22.07.2020 20:26:38
|
OTS: Börsen-Zeitung / Viel mehr ist nicht drin, Kommentar zur ...
Viel mehr ist nicht drin, Kommentar zur Finanzmarktregulierung von Jan
Schrader
Frankfurt (ots) - 932 Tage sind vergangen, seitdem die Finanzbranche das
EU-Regelwerk Mifid II im Alltag anwenden muss. Die anfängliche Aufregung hat
sich gelegt, Themen wie die nachhaltige Kapitalanlage, die Altersvorsorge und
jüngst die Coronakrise stehen stattdessen auf der Agenda. Der sogenannte Quick
Fix, mit dem die EU-Kommission einige Auswüchse des Regelwerks beseitigen will,
kommt also reichlich spät, aber immerhin: Bliebe Brüssel bei den Plänen, dürften
professionelle Anleger bei Wertpapieraufträgen auf eine Reihe an Informationen
verzichten, Dokumente könnten elektronisch statt in Papierform ihren Weg zum
Anleger finden, einfache Unternehmensanleihen kämen auch ohne umfassende
Produktvorgaben aus.
Die deutsche Finanzbranche, die viele der Punkte bereits 2018 unter Stöhnen und
Seufzen eingefordert hatte, kann das Entgegenkommen als Achtungssieg verbuchen.
Aber der Erfolg hat Grenzen, denn in der Substanz ändert sich für die Branche
wenig: Die Wertpapierberatung bleibt umfassend reguliert. Einige Streitpunkte
sind auch nach zweieinhalb Jahren ungeklärt: Das Basisinformationsblatt, das
durch die Priips-Verordnung nahezu zeitgleich zur Mifid II eingeführt wurde,
muss noch überarbeitet werden, doch über die Berechnung der
Performance-Szenarien wird weiter gestritten. Die Telefonaufzeichnung bei
Wertpapieraufträgen, eine besonders unbeliebte Vorschrift in Deutschland, wird
vom Quick Fix ebenso nicht berührt.
Der Spielraum für Erleichterungen ist begrenzt. Mifid II ist die politische
Antwort auf einen Interessenkonflikt in der Wertpapierberatung: Banken und
andere Finanzvermittler verdienen nicht an der Beratung selbst, sondern am
Verkauf der Finanzprodukte - zugleich sollen sie verlässlicher Lotse in der
Geldanlage sein. Eine radikale Lösung des Interessenkonflikts, nämlich ein
Verbot von Vertriebsprovisionen, haben Europas Politiker gescheut: Es wäre
tatsächlich ein weitreichender Eingriff gewesen, der nationale Gepflogenheiten
übergeht. Stattdessen adressiert der Gesetzgeber das Kompetenzgefälle in der
Finanzberatung mit umfassenden Vorgaben. Manches davon ist überzogen, doch die
Regulierung brachte auch mehr Transparenz. Viele Anleger begrüßen laut Umfragen
die vorgeschriebenen Informationen, allen Mängeln und Inkonsistenzen zum Trotz.
Die Regulierung der Wertpapierberatung lässt sich als Preis für den Erhalt des
provisionsbasierten Vertriebs deuten. Einige unliebsame Punkte lassen sich
lindern - viel mehr ist für die Branche aber nicht drin.
Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion
Telefon: 069--2732-0
www.boersen-zeitung.de
Weiteres Material: http://presseportal.de/pm/30377/4659608
OTS: Börsen-Zeitung

Wenn Sie mehr über das Thema Aktien erfahren wollen, finden Sie in unserem Ratgeber viele interessante Artikel dazu!
Jetzt informieren!