16.11.2021 20:44:38
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OTS: Börsen-Zeitung / Tauziehen der Großmächte, Kommentar zu Nord Stream 2 ...
Tauziehen der Großmächte, Kommentar zu Nord Stream 2 von Christoph
Ruhkamp
Frankfurt (ots) - Gas ist ohnehin schon so teuer, dass es den Unternehmen und
Verbrauchern schadet. Jetzt schiebt die Bundesnetzagentur die Zertifizierung der
russischen Ostseepipeline Nord Stream 2 auf - und treibt den Gaspreis damit noch
weiter nach oben. Dahinter steckt nicht unmittelbar politischer Druck, aber
indirekt dann wieder doch.
Eigentümer der Pipeline ist die Nord Stream 2 AG, eine hundertprozentige Tochter
des russischen Staatskonzerns Gazprom mit Sitz in Zug in der Schweiz. Finanziert
wird das 10 Mrd. Euro teure Projekt zur Hälfte von den fünf westlichen
Energiekonzernen Uniper, Wintershall, Engie, OMV und Shell. Eine separate
Tochter für den Betrieb des deutschen Teilstücks von 55 Kilometern der insgesamt
1 234 Kilometer langen Pipeline muss gegründet werden, um die Vorschriften der
Europäischen Union zu erfüllen, wonach Gasproduzenten rechtlich von den
Unternehmen getrennt sein müssen, die den Brennstoff transportieren.
Um die Entflechtungsregeln der EU zu erfüllen, hätte Nord Stream 2 das deutsche
Pipeline-Teilstück auch verkaufen oder ein anderes Unternehmen mit dem Betrieb
beauftragen können. Das wäre schwierig geworden, weil viele Unternehmen
fürchten, so in den Geltungsbereich der US-Sanktionen gegen die Pipeline zu
kommen. Deshalb - und auch auf Verlangen der Netzagentur - wählte Nord Stream 2
im Sommer 2020 den Antrag auf Entflechtung per Gründung einer separaten Tochter,
die mildeste Variante der Entflechtung. Dafür muss nun noch die vorgeschriebene
deutsche Rechtsform für ebendiese Tochter nachgeliefert werden.
Inzwischen ist der politische Druck aus Brüssel sowie aus dem
Bundestagswahlkampf und durch die US-Sanktionen offenbar so hoch geworden, dass
die Netzagentur die in der Vergangenheit übliche Parallelität von Entflechtung
und Inbetriebnahme in diesem Fall nicht zulassen will. Weil alle so genau
hinschauen, wird nicht mehr nur auf den Geist, sondern auch auf jeden Buchstaben
der Regeln gepocht. Erst muss alles stimmen. Es sollen keine Angriffsflächen für
späteres Nachkarten entstehen.
Insofern ist die sachlich korrekte Entscheidung der Behörde auch politisch
geprägt. Es geht um die ganz große (Industrie-)Politik. Darum, ob Europa noch
mehr russisches Gas bezieht oder US-Flüssiggas und darum, zu wessen "Hinterhof"
die Ukraine zählt. Für den Gasmarkt und die Wirtschaft ist das vorübergehend
verheerend. Teures Gas macht auch den Strom teurer. Das trägt zur ohnehin schon
galoppierenden Inflation bei - und könnte so verfrühte Zinserhöhungen erzwingen.
(Börsen-Zeitung, 17.11.2021)
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