15.09.2015 20:40:39

OTS: Börsen-Zeitung / Börsen-Zeitung: Begrenzte Freizügigkeit, Kommentar zum ...

Börsen-Zeitung: Begrenzte Freizügigkeit, Kommentar zum EuGH-Urteil zur

Sozialhilfe von Stephan Lorz

Frankfurt (ots) - Es kommt eher selten vor, dass ein Urteil des

Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom Plädoyer des Generalanwalts

abweicht. Im Falle der diesmal untersuchten Frage, ob ein Land

arbeitssuchenden EU-Bürgern die Sozialhilfe verweigern darf, war es

aber so. Die Richter entschieden, dass ein Staat durchaus das Recht

hat, seine Sozialsysteme vor Überlastung zu schützen und eine

"unangemessene Inanspruchnahme" zu verhindern.

In vielen Amtsstuben dürfte ein Seufzer der Erleichterung durch

die Reihen gegangen sein. Nicht nur wegen der finanziellen Lasten,

die eine Lösung nach Façon des Generalanwalts Melchior Wathelet

gebracht hätte, sondern auch wegen des damit verbundenen erheblichen

Mehraufwands. Wathelet hatte nämlich eine Einzelfallprüfung gefordert

und im Grunde ein Anrecht auf Sozialhilfe für EU-Bürger schon dann in

Betracht gezogen, wenn deren Kinder in die Schule gehen. Ab und bis

zu einem gewissen Alter der Kinder wäre das also für alle der Fall.

Gemessen daran haben sich die Luxemburger Richter überaus

zurückhaltend gezeigt, zumal sie in der Vergangenheit oft gerade in

die andere Richtung galoppiert sind und europäische Rechtsansprüche

auch auf Sektoren ausgedehnt haben, die davon eigentlich explizit

ausgenommen sind.

Aber auch dieses Urteil kann das Spannungsverhältnis zwischen

gemeinschaftlichen und nationalen Sozialansprüchen natürlich nicht

auflösen. Wie weit geht die finanzielle Solidarität in einem Europa,

wo die Arbeitnehmer Freizügigkeit genießen, das hohe Schutzniveau

etwa des deutschen Sozialsystems aber nur regional begrenzt

aufrechterhalten werden kann?

Natürlich üben hohe Sozialhilfestandards eine gewisse

Magnetwirkung aus. Es wäre aber falsch, die Anziehungskraft nun durch

eine Abschreckungspolitik konterkarieren zu wollen. Denn die

Magnetwirkung hat auch ihr Gutes, wie die Öffnung der

EU-Arbeitsmärkte 2011 gezeigt hat. Damals wurden Hiobsbotschaften

verbreitet von der Überlastung des deutschen Arbeitsmarkts und der

Sozialsysteme. Die haben sich nicht bewahrheitet. Vielmehr hat

Deutschland vom Zuzug profitiert.

Gerade angesichts der demografischen Entwicklung wäre sogar eine

gesteuerte Einwanderungspolitik geboten. Das Urteil gibt hier nun das

nötige Instrumentarium an die Hand, die Pflichten aus der

Freizügigkeit von einer Einwanderungspolitik klar zu trennen. Wenn

vor diesem Hintergrund Menschen weiter gerne nach Deutschland kommen

wollen, umso besser. Andersherum wäre es schlimmer.

OTS: Börsen-Zeitung

newsroom: http://www.presseportal.de/nr/30377

newsroom via RSS: http://www.presseportal.de/rss/pm_30377.rss2

Pressekontakt:

Börsen-Zeitung

Redaktion

Telefon: 069--2732-0

www.boersen-zeitung.de

Eintrag hinzufügen
Hinweis: Sie möchten dieses Wertpapier günstig handeln? Sparen Sie sich unnötige Gebühren! Bei finanzen.net Brokerage handeln Sie Ihre Wertpapiere für nur 5 Euro Orderprovision* pro Trade? Hier informieren!
Es ist ein Fehler aufgetreten!