16.05.2016 20:48:39

ROUNDUP: Merkel soll Erdogan Stirn bieten und zugleich Flüchtlingspakt retten

BERLIN/ATHEN (dpa-AFX) - Im Streit um den EU-Türkei-Flüchtlingspakt wächst der Druck auf Kanzlerin Angela Merkel (CDU), die dabei zugesagte Visumfreiheit für Türken nicht zum Nulltarif zuzugestehen. Die SPD pocht darauf, dass Merkel von der Türkei die Einhaltung aller Bedingungen des Abkommens verlangt. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) wies Vorwürfe zurück, die Bundesregierung nehme zu viel Rücksicht auf die türkische Regierung. CSU-Chef Horst Seehofer sieht das Abkommen als eine Ursache für das Erstarken der AfD an.

Das Interesse der Türkei an dem Abkommen und der damit verbundenen Visumfreiheit dürfe nicht unterschätzt werden, sagte Steinmeier dem "Tagesspiegel" (Sonntag). "Die Türkei weiß, was zu tun ist." Der Ball liege im türkischen Spielfeld. "Ankara muss uns sagen, wie es gedenkt, die offenen Fragen zu beantworten."

Die SPD erwartet nach den Worten ihres Vize-Chefs Thorsten Schäfer-Gümbel, "dass Angela Merkel die Bedingungen des Deals durchsetzt und nicht vor Erdogan kuscht". Es sei die Verantwortung der Kanzlerin, dass der Türkei-Deal funktioniert, sagte er der "Welt am Sonntag".

Merkel reist am 22. Mai nach Istanbul. Beim ersten UN-Nothilfegipfel will sie einen Tag später eine Rede halten. Ob Merkel Präsident Recep Tayyip Erdogan trifft, stand am Wochenende noch nicht fest.

Der Flüchtlingspakt sieht vor, dass die Türkei nach Griechenland übergesetzte Migranten zurücknimmt. Für jeden zurückgeschickten Syrer darf ein anderer Syrer aus der Türkei legal in die EU einreisen. Teil des Abkommens ist auch die Visumfreiheit für Türken in der EU. Die ist an eine Entschärfung der türkischen Anti-Terror-Gesetze geknüpft. Die EU will, dass diese Gesetze nicht mehr dazu missbraucht werden, missliebige Journalisten oder politische Gegner zu verfolgen.

Ankara lehnt eine Änderung der Gesetze ab. Stattdessen soll über eine vorübergehende Verfassungsänderung der Mehrheit der Abgeordneten der pro-kurdischen HDP die Immunität zu entzogen werden. Dann könnte auch gegen sie wegen Terrorismus ermittelt werden. Erdogan droht, den Flüchtlingspakt platzen zu lassen, wenn die Visumfreiheit nicht kommt.

Seehofer misst dem Flüchtlingspakt keine Bedeutung für den Rückgang des Asylbewerberzustroms bei. "Es kommen weniger Asylbewerber, weil die Balkanroute von Mazedonien und Österreich dicht gemacht wurde", sagte Seehofer der "Welt am Sonntag". Bis zum Abkommen waren aber aber immer noch Flüchtlinge aus der Türkei kommend nach Griechenland gelangt. Der Zustrom versiegte erst, als das Abkommen in Kraft trat.

Beobachter in Griechenland gehen davon aus, dass in der Türkei weiter viele Flüchtlinge nur darauf warten, nach Griechenland überzusetzen. Zurzeit verhindere dies die türkische Polizei, was sich aber jederzeit durch eine Anweisung Erdogans ändern könne.

Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl forderte in der "Frankfurter Rundschau" (Dienstag), das Rücknahmeabkommen für Flüchtlinge auszusetzen. Die Betroffenen erhielten in der Türkei keinen Schutz, sagte Geschäftsführer Günter Burkhardt zur Begründung.

Auf der griechischen Insel Lesbos demonstrierten Flüchtlinge am Montag für das Recht auf Weiterreise zum griechischen Festland. Einige bewarfen die Polizei mit Steinen. Die Beamten setzten Blendgranaten ein. Auf der Insel harren mehr als 4000 Migranten und Flüchtlinge aus. Die meisten haben Asylanträge gestellt, um nicht in die Türkei zurückgeschickt zu werden. Solange ihre Asylanträge bearbeitet werden, dürfen sie die Insel nicht verlassen./bw/ro/DP/he

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