18.08.2021 19:36:38
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Korrektur überfällig, Kommentar zum Zinsurteil von Angela Wefers
Frankfurt (ots) - Es ist ein Trauerspiel. Wieder einmal musste das
Bundesverfassungsgericht eingreifen, weil Regierungen und Gesetzgeber in Bund
und Ländern untätig blieben. Der Zins für Steuernachzahlungen und -erstattungen
ist eindeutig zu hoch. In einer Zeit, in der sich der Bund zu Negativzinsen
verschuldet und Banken Strafzinsen auf Einlagen zahlen, verlangt der Staat einen
viel zu hohen Zins von 6 %.
Schon bei Grundsteuer und Erbschaftsteuer mussten Steuerpflichtige erst die
Gerichte anrufen, bevor Karlsruhe den Gesetzgeber zwang, offenkundige Missstände
abzustellen. Die umstrittene Kernbrennstoffsteuer kassierten die höchsten
Richter 2017 und ordneten die Rückzahlung der Einnahmen aus sechs Jahren an. Der
Finanzamtszins wurde dort zum Bumerang für den Staat, denn auch die Erstattung
wurde hoch verzinst.
Per saldo war vor der Coronazeit mit Steuerstundungen der hohe Finanzamtszins
ein gutes Geschäft für den Staat. Im Jahr brachte er unter dem Strich rund 1
Mrd. Euro ein. Für Unternehmen ist der realitätsferne Zins hingegen ein großes
Ärgernis. Auslegungsfragen in viel zu späten Betriebsprüfungen durch die
Finanzämter führen zu Nachzahlungen, bei denen der Zins die Steuerschuld oft
übersteigt. Ein Staat, der nicht zeitnah prüft, darf nicht das Vertrauen in ihn
auch noch mit überzogenen Strafzinsen erschüttern.
Eine Neuregelung ist auch deshalb überfällig, weil die marktferne Verzinsung zu
Fehlanreizen bei der Unternehmensbilanzierung geführt hat. Die Firmen können
über Bildung und Auflösung von Rückstellungen im Konzert mit den verspäteten
Betriebsprüfungen vom Staat hochverzinste Erstattungen erwirken. Auch dem gehört
ein Ende gesetzt.
Der Vorschlag der Union im Bundestag und unter anderem aus Hessen, den
Steuersatz zu halbieren, greift zu kurz. Nötig ist mindestens auch ein
verpflichtender Mechanismus, um den Zinssatz regelmäßig zu überprüfen und
anzupassen. Noch besser wäre ein Automatismus über einen variablen Satz, der an
eine Referenzgröße geknüpft wird. Die Erfahrung zeigt, dass der Gesetzgeber
nicht aktiv wird, wenn er nicht muss.
Die Gelegenheit ist günstig, auch andere gesetzliche Zinsen marktgerecht
anzupassen. Bei den Pensionsrückstellungen, die in einer Niedrigzinsphase
Unternehmen mit erheblichen Zuführungen belasten, laviert sich der Gesetzgeber
bislang mit kleinen Korrekturen durch. Nötig wäre es, der Realität ins Auge zu
blicken. Die lang anhaltende Politik niedriger Zinsen ist nicht mit Retuschen zu
reparieren.
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