22.10.2015 20:50:39

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Börsen-Zeitung: Wer kann lockerer? Kommentar zur EZB von Mark Schrörs

Frankfurt (ots) - Man könnte argumentieren, dass EZB-Präsident

Mario Draghi gestern sehr viel Selbstverständliches geäußert hat:

dass bei der nächsten Sitzung geprüft werden muss, ob die Geldpolitik

noch angemessen ist; oder dass die Experten intern das Für und Wider

weiterer Maßnahmen prüfen sollen. Alles in allem aber hat Draghi sich

in Sachen weitere geldpolitische Lockerung - und zwar schon im

Dezember - nun selbst derart unter Zugzwang gesetzt, dass es kaum

vorstellbar erscheint, wie er da ohne Gesichtsverlust wieder

herauskommen könnte - wenn er denn überhaupt wollte.

Verstehen muss man das nicht - und gutheißen erst recht nicht. Die

Euro-Wirtschaft präsentiert sich bis dato widerstandsfähig. Die

Situation in vielen Schwellenländern, allen voran China, hat sich

gegenüber Sommer stabilisiert, genau wie die Lage an den

Finanzmärkten. In den nächsten Monaten dürfte auch die Inflation

anziehen. Für Aktionismus besteht also kein Grund - zumal dem

zweifelhaften Nutzen etwa von noch mehr Wertpapierkäufen enorme

Risiken gegenüberstehen.

Das EZB-Gebaren erscheint umso zweifelhafter, wenn man zweierlei

berücksichtigt: Führende EZB-Vertreter selbst argumentieren, dass das

Anleihekaufprogramm (Quantitative Easing, QE) erst zu einem Drittel

umgesetzt ist und Geldpolitik oft erst mit langer Zeitverzögerung

wirkt. Warum bricht sich jetzt schon wieder solche Nervosität Bahn?

Zudem räumen sie selbst ein, dass ihre Maßnahmen nur voll wirken,

wenn die Politik Strukturreformen umsetzt. Genau diesen Anreiz

mindert die EZB aber, wenn sie wieder voreilig in die Bresche

springt. Die EZB darf sich da nicht wundern, wenn sich viele Kritiker

darin bestätigt fühlen, dass es ihr gar nicht so sehr um Wachstum und

Inflation gehe, sondern darum, den Finanzministern hoch verschuldeter

Euro-Staaten zu Hilfe zu kommen.

Bedenklich ist auch, wenn nun plötzlich wieder im Raum steht, den

Einlagesatz noch weiter unter null zu drücken. Das kratzt nicht nur

an Draghis Glaubwürdigkeit. Viel entscheidender ist, dass die

befürchteten Risiken für das Funktionieren des Geldmarkts und des

Bankensystems doch nicht obsolet sind.

Sicher macht das Zaudern der US-Fed bei der Zinswende den Job der

EZB schwerer - weil das den Euro stützt. Aber er liegt immer noch

weit unter den Niveaus von Mitte 2014. Zudem hat die EZB stets

gepredigt, keine Wechselkurspolitik zu betreiben. Wenn sich EZB und

Fed nun gegenseitig immer weiter hineinsteigern in einen Wettbewerb

nach dem Motto "Wer kann (geldpolitisch) lockerer?", gibt es am Ende

ganz sicher nur Verlierer.

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