06.11.2024 23:42:40
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ROUNDUP 6/Aus für die Ampel: Scholz bricht mit Lindner
(Aktualisierung: Mit Rückzug aller FDP-Minister)
BERLIN (dpa-AFX) - Die Ampel-Koalition ist am Ende. Nach einem erbitterten Richtungsstreit vor allem über den künftigen Kurs in der Wirtschafts- und Haushaltspolitik kündigte Kanzler Olaf Scholz (SPD) an, Finanzminister Christian Lindner (FDP) aus dem Kabinett zu schmeißen. Die FDP zog daraufhin alle ihre Minister aus dem Dreier-Regierungsbündnis ab - und beendet somit effektiv die Ampel-Koalition.
Die Wählerinnen und Wähler können sich nun voraussichtlich im März auf vorgezogene Neuwahlen einstellen. Der Bruch der Koalition kommt kurz nach dem Sieg des republikanischen Kandidaten Donald Trump bei den US-Präsidentschaftswahlen.
Scholz will Vertrauensfrage stellen
Der Bundestag solle am 15. Januar über eine Vertrauensfrage abstimmen, sagte Scholz in Berlin. Erwartet wird, dass er diese verliert. In diesem Fall kann der Kanzler den Bundespräsidenten bitten, den Bundestag aufzulösen. Scholz sagte, der Bundestag könne den Weg für vorgezogene Neuwahlen freimachen. Diese könnten spätestens Ende März stattfinden.
Abrechnung mit Lindner
Scholz machte Lindner schwere Vorwürfe. Dem FDP-Politiker gehe es um die eigene Klientel und um das kurzfristige Überleben der eigenen Partei. Die Unternehmen im Land bräuchten Unterstützung, sagte er mit Blick auf die schwache Konjunktur und hohe Energiepreise. Er verwies zudem auf die internationale Lage mit den Kriegen in Nahost und der Ukraine. "Wer sich in einer solchen Lage, einer Lösung, einem Kompromissangebot verweigert, der handelt verantwortungslos. Als Bundeskanzler kann ich das nicht dulden."
Scholz warf Lindner vor, in der gemeinsamen Regierungszeit Kompromisse durch öffentlich inszenierten Streit übertönt und Gesetze sachfremd blockiert zu haben. "Zu oft hat er kleinkariert parteipolitisch taktiert. Zu oft hat er mein Vertrauen gebrochen." Es gebe keine Vertrauensbasis für die weitere Zusammenarbeit. "So ist ernsthafte Regierungsarbeit nicht möglich." In einer SPD-Fraktionssitzung gab es lauten Applaus für Scholz.
Lindner schlägt zurück
Der entlassene FDP-Chef griff Scholz an. Der SPD-Politiker habe den Bruch der Ampel-Koalition gezielt herbeigeführt. "Sein genau vorbereitetes Statement vom heutigen Abend belegt, dass es Olaf Scholz längst nicht mehr um eine für alle tragfähige Einigung ging, sondern um einen kalkulierten Bruch dieser Koalition", sagte Lindner. Damit führe Scholz Deutschland in eine Phase der Unsicherheit.
Lindner warf SPD und Grünen vor, seine Vorschläge für eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage nicht einmal als Beratungsgrundlage akzeptiert zu haben. Scholz habe die wirtschaftlichen Sorgen der Bürgerinnen und Bürger lange verharmlost. "Seine Gegenvorschläge sind matt, unambitioniert und leisten keinen Beitrag, um die grundlegende Wachstumsschwäche unseres Landes zu überwinden, damit wir unseren Wohlstand, unsere soziale Sicherung und unsere ökologische Verantwortung erhalten können."
Scholz habe ultimativ von ihm verlangt, die Schuldenbremse des Grundgesetzes auszusetzen, sagte Lindner. "Dem konnte ich nicht zustimmen, weil ich damit meinen Amtseid verletzt hätte. Deshalb hat der Bundeskanzler in der Sitzung des Koalitionsausschusses am heutigen Abend die Zusammenarbeit mit mir und der FDP aufgekündigt." Fraktionschef Christian Dürr kündigte an, alle FDP-Minister wollten ihren Rücktritt geschlossen beim Bundespräsidenten einreichen. Neben Lindner sind das Verkehrsminister Volker Wissing, Justizminister Marco Buschmann und Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger.
Habeck: Ampel-Aus unnötig
Habeck bedauerte den Bruch der Koalition. Man habe sich häufig gestritten. "Dennoch will ich für uns sagen, dass sich das heute Abend falsch und nicht richtig anfühlt, geradezu tragisch an einem Tag wie diesem, wo Deutschland in Europa Geschlossenheit und Handlungsfähigkeit zeigen muss", betonte er.
Obwohl Lösungsmöglichkeiten auf dem Tisch lagen, habe man die Haushaltslücke nicht schließen können. "Die FDP war nicht bereit, diese Wege zu gehen." Lindners Entlassung sei letztlich so folgerichtig wie unnötig gewesen. Bis zu möglichen Neuwahlen im Frühjahr sei die Regierung im Amt und "fest entschlossen, die Pflichten des Amtes vollumfänglich zu erfüllen", sagte Habeck. "Ab morgen geht die Arbeit weiter."
Ringen um Lösungen scheitert
In mehreren Runden hatte Scholz in den vergangenen Tagen mit Lindner und Habeck nach Auswegen aus der Krise gesucht. Lindner hatte in einem Papier vor dem Hintergrund der Konjunkturflaute eine zum Teil völlige Neuausrichtung der Ampel-Politik gefordert. In dem Papier wird etwa als Sofortmaßnahme die endgültige Abschaffung des Solidaritätszuschlags auch für Vielverdiener gefordert, ein sofortiger Stopp aller neuen Regulierungen sowie ein Kurswechsel in der Klimapolitik. Dagegen gab es großen Widerstand bei SPD und Grünen. Weiter ging es darum, wie ein Milliardenloch im Haushalt 2025 gestopft werden kann.
Lindner hat schon vor einiger Zeit den "Herbst der Entscheidungen" für die Koalition ausgerufen, die seit Ende 2021 amtiert. Er meinte damit vor allem den Haushalt für das nächste Jahr, der eigentlich am 29. November im Bundestag verabschiedet werden sollte. Daneben ging es ihm um eine Strategie, wie Deutschland aus der Wirtschaftskrise geführt werden soll.
Scholz will auf Merz zugehen
Scholz will nun Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) anbieten, rasch gemeinsam nach Lösungen zur Stärkung der Wirtschaft und der Verteidigung zu suchen. "Ich werde nun sehr schnell auch das Gespräch mit dem Oppositionsführer, mit Friedrich Merz suchen", sagte der Kanzler. Er wolle Merz anbieten, in zwei oder gerne auch noch mehr Fragen, "die entscheidend sind für unser Land, konstruktiv zusammenzuarbeiten: Bei der schnellen Stärkung unserer Wirtschaft und unserer Verteidigung", sagte der Kanzler.
Die Wirtschaft könne nicht warten, bis Neuwahlen stattgefunden haben, ergänzte Scholz und fügte hinzu: "Und wir brauchen jetzt Klarheit, wie wir unsere Sicherheit und Verteidigung in den kommenden Jahren solide finanzieren, ohne dafür den Zusammenhalt im Land aufs Spiel zu setzen." Auch mit dem Blick auf die Wahlen in Amerika sei das "vielleicht dringender denn je"./tam/DP/he
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