26.11.2021 20:30:38

OTS: Börsen-Zeitung / Black Friday, Marktkommentar von Kai Johannsen

Black Friday, Marktkommentar von Kai Johannsen

Frankfurt (ots) - Black Friday: Damit verbindet Otto Normalverbraucher die

Rabattschlacht im Einzelhandel Ende November - stationär und online. Da geht man

auf Schnäppchenjagd angesichts kräftiger purzelnder Preise und freut sich über

den günstigen Einkauf. Schwarzer Freitag: Damit verbinden Investoren den

Ausverkauf an den Finanzmärkten - zumeist bei Aktien. Schmerzhaft für viele

Investoren, die auf dem falschen Fuß erwischt werden. Manche nutzen aber auch an

den Finanzmärkten die günstigen Einstiegsgelegenheit. Dieses Jahr fielen sie

beide auf den gleichen Tag - auf just diesen Freitag der abgelaufenen

Handelswoche; das gab es so auch noch nicht.

Gleich zur Eröffnung in Europa gingen die Preise nicht nur im Einzelhandel,

sondern auch bei den risikobehafteten Vermögenswerten auf Tauchstation. Der Dax

- bisher überwiegend in Rekordlaune und auf Jahresendrally-Kurs - rutschte

kräftig ab. Das deutsche Benchmarkbarometer verzeichnete den größten Verlust

seit dem Ausverkauf im März 2020, als die Covid-19-Pandemie die Finanzmärkte das

erste Mal so richtig kalt abduschte.

Auslöser war auch an diesem Freitag die Covid-19-Krise. Auch andere Aktienmärkte

traf der Schlag. An den Rohstoffmärkten ging der Brent-Ölpreis über 12 Prozent

in die Knie - ein klares Zeichen für das, was Investoren an Angst in den Knochen

steckt. Denn der Ölpreis ist bekanntermaßen ein verlässlicher Gradmesser für die

künftige konjunkturelle Aktivität. Das hat sich in der Covid-19-Krise auch immer

wieder gezeigt. Gefragt war bei den Investoren - wie üblich in einer solchen von

Angst geprägten Situation Sicherheit. Sie steuerten den sicheren Hafen der

Bundesanleihen an, und zwar entlang der Kurve. Die zehnjährige Bundrendite nahm

wieder Kurs auf ihr Rekordtief. Bei den Langläufern des Bundes, den 30-jährigen

Bundrenditen, kam die Nulllinie wieder in Sichtweite. Damit ist die

Bund-Renditestrukturkurve gleich wieder komplett in der Negativzone angekommen.

In wenigen Tagen feiert der Bondmarkt ohnehin sein trauriges "Negativ-Jubiläum",

dann sind die Bundrenditen seit einem Jahrzehnt im Minus (gemessen am kurzen

Laufzeitenende)

Nicht nur an den Märkten, sondern auch in weiten Kreisen der Bevölkerung geht

mit der vierten Coronawelle, die nun kurz vor dem Winter Fahrt aufnimmt, die

Angst um. Sie bezieht sich auf eine neue Virusmutation aus Südafrika. Die

Infektionszahlen steigen ohnehin seit Wochen und könnten durch die neue

Südafrika-Variante ihren nächsten Schub bekommen. Wie wirksam werden die bislang

vorhandenen und verimpften Vakzine gegen die nächste Welle und die nächste

Mutation ankommen? Werden bald weitere Virusmutationen die Bevölkerung erfassen?

Wie stark steigt die Hospitalisierung in vielen Ländern an, auch unter den

Geimpften? Das sind bange Fragen, die sich viele stellen. Und damit einher geht

natürlich auch immer die Frage, ob Regierungen die nächsten Maßnahmen wie

Kontaktbeschränkungen, Kindergarten- und Schulschließungen - kurzum den nächsten

Lockdown - beschließen werden, der dann womöglich die Wirtschaft noch heftiger

treffen könnte als die vorherigen Lockdowns. Die Gefahr von Reisebeschränkungen

und erheblichen, unter Umständen länger andauernden Flugverkehrsunterbrechungen

ließen die Aktien der Fluggesellschaften geradezu in den Sturzflug übergehen.

Gefragt waren die Dividendentitel all derjenigen Unternehmen, die im Lockdown

profitieren: Essenslieferdienste, Online-Händler und Gaming-Aktien, aber auch

Papiere der Impfstoffhersteller.

Während die Schnäppchenjagd im Einzelhandel am Black Friday temporär ist, muss

sich in den kommenden Tagen erst zeigen, inwieweit die Anleger die günstigen

Niveaus zum Wiedereinstieg nutzen und die Unsicherheit wieder verschwindet. Die

immer weiter steigenden Infektionszahlen und die Gefahr weiterer Mutationen

lassen aber vermuten, dass sichere Assets wohl gut unterstützt bleiben werden.

Kommen tatsächlich im Winter noch weitere Mutationen, die noch gefährlicher als

die bisherigen Varianten sein sollten, werden Lockdowns immer wahrscheinlicher,

was erhebliche konjunkturelle Beeinträchtigungen nach sich ziehen würde. Der Dax

könnte einen großen Teil seiner bisherigen Performance dann wieder abgeben. Bei

den Bundrenditen wäre noch tiefere Niveaus angesagt. Der Ölpreis würde

angesichts der erlahmenden Wirtschaftstätigkeit eher sinken denn steigen.

Risiko-Assets haben in den nächsten Wochen wohl eher Luft nach unten, sichere

Häfen Luft nach oben. So bitter es auch für viele klingt.

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