23.03.2022 19:43:38

OTS: Börsen-Zeitung / Lex Gazprom, Kommentar zur Gaskrise von Stefan Reccius

Lex Gazprom, Kommentar zur Gaskrise von Stefan Reccius

Frankfurt (ots) - Falls es noch eines Beweises bedurft haben sollte, dass

Deutschland und die EU sich dringend unabhängig von Energieimporten aus Russland

machen müssen - Wladimir Putin hat ihn erbracht: Russlands Präsident hat

angekündigt, statt Euro und Dollar nur noch Rubel für russisches Gas zu

akzeptieren. Die genauen Modalitäten von Putins Retourkutsche für westliche

Sanktionen sind unklar, die Folgen ebenso. Klar ist nur: Was an den Gasmärkten

neue Panikschübe ausgelöst hat, wird den EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag

dominieren.

Die EU-Kommission hat jedenfalls eine Menge Input für die Beratungen der Staats-

und Regierungschefs geliefert. Sie legt eine Reihe von Optionen auf den Tisch,

um zügig etwas gegen den Energiepreisschock zu tun. Damit kommt sie hektischen

Forderungen aus der Industrie nach.

Mit einer Taskforce will Brüssel die Gasbeschaffung bündeln. Auf diese Weise

könnten die EU-Staaten ihre Marktmacht ausspielen, statt sich als Wettbewerber -

wie bislang - selbst zu kannibalisieren. Zwar ginge ein gemeinsamer Gaseinkauf

zulasten ihrer Eigenständigkeit und liefe auf mehr Zentralismus hinaus, ein

klassischer Reibungspunkt in der EU. Doch ist dies unter marktwirtschaftlichen

Gesichtspunkten allemal besser, als vorübergehend Preise zu deckeln, womit nicht

nur die italienische Regierung sympathisiert. Die hohen Preise signalisieren

reale Knappheiten, die nicht durch Preisgrenzen verschwinden. Die EU-Kommission

betont denn auch im Beipackzettel die Risiken und Nebenwirkungen eines solchen

Markteingriffs.

Mehrheitsfähig dürften wohl vor allem direkte Hilfen für Privathaushalte und

Unternehmen sein - zumal die EU-Kommission dafür eigens ihre Subventionsregeln

gelockert hat. Konkret und vergleichsweise weit fortgeschritten sind in Sachen

Energiesicherheit Pläne für Gas-Mindestreserven. Jeder der 160 Gasspeicher in

der EU soll vor dem kommenden Winter zu 80 % gefüllt sein, ab 2023 sogar zu 90

%. Kommen Betreiber dem nicht nach, droht Brüssel ihnen Eigentum und Kontrolle

zu entziehen.

Diese Drohung zielt auf den russischen Konzern Gazprom, der über eine deutsche

Tochter acht Speicheranlagen in der EU betreibt. Gazprom hat - ungeachtet aller

Beteuerungen, seine Lieferverträge zu erfüllen, - seine Speicher im Sommer

bewusst halbherzig gefüllt. Energielieferungen notfalls als Waffe einzusetzen

hat Moskau offenkundig von langer Hand geplant. Eine Lex Gazprom, die zum

Abbruch der Geschäftsbeziehungen führen kann, darf kein Tabu sein - zumal

Gazprom auf Putins Geheiß ihre Lieferverträge nun auf Rubel umstellen soll.

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