Oettinger: Südkorridor für kaspisches Gas muss über 10 Mrd cbm liefern

   Von Ali Uluçay

   FRANKFURT--Eine neue Gasleitung von der kaspischen Region nach Europa, der so genannte Südliche Korridor, muss nach Ansicht von EU-Energiekommissar Günther Oettinger jährlich deutlich mehr als zehn Milliarden Kubikmeter (cbm) Gas liefern. "Wenn wir den Südlichen Korridor dauerhaft für nur zehn Milliarden Kubikmeter sehen, lohnt sich der Aufwand nicht", sagte Oettinger am Mittwoch auf dem "1. Frankfurter Gasforum".

   Da der EU-Bedarf an Erdgas langfristig auf 600 Milliarden Kubikmeter von derzeit 500 Milliarden steigen werde, seien mindestens 30 Milliarden Kubikmeter Gaslieferungen aus der kaspischen Region erforderlich. "Wir können mit zehn Milliarden beginnen, aber 30 Milliarden sind langfristig ein nennenswerter Beitrag für Wettbewerb und Diversifizierung auf dem Gasmarkt", erklärte Oettinger. "Den Zorn von Putin (russischer Präsident) wegen zehn Milliarden auf sich zu ziehen, lohnt sich nicht", betonte der EU-Kommissar.

   Ab dem Jahr 2018 sollen rund zehn Milliarden Kubikmeter Erdgas vom aserbaidschanischen Feld Shahdeniz II, das von den Konzernen BP und TOTAL entwickelt wird, in die EU-Länder fließen, weitere sechs Milliarden gehen an die Türkei. Den Transport vom Gasfeld nahe Baku will die aserbaidschanisch-türkische Pipelinegesellschaft TANAP übernehmen. Für den Weitertransport von der türkischen Westgrenze nach Europa haben sich die beiden Konsortien Nabucco und TAP beworben.

   Oettinger äußerte sich in Frankfurt skeptisch darüber, ob die geplanten sechs Milliarden Kubikmeter der Türkei reichen werden. "Ich bin mir sicher, die Türken werden mehr für sich beanspruchen, irgendwann sind es acht, dann zehn, zwölf und am Ende will die Türkei die gesamten 16 Milliarden aus Aserbaidschan". Deshalb sei es wichtig, langfristig auch Gaslieferungen aus anderen Ländern wie Turkmenistan nach Europa in den Südlichen Korridor mit einzubeziehen. Aserbaidschan sei bereit, neben seiner Rolle als Gaslieferant auch als Transitland für turkmenisches Gas zu fungieren.

   Zweitrangig sei dabei die Frage, welche Pipeline - Nabucco-West oder TAP - das Erdgas aus der kaspischen Region von der türkischen Westgrenze nach Europa bringt. "Die Kommission ist bei dieser Frage neutral", so Oettinger. Für ihn sei es sinnvoll, beide Leitungen zu bauen, um auf lange Sicht die Transportkapazitäten weiter zu erhöhen und das EU-Gasnetz über Italien bis nach Algerien auszubauen. "Mein Traum ist, dass das Mengengerüst so hoch sein wird, dass für beide Pipelines Investoren gefunden werden", so Oettinger.

   Der EU-Kommissar wies darauf hin, dass die Gaslieferungen für Aserbaidschan nicht nur ein wirtschaftliches Interesse bedeuteten. Das Land wolle sich politisch und kulturell stärker an die EU binden und sei trotz Demokratiedefizite weiter als andere Ex-Sowjetrepubliken wie beispielsweise Belarus. Daher sei es notwendig, schnelle Entscheidungen in den EU-Ländern zu treffen, um mit dem Bau der geplanten Gas-Pipelines zu beginnen.

   Für die EU und insbesondere für Deutschland - als größten Gasmarkt Europas - sei Gas auch langfristig nicht wegzudenken vom Energie-Mix. Gas sei keine Brückenressource und Gaskraftwerke seien keine Brückentechnologie im Übergang zu erneuerbaren Energien, erklärte der EU-Kommissar. "Ich glaube an einen dauerhaften Einsatz von Erdgas in Europa für die nächsten 50 Jahre", so Oettinger.

   Kontakt zum Autor: unternehmen.de@dowjones.com

   DJG/aul/mgo

   (END) Dow Jones Newswires

   November 28, 2012 12:53 ET (17:53 GMT)

   Copyright (c) 2012 Dow Jones & Company, Inc.- - 12 53 PM EST 11-28-12