31.01.2023 19:20:38
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Puzzleteil, Kommentar zur EU-Industriepolitik von Stefan Reccius
Frankfurt (ots) - Die EU-Kommission hat ihr groß angekündigtes Industriepaket
noch gar nicht offiziell vorgestellt, schon arbeiten sich Wirtschaftsvertreter
und Beobachter an publik gewordenen Einzelheiten ab. Es sei nicht damit getan,
US-Subventionen "irgendwie zu spiegeln", mahnt Thilo Brodtmann, der Chef des
Maschinenbauverbands VDMA. Anderen kommt der Ausbau der Kapitalmarktunion zu
kurz, weil sie befürchten, dass Wirtschaft und Politik finanziell am Ende auf
dem Trockenen sitzen. Die ambitionierten Multimilliardenpläne für Europas
Industrie wären dann Makulatur.
EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen hat einiges an Überzeugungsarbeit vor
sich, wenn sie an diesem Mittwoch den "Green Deal Industrial Plan" lanciert. Der
kommt im Wesentlichen als Antwort auf das US-Subventionspaket namens Inflation
Reduction Act daher. Nach dem zu urteilen, was bislang bekannt ist, widersteht
die EU-Kommission immerhin der Versuchung, dem "Buy American" ein plumpes "Buy
European" entgegenzusetzen. Ansonsten gibt es unverkennbare Parallelen zum
US-Pendant, wenn es beispielsweise um gezielte Steueranreize und andere
Förderinstrumente geht.
Der Industrieplan fügt sich ein in eine Art Masterplan. In dessen Zentrum steht
der klimafreundliche Umbau der europäischen Wirtschaft, ohne an internationaler
Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren. Dafür setzt die EU-Kommission Puzzleteil für
Puzzleteil das Bild einer Industriepolitik der neuen Generation zusammen.
Darin fügt sich der weit fortgeschrittene EU Chips Act ein, um die Versorgung
mit Halbleitern auf dem Kontinent zu sichern. Ein ebenso wichtiges Puzzleteil
ist der Raw Materials Act, mit dem die EU-Kommission in den letzten Zügen ist.
In beiden Fällen - Chips wie Rohstoffe - geht es darum, Europa aus
Abhängigkeiten zu befreien. Auch das entschlossenere Vorgehen gegen
subventionierte Konkurrenten von außerhalb der EU fügt sich in das Bild einer
aktiveren Industriepolitik.
Die Renaissance staatlicher Beihilfen fordert auch die Finanzpolitik heraus. Die
Debatte über die Reform der Schuldenregeln in der EU läuft erst an. Die
EU-Kommission ist auf eine investitionsfreundliche Ausgestaltung aus, wie
Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni auf seiner Werbetour in Berlin
unterstrichen hat. Soll heißen: Brüssel will bei Defizitberechnung und
Schuldenabbau hier und da ein Auge zudrücken, wenn es dem Wachstum im
Allgemeinen und klimafreundlichen Projekten im Speziellen dient. Spätestens beim
EU-Gipfel im März kommt das auf die Tagesordnung.
Noch etwas ist Wirtschaftsvertretern von Maschinenbau bis Autoindustrie aus
gutem Grund wichtig: Technologieoffenheit. Die EU-Kommission erweckt bisweilen
den Eindruck, als kenne sie Gewinner und Verlierer der Klimawende, die ja im
Wesentlichen eine Technologiewende ist, schon. So nimmt die Förderung von
Wasserstoffprojekten eine herausgehobene Rolle ein. Auch Hersteller von
Batterien, Solaranlagen und Windturbinen sind explizit angesprochen. Dafür mag
es aus jetziger Sicht gute Gründe geben, doch eine allzu dirigistische
Industriepolitik erweckt nun mal Argwohn. EU-Kommissionschefin Ursula von der
Leyen hat Gelegenheit, solche und andere Vorbehalte auszuräumen. Die sollte sie
nutzen.
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