22.04.2013 18:13:31
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Regierung sitzt mit Trennbankenplan zwischen den Stühlen
Von Andreas Kißler
BERLIN--Die Pläne der Bundesregierung für ein Trennbankensystem sind bei einer Expertenanhörung im Bundestag auf Kritik von verschiedenen Seiten gestoßen. Während Banken und Industrie die vorgesehenen Regelungen erwartungsgemäß schon aus Prinzip ablehnten, bemängelten auch viele andere Sachverständige Unzulänglichkeiten bei wichtigen Einzelheiten. Manchen gingen die Pläne zu weit - und anderen nicht weit genug.
Weil der Teufel auch hier im Detail zu liegen scheint, ließen die Experten bei der Anhörung im Bundestagsfinanzausschuss zwischen den Zeilen regelrechte Fundamentalkritik erkennen. Dabei begrüßten viele die Pläne allgemein. Manch einer mochte aber insgeheim darauf hoffen, dass das Gesetz gar nicht kommt.
"Viele Formulierungen fingen an mit 'Wir begrüßen', und dann kam Schreckliches", fasste der Bremer Wirtschaftsprofessor Rudolf Hickel, ein Dauergast bei solchen Anhörungen, die Diskussion erschöpft und frustriert zusammen.
Klar war die Position der Kreditwirtschaft, die vehement ihr Interesse an einer Verringerung von Risiken betonte. "Die Einführung von Trennbankensystemen leistet jedoch keinen Beitrag zur Risikominderung," heißt es in der Stellungnahme der Banken und Sparkassen allerdings kategorisch. "Ein gesetzgeberischer Handlungsbedarf für eine Abtrennung von Handelsgeschäften besteht nicht."
Und der Vertreter der Kreditwirtschaft, Karl-Peter Schackmann-Fallis vom Deutschen Sparkassen- und Giroverband, legte bei der Anhörung nach. "Die Deutsche Kreditwirtschaft sieht keine Evidenz dafür, dass die Abtrennung zu einer Erhöhung der Finanzmarktstabilität führt", sagte das geschäftsführende DSGV-Vorstandsmitglied. Vielmehr könne sogar das Gegenteil eintreten. In jedem Fall bestehe "erheblicher Nachbesserungsbedarf" bei den Schwellenwerten. Man sollte abwarten, wie in der EU die Analyse der zu erwartenden Auswirkungen einer Umsetzung der Vorschläge der dortigen Expertengruppe um den finnischen Notenbankpräsidenten Erkki Liikanen ausfalle.
Nach dem Willen der Bundesregierung sollen in Deutschland schon 2014 Regeln für Trennbanken in Kraft treten und damit vor einer EU-weiten Umsetzung der Empfehlungen Liikanens. Allerdings ist nicht sicher, dass das Gesetz noch in dieser Legislaturperiode tatsächlich beschlossen werden kann. SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück hat den Regierungsentwurf bereits als "nicht ausreichend" kritisiert, und die Opposition könnte das Gesetzesvorhaben mit ihrer Mehrheit im Bundesrat und Vermittlungsausschuss bis nach der Bundestagswahl verzögern.
Der Gesetzentwurf von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sieht vor, dass Banken zur Abspaltung riskanter Handelsgeschäfte vom Einlagen- und Kreditgeschäft gezwungen werden können. Die Finanzaufsicht soll eine Abtrennung des riskanten Geschäftes anordnen können, wenn die Risikopositionen 100 Milliarden Euro oder 20 Prozent der Bilanzsumme des Kreditinstituts übersteigen.
Der Bundesverband der Deutschen Industrie bestand in diesem Zusammenhang aber darauf, einen "internationalen Gleichlauf der Regulierung" zu gewährleisten. "Es besteht keine Veranlassung, übereilt im nationalen Alleingang ohnehin geplanten EU-Entwicklungen vorzugreifen", meinte der BDI. Sein Finanzexperte Reinhard Kudiß gab sich in der Anhörung denn auch nur scheinbar konziliant. "Wir begrüßen die Zielsetzung des Entwurfs", sagte er, um allerdings sogleich hinterherzuschicken: "Aber ob die Instrumente geeignet sind, diese Zielsetzung zu erreichen - da haben wir große Zweifel."
Kritik in die entgegengesetzte Richtung kam von dem britischen Ökonomen John Vickers. "Ich denke, dies ist ein sehr, sehr bescheidener Schritt", sagte der Vorsitzende der Independent Commission on Banking, die in Großbritannien eine Reform des Bankensektors ausgearbeitet hat. Er hoffe, dass Deutschland in der europäischen Diskussion die Vorschläge Liikanens unterstützen werde, die weiter gehend seien. In seiner schriftlichen Stellungnahme stellte Vickers sogar infrage, ob der deutsche Gesetzentwurf "ein angemessener struktureller Politikansatz" sei. Unter anderem sprach er sich für wesentlich niedrigere Schwellenwerte aus.
Hickel forderte sogar, noch weiter zu gehen und auch die Marktpflege komplett auszugliedern. "Das Marketmaking ist eine zentrale Stelle, um Spekulationsgewinne zu machen." Zudem müsse auch das Risiko thematisiert werden, dass Banken hochriskante Produkte erfänden und sie dem Kunden verkauften. Der Vertreter von "Finance Watch" forderte, die Bestimmungen zur Abtrennung sollten für alle Banken gelten. "Auch kleine Banken können die Steuerzahler eine Menge Geld kosten." Zudem würden auf deutscher Ebene definierte Ausnahmen ein Vorbild für ebensolche auf EU-Ebene sein.
Die Bundesbank stellte sich grundsätzlich hinter diese Pläne, übte jedoch ebenfalls Kritik im Detail. Der Separierungsvorschlag bringe "eigene Schwierigkeiten" mit sich. "So müssen die abzutrennenden Geschäfte einschließlich der Ausnahmeregelungen eindeutig definiert werden, um eine Umgehung zu verhindern", erklärte die Notenbank in ihrer schriftlichen Stellungnahme. Fehle eine klare Abtrennung, würden schädliche Anreize gesetzt, und sei eine Umgehung zu befürchten. Die Bundesbank empfahl deshalb "die Einführung einer Bagatellgrenze bezogen auf die zu separierenden Geschäfte".
Nach Angaben des Bundesfinanzministers fallen zehn bis zwölf Banken in Deutschland laut den bisher bekannten Zahlen unter die geplanten Regelungen für die Trennbanken. Erfüllt ein Institut die Kriterien, soll die Bankenaufsicht im Einzelfall prüfen, ob eine Abtrennung der Risiken nötig ist.
Schäubles Gesetzentwurf sieht zudem für die deutschen Großbanken eine Pflicht zu Sanierungs- und Abwicklungsplänen und für Pflichtverstöße im Risikomanagement im Extremfall die Verhängung von Haftstrafen von bis zu fünf Jahren vor. Voraussetzung ist, dass das Kreditinstitut in seinem Bestand oder bei Versicherungen die Erfüllbarkeit der Versicherungsverträge gefährdet ist.
Auch dagegen wurden bei der Anhörung Proteste laut. Die Bundesbank äußerte Bedenken gegen diese mit dem Gesetz geplante Einführung eines neuen Straftatbestandes. "Die Anhebung der Sanktionierung auf die Strafrechtsebene erscheint zunächst unverhältnismäßig," meinte die Notenbank.
Und mit dieser Kritik sah sich die Bundesbank bei der Anhörung nicht allein. Der BDI äußerte "starke rechtspolitische Bedenken", und der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft befürchtete, die neue Strafvorschrift führe zu einer "nicht akzeptablen Kriminalisierung wirtschaftlichen Misserfolgs". Die Versicherer hielten die geplanten Maßnahmen "für unverhältnismäßig und zu diesem Zeitpunkt für nicht erforderlich".
Kontakt zum Autor: andreas.kissler@dowjones.com
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April 22, 2013 11:41 ET (15:41 GMT)
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