03.11.2024 17:52:39
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ROUNDUP 2: Scholz, Lindner und Habeck beraten über Koalitionskrise
(neu: Mit Treffen diese Woche.)
BERLIN (dpa-AFX) - Die Union hat FDP-Chef Christian Lindner für seine jüngsten Vorschläge zur Wirtschafts- und Sozialpolitik mit Lob geradezu überschüttet. Politiker von CDU und CSU verknüpften das umgehend mit dem erneuten Ruf nach vorgezogenen Neuwahlen. Aus den Reihen seiner Koalitionspartner wird der Bundesfinanzminister dagegen vor allem ermahnt, sich auf seinen Job zu konzentrieren. Spitzenvertreter von SPD und Grünen machten deutlich, dass sie an dem Regierungsbündnis festhalten wollen.
Am Mittwoch steht ein schon länger geplantes Treffen des Koalitionsausschusses an, bei dem neben dem Ergebnis der US-Wahl sicher auch über Bürokratielast, Investitionen und Steuerfragen gesprochen werden dürfte. Vorher wollen Lindner, Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) nach dpa-Informationen mehrmals zu dritt über mögliche Wege aus der Ampel-Krise sprechen. Zuerst hatte der "Spiegel" darüber berichtet.
Ampel im Trennungsjahr?
Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken ließ gleichwohl Zweifel erkennen, ob die Koalition bis zum regulären Wahltermin am 28. September 2025 halten wird. "Niemand will im Augenblick eine Prognose wagen, wann genau die nächste Bundestagswahl stattfindet. In der Koalition, das ist nicht von der Hand zu weisen, brennt gerade die Hütte", sagte sie bei einer SPD-Veranstaltung in Hamburg.
Lindners Forderungen lehnte sie klar ab: "Durch die Bank sind diese Punkte, die er dort aufgezählt hat, in der Koalition nicht zu verwirklichen." Co-SPD-Chef Lars Klingbeil bekräftigte, wenn es darum gehe, "die Reichen werden jetzt reicher" und die arbeitende Mitte solle weniger Lohn haben, länger arbeiten und später weniger Rente bekommen, werde die SPD "an keiner Stelle mitmachen".
Der Bewerber für den Grünen-Vorsitz, Felix Banaszak, verglich die Ampel-Koalition mit einer Ehe im Trennungsjahr. Im ZDF sagte er: "Die Liebe kommt nicht wieder, aber man hat noch Verantwortung für die Kinder. Und ich finde, dieser Verantwortung sollte man erst mal gerecht werden."
Klingbeil erinnerte die Koalition an ihre Verantwortung. "Ich merke, dass gerade in diesen Tagen das politische Berlin supernervös ist und viel spekuliert wird, wie es weitergeht", sagte er der "Augsburger Allgemeinen". "Aber genau das ist es, was die Menschen in diesem Land nervt. Mich übrigens auch", fügte er hinzu. Viele Menschen hätten angesichts der Wirtschaftslage Sorgen oder sähen sogar ihren Arbeitsplatz gefährdet.
"Und da wollen sie eine Regierung sehen, die sich nicht jeden Tag um sich selbst dreht, sondern die alles dafür tut, um diese Arbeitsplätze zu retten", betonte Klingbeil. "Ich bin da mehr bei meinem FDP-Kollegen Volker Wissing: Regieren ist nicht einfach, aber wir tragen eine Verantwortung, dass es gelingt."
Bundesverkehrsminister Wissing hatte sich am Freitag in einem Gastbeitrag für die "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" für den Verbleib seiner Partei in der Koalition ausgesprochen. Kurz darauf wurde Lindners Wirtschaftspapier bekannt.
Darin fordert der FDP-Chef eine "Wirtschaftswende" mit einer "teilweise grundlegenden Revision politischer Leitentscheidungen". Konkret ist von einem sofortigen Moratorium zum Stopp aller neuen Regulierungen die Rede. Weiter heißt es, als Sofortmaßnahme sollte der Solidaritätszuschlag für alle entfallen, und nationale Klimaziele müssten durch europäische ersetzt werden.
Das Papier enthalte Vorschläge, die zum Teil wörtlich aus Anträgen übernommen seien, die die Unionsfraktion in den vergangenen zwei Jahren in den Bundestag eingebracht hätte, schreibt CDU-Chef und Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz in seinem E-Mail-Newsletter "MerzMail". "Über Einzelheiten mag man diskutieren, aber die Vorschläge gehen in die richtige Richtung. Sie sind insgesamt auf die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit unserer Volkswirtschaft ausgerichtet und damit im Kern und zutreffend angebotsorientierte Wirtschaftspolitik."
Union lobt "mutiges Papier" von Lindner
"Der Finanzminister hat ein mutiges Papier vorgelegt, das die desaströse Lage unserer Wirtschaft schonungslos analysiert und grundsätzlich die richtigen angebotspolitischen Antworten gibt", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei (CDU), der Deutschen Presse-Agentur.
Allerdings seien Lindners Vorschläge "das glatte Gegenteil von dem, was die Ampel seit drei Jahren macht" und nicht in Einklang zu bringen mit den "schuldenfinanzierten Staatsfonds-Ideen" von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), so Frei. Vielmehr sei Lindners nun bekanntgewordenes Papier eine "Kampfansage an die Grünen".
Woher soll der Aufschwung kommen?
In ihrer Herbstprojektion rechnet die Bundesregierung für dieses Jahr mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung um 0,2 Prozent. Die großen Wirtschaftsforschungsinstitute erwarten ein Minus von 0,1 Prozent. Die jüngste Steuerschätzung hatte für den Bund zwar ein Mini-Plus von 0,7 Milliarden Euro vorhergesagt. Dieses Geld ist laut Lindner allerdings bereits im Haushalt verplant.
Üblicherweise wird der Haushalt für das kommende Jahr in der sogenannten Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses des Bundestages final festgezurrt. Geplant ist diese Sitzung für den 14. November.
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sagte im ZDF: "De facto ist der Ampel-Ausstieg vorbereitet von der FDP. Und dann sollte man es auch machen. Dieses Land kann sich nicht einen Tag so eine Unsicherheit leisten. Deshalb braucht es Neuwahlen."
CSU-Chef Markus Söder sagte "Bild": "Es ist vorbei: Das Totenglöckchen der Ampel läutet." Sollte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nicht selbst die Kraft haben, seine Koalition zu beenden, müsse Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier einschreiten.
FDP muss um Wiedereinzug in den Bundestag bangen
Sollte die Ampel-Koalition tatsächlich auseinanderbrechen, wäre eine neuerliche Regierungsbeteiligung der FDP nach jetzigem Stand fraglich. Nach jüngsten Umfragen müsste die FDP aktuell um ihren Wiedereinzug in den Bundestag bangen. Aber selbst wenn sie es wieder schaffen sollte, hätte eine schwarz-gelbe Koalition, wie es sie zuletzt von 2009 bis 2013 unter der damaligen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) gab, Stand jetzt keine Mehrheit. Die Union liegt in Umfragen zurzeit bei etwa 32 Prozent./abc/DP/men
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