sich bis heute mit juristischen Mitteln gegen diese Feststellung.
Für die Grünen ist die Sache eindeutig, die Partei fordert das Haus von Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) zum Einlenken auf. Es wäre, sagte die parlamentarische Geschäftsführerin der Bundestagsfraktion, Katja Keul, "wirklich schlecht, wenn der Bundestag am Ende verurteilt wird und ein Gericht feststellen muss, dass die vom Bundestag verabschiedeten Gesetze nicht eingehalten werden."
DJG/stl/kgb/jhe (END) Dow Jones NewswiresOctober 07, 2014 11:10 ET (15:10 GMT)
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