17.01.2023 19:26:38
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Auf dünnem Eis, Kommentar zu Börsengängen von Christoph Ruhkamp
Frankfurt (ots) - Vom jetzt offiziell angekündigten Börsengang der
United-Internet-Tochter Ionos wird erhofft, dass er zum Eisbrecher für den
deutschen und europäischen Markt wird. Mit Ausnahme von Porsche im September
muss man bis zum Debüt der italienischen Wasserstofffirma Industrie de Nora im
Juni 2022 zurückgehen, um ein europäisches IPO nennenswerter Größe zu finden.
Prinzipiell hat der Webhosting-Spezialist Ionos das Zeug dazu, die schlechten
Erfahrungen der Investoren mit Technologie-Werten vergessen zu machen. Das
Unternehmen wächst nicht nur schnell, sondern es sollen auch bald vom Umsatz,
der im Jahr 2023 bei 1,4 Mrd. Euro liegen dürfte, mehr als 30 % als operativer
Gewinn hängenbleiben.Für Investoren gibt es indes zwei Warnzeichen: Sie sollen
das 14-Fache vom operativen Gewinn für die Aktien zahlen - eine Bewertung, die
zwar hinter den Tech-Übertreibungen des Jahres 2021 zurückbleibt, aber in einem
Umfeld mit hohen Abflüssen aus Aktienfonds ehrgeizig wirkt. Und es gibt
keinerlei neue Aktien, deren Erlös das weitere Wachstum finanziert. Vielmehr
machen nur die beiden Altaktionäre Kasse - United Internet (75,1 %) und der
Finanzinvestor Warburg Pincus (24,9 %).Selbst wenn das gut geht, wird Ionos kein
Eisbrecher in dem Sinne, dass sofort etliche Nachahmer folgen würden. Dafür ist
es zu spät. Nach der 135-Tage-Regel darf der letzte Finanzabschluss nicht länger
zurückliegen, als es ebenjener Zeitspanne entspricht. Das nächste Zeitfenster
für IPO-Kandidaten wie den Tankkartenanbieter DKV Mobility, die
Springer-Stellenbörse Stepstone oder den Medikamentengläschenhersteller Schott
Pharma kommt also erst Ende März mit der Jahresbilanz für 2022 im Gepäck. Dass
es jetzt noch auf die Schnelle zu einer "Block-Bonanza" kommt, bei der mehrere
IPOs um die Aufmerksamkeit der Anleger konkurrieren, ist unwahrscheinlich. In
der dritten Woche des Jahres ist es auf Europas Markt für Aktienemissionen immer
noch ruhig - obwohl der Volatilitätsindex Vix, das "Angstbarometer", unter die
Marke von 20 gefallen ist, deren Unterschreiten als Voraussetzung für
Börsengänge gilt, und obwohl die europäischen Märkte fast durchweg im grünen
Bereich notieren, der Euro Stoxx 50 mit einem Plus von fast 10 %. Viele
Alteigentümer warten auf weitere Kursgewinne, bevor sie per IPO
aussteigen.Die noch ausstehende Veröffentlichung der Jahresergebnisse der
Unternehmen ist dabei der wichtigste Faktor, der die Emissionstätigkeit bremst,
und es wird erwartet, dass dies die Aktivität noch einige Wochen lang dämpft,
bis die Märkte die Bilanzen verdaut haben. Der Schlüssel zu einem gut
funktionierenden Aktienemissionsmarkt liegt in Stabilität und Transparenz der
Entwicklung der nächsten sechs Monate. Investoren ist es wichtig zu wissen, wann
die Zentralbanken ihre Straffungsmaßnahmen abgeschlossen haben und wann die
Lieferketten wieder repariert sind, damit der Markt wieder in Fahrt kommt.Die
Abschwächung der Null-Covid-Politik in China und die Verbesserung der
Inflationsaussichten helfen bereits. Da Anleihen aber nun zum ersten Mal seit
Jahrzehnten attraktive Renditen abwerfen, gibt es jetzt eine Alternative zu den
Aktienmarktrenditen. Das legt die Messlatte für IPO-Investitionen höher.
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