23.11.2022 20:32:38

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Stille Teilverstaatlichung, Kommentar zur Credit Suisse von Daniel

Zulauf

Zürich (ots) - Die größte Aktionärin der Credit Suisse ist mit einem Anteil von

9,9 Prozent neuerdings die Saudi National Bank. Sie gehört mehrheitlich dem

saudischen Königshaus beziehungsweise den staatlichen Institutionen des

Scheichtums. An dieser Tatsache kann man sich aus guten Gründen stören. Die von

Saudi-Arabien hochgehaltenen gesellschaftlichen Werte und die davon abgeleiteten

politischen Handlungen des Landes haben nämlich wenig mit dem demokratischen

Wertesystem der Schweiz oder generell mit dem Wertesystem der westlichen Welt

gemein.

Doch diese Moralkritik ist zweifelhaft, sofern sie sich allein auf die Credit

Suisse bezieht. Die Petrodollars der Saudis stecken schließlich in zahlreichen

renommierten Firmen fast aller westlichen Industrieländer: im amerikanischen

Lieferdienst Uber, in der französischen Hotelkette Accor, im britischen

Fußballclub Newcastle und im ja­panischen Technologiekonzern Softbank.

Saudi-Arabien betreibt einen der größten staatlichen Investitionsfonds der Welt,

und überall in den alten Industrieländern sagen sich die Kapitalisten ganz

offensichtlich: Geld stinkt nicht. Doch auch sie hätten allen Grund, die

Saudi-Investments und aktuell gerade jenes bei der Credit Suisse kritisch zu

bewerten. Im Grunde ist die Credit Suisse jetzt nämlich eine teilverstaatlichte

Bank. Rund 15 Prozent der Aktien gehören den Scheichs von Saudi-Arabien und

Katar.

Der Erfolg einer freien Marktwirtschaft beruht bekanntlich nicht auf einem

zentralen Plan, sondern auf der eigennützigen Initiative und Risikobereitschaft

vieler einzelner Akteure. Die Erfahrung lehrt uns seit mehr als einem

Jahrhundert, dass dieses scheinbar chaotische System die besten Ergebnisse für

den allgemeinen Wohlstand hervorbringt.

Es sollte uns zu denken geben, dass die Staatsfonds dieser Welt zu den größten

Investoren in vielen westlichen Volkswirtschaften aufgestiegen sind. Im

vergan­genen Jahr haben Staatsfonds 60 Prozent mehr Transaktionen ab­geschlossen

als im Durchschnitt der vorausgegangenen fünf Jahre. Das Investitionsvolumen ist

auf 72 Mrd. Dollar angestiegen, und es geht offenbar immer mehr in die Breite.

In­zwischen verantworten Technologie- und Konsum­güterfirmen rund ein Drittel

der Inves­titionen von Staatsfonds­, wie im Jahresbericht des International

Fo­rum of Sovereign Wealth Funds nachzulesen ist.

Diese Entwicklung verheißt nichts Gutes für den Zustand der Marktwirtschaften

nach dem demokratischen, westlichen Zu­schnitt. Und leider verheißt das

Saudi-Engagement für die Credit Suisse langfristig nichts Gutes.

So hatte sich das der legendäre Zürcher Politiker und Unternehmer Alfred Escher

gewiss nicht vorgestellt, als er vor 166 Jahren die Gründung der Credit Suisse

in die Hand genommen hatte. Das zunächst mit halber deutscher Beteiligung

erschaffene Kreditinstitut war das Finanzierungsvehikel für den Bau des

Schweizer Eisenbahnnetzes und eine Art Denkmal für jene liberalen Kreise, die im

Jahr 1848 die moderne Schweiz begründeten. Hätte sich dieser Tage statt

Saudi-Arabien der Schweizer Staat mit 9,9 Prozent an der Credit Suisse

beteiligt, wäre es zu einem nationalen Aufschrei im linken wie im rechten

politischen Lager gekommen - und zwar zu Recht.

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