03.02.2025 06:34:38

ROUNDUP: Droht der Bahn unter einem Kanzler Merz die Zerschlagung?

BERLIN (dpa-AFX) - Der Deutschen Bahn droht nach der Bundestagswahl die Zerschlagung. Die Union plant, den bundeseigenen Konzern unter einem möglichen Kanzler Friedrich Merz komplett umzukrempeln und den Betrieb und die Infrastruktur voneinander zu trennen. Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) geht genau dagegen in Berlin auf die Straße. Sie warnt von einem "fundamentalen Angriff auf unsere Arbeitsplätze".

"Da zünden fachfremde Opportunisten Nebelkerzen, um auf Kosten der Beschäftigten die Interessen der neoliberalen Wettbewerbslobby durchzusetzen", sagt EVG-Chef Martin Burkert über die Unionsparteien. Der Demonstrationszug soll vom Kanzleramt vorbei am Hauptbahnhof bis zum Bahntower am Potsdamer Platz führen.

Union will Bahn "vom Kopf auf die Füße stellen"

Die Union hat schon länger klare Vorstellungen davon, wie der Konzern mittelfristig aufgestellt sein sollte - und will einen harten Bruch mit der Ampel-Politik. "Klar ist für uns, dass die Bahn vom Kopf auf die Füße gestellt werden muss, wenn sich Verbesserungen ergeben sollen", teilt der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion für Verkehr, Ulrich Lange (CSU), der dpa mit.

Die Bahn und "ihre unzähligen Beteiligungen und Tochtergesellschaften" sollten aufgelöst werden, Infrastruktur- und Transportbereich sollten voneinander getrennt und das Schienennetz solle analog zur Autobahn in eine bundeseigene, weisungsgebundene GmbH überführt werden. "Der Bund bekommt dadurch einen stärkeren Zugriff auf den Aus-, Neu- und Umbau der Schieneninfrastruktur", argumentierte Lange. Die Vorgaben des Bundes müssten umgesetzt werden.

"Die Tatsache, dass die DB sich mit dem Zugverkehr nur noch auf ihr Kerngeschäft konzentrieren und sich gegenüber anderen Anbietern behaupten muss, wird insgesamt die Performance auf der Schiene verbessern", betont Lange.

Nach Ansicht von Verkehrsminister Volker Wissing (parteilos) würde eine Aufspaltung des Bahn-Konzerns die Probleme des Unternehmens nicht lösen. "Die Forderung nach der Zerschlagung der Bahn ist ein weiteres Beispiel dafür, wie den Menschen derzeit vermeintlich einfache Lösungen für komplexe Probleme versprochen werden, sagte Wissing der Deutschen Presse-Agentur. "Statt auf das Organigramm, sollten sich daher alle darauf konzentrieren, das Sanierungsprogramm weiter konsequent durchzuziehen. Denn der Kern des Problems liegt in der über die letzten Jahrzehnte kaputtgesparten Infrastruktur", sagte Wissing.

Mehr als ein Drittel der Fernzüge unpünktlich

Fakt ist: Es vergeht kein Tag, an dem die Fahrgäste der Deutschen Bahn den schlechten Zustand des Unternehmens nicht selbst erfahren. Die Fernverkehrszüge waren 2024 so unpünktlich wie seit mehr als 20 Jahren nicht. Mehr als jeder dritte ICE oder IC kam zu spät an.

"Wir stehen vor den Scherben von 20 Jahren Eisenbahnpolitik", sagte Bahnexperte Christian Böttger von der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Berlin. "Die Eisenbahn ist in dieser Struktur nicht mehr zukunftsfähig." Irgendwas muss sich also ändern. Nur was? Darüber gehen die Meinungen weit auseinander.

Bereits unter der alten Bundesregierung gab es eine kleine Reform. Die Netzsparte wurde umbenannt und soll sich nun stärker am Gemeinwohl ausrichten. Sie verbleibt aber als DB InfraGo unter dem Dach des Gesamtkonzerns. Mit einer umfassenden Generalsanierung Dutzender vielbefahrener Strecken will die neue Gesellschaft die Pünktlichkeit in den nächsten Jahren allmählich in den Griff bekommen. Vielen Fachleuten geht das nicht weit genug.

EVG: Es braucht dauerhaft mehr Investitionen

Bahnexperte Böttger sagt, grundsätzlich sei er für eine "Organisationsreform" des Unternehmens. "Aber die Eisenbahn wird dadurch nicht automatisch besser. Die Probleme, die sich über Jahre aufgestaut haben, gehen dadurch nicht automatisch weg."

Ähnlich sieht es die EVG. "Was es wirklich braucht, sind dauerhaft mehr Investitionen in die Schienen-Infrastruktur, um den Verschleiß, der sich über Jahrzehnte aufgebaut hat, wieder abzubauen", sagte Gewerkschaftschef Burkert. "Drei Unions-Verkehrsminister sind dafür maßgeblich verantwortlich." Mit einer grundlegenden Umstrukturierung werde das jahrzehntelange Problem der Unterfinanzierung nicht gelöst.

Experte: Bahn tanzt Bund auf der Nase herum

Bahnforscher Böttger sagt allerdings auch: "Die DB ist als großer, monolithischer Klotz politisch so mächtig, dass sie ihrem Eigentümer auf der Nase herumtanzt." Deshalb habe der Eigentümer auch keinen Zugriff auf die Infrastrukturgesellschaften. "Die Bahn wäre möglicherweise besser steuerbar, wenn man getrennte Gesellschaften hätte."

Dennoch sieht Böttger in einer Trennung von Netz und Betrieb kurzfristig nicht zwingend die Lösung. Er warnt, dass jede Organisationsänderung erhebliche Unruhe verursache. "Wenn man sich anguckt, in welchem schlechten Zustand die Bahn heute ist, muss man zumindest die Frage stellen, ob eine komplette Trennung derzeit umsetzbar ist."

Trennung in kleineren Schritten

Stattdessen plädiert er zunächst dafür, mit zwei kleineren Schritten in die Trennung einzusteigen: die Aushebung der Beherrschungsverträge und mehr Transparenz bei den Finanzen. "Derzeit ist es ja so, dass vor allem die DB ihre Leute in den Aufsichtsrat der Infrastruktur schickt, nicht der Staat. Wenn man die Beherrschungsverträge aufheben würde, dann könnte die Politik selbst Aufsichtsräte bestimmen." Zudem käme mehr Transparenz in die Finanzströme.

Kommt also nach der Bundestagswahl die rasche Zerschlagung der Bahn? Böttger ist skeptisch: "Der neue Bundeskanzler wird an seinem ersten Arbeitstag nicht als Erstes sagen: Jetzt muss ich mich mal um die Bahn kümmern."/wim/DP/zb

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