26.05.2020 20:26:41
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Eine Frage der Bewertung, Kommentar zu Siemens von Michael Flämig
Frankfurt (ots) - Pandemie hin, Wirtschaftskrise her: Siemens zieht die
Zerlegung des Konzerns durch. Das Management bucht den Aktionären im September
Anteilscheine des neuen Unternehmens Siemens Energy ins Depot. Diese Transaktion
ist mit den früheren Abspaltungen des Lichtgeschäfts und der Medizintechnik
nicht zu vergleichen, weil die Energieaktivitäten mit einem Jahresumsatz von 29
Mrd. Euro ungleich gewichtiger sind. Auch Privataktionäre werden sich überlegen
müssen, ob sie ihr Investment umschichten. Lockt die Industrieautomatisierung
oder doch das Energiegeschäft?
Die neue Energy-Aktie hat mit Gegenwind technischer und operativer Art zu
kämpfen. Erstens: Der Verkaufsdruck an der Börse wird anfangs groß sein.
Indexfonds und kohlekritische Investoren ziehen unweigerlich ihr Geld ab.
Siemens hat zwar vorgesorgt, indem der Konzern anfangs nur 55 Prozent der
Anteilscheine abgibt und außerdem die Banken stabilisierend wirken. Aber zu
allem Überfluss lastet auch die Aussicht auf dem Kurs, dass Siemens weitere
Aktien in den Markt geben will.
Langfristig wichtiger ist der zweite Faktor: Die operative Performance muss
besser werden. Im ersten Halbjahr 2019/20 steht ein Verlust zu Buche. Die
konventionelle Energieerzeugung ist auf dem Rückzug, die Windbranche nicht
profitabel. Andererseits: Wenn die laufenden Sparprogramme sich in den Jahren
2021/22 auszahlen, wird der Aktienkurs anziehen.
Die Aktie der Siemens AG dagegen, die das künftige Kerngeschäft repräsentiert,
kann auf Aufwind hoffen - wobei die Coronakrise auf die Stimmung drückt. Die
Mathematik jedoch ist klar: Das Kerngeschäft ist grotesk unterbewertet. Fast
keine andere Aktie in dem Sektor schnitt in diesem Jahr so schlecht ab, hat das
Research der Deutschen Bank in einem Pro-forma-Vergleich ermittelt. Das
Kurs-Gewinn-Verhältnis der künftigen AG liegt 40 Prozent niedriger als bei
Wettbewerbern. Die Geschichte wiederholt sich: Die Siemens-Aktie hatte auch vor
den Abspaltungen von Osram (2013) und Healthineers (2018) eine schlechte
Performance gezeigt, um anschließend aufzuholen.
Eine echte Diskussion über die Siemens-Strategie wird es nicht geben. Das
Management erlaubt keine Live-Teilnahme an der außerordentlichen
Online-Hauptversammlung, die Fragen müssen zuvor eingereicht werden. Dies ist
bedauerlich, denn die eigentliche Bewertungsfrage hätte eine engagierte Debatte
verdient gehabt: ob die Zerlegung in drei Konzerne für Industrie, Medizintechnik
und Energie der richtige Weg ist.
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