05.11.2023 14:39:38
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Nach von der Leyens Besuch: Ukraine hofft auf EU-Verhandlungen
KIEW (dpa-AFX) - Nach dem Besuch von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Kiew stellt sich der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj auf den Beginn von EU-Beitrittsverhandlungen noch in diesem Jahr ein. "Heute habe ich positive Signale von der Präsidentin der EU-Kommission gehört hinsichtlich unseres Fortschrittes für einen Start der Verhandlungen", sagte Selenskyj am Samstag in einer abendlichen Videobotschaft.
Von der Leyen hatte der Ukraine zuvor bei ihrem sechsten Besuch seit der russischen Invasion vor gut 20 Monaten Reformerfolge bescheinigt. "Sie führen einen existenziellen Krieg, und gleichzeitig sind Sie dabei, Ihr Land tiefgreifend zu reformieren", sagte sie bei einer Pressekonferenz zu Selenskyj. Von der Leyen hob die Reform des Justizsystems, die Eindämmung des Einflusses der Oligarchen und die Bekämpfung der Geldwäsche hervor. "Dies ist das Ergebnis harter Arbeit, und ich weiß, dass Sie dabei sind, die noch ausstehenden Reformen zu vollenden."
27 EU-Staaten müssen einstimmig entscheiden
Am kommenden Mittwoch legt von der Leyen in Brüssel den Bericht zu den Reformfortschritten der Ukraine vor. Auf dieser Grundlage wollen dann im Dezember die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union entscheiden, ob Verhandlungen mit der Regierung in Kiew aufgenommen werden. Einem solchen Schritt müssen alle 27 Mitgliedstaaten zustimmen. Die EU hatte die Ukraine schon im vergangenen Jahr wenige Monate nach der russischen Invasion zum Beitrittskandidaten erklärt.
Nun soll dieses Versprechen konkret werden. In einer Rede vor der Obersten Rada, dem ukrainischen Parlament, sagte von der Leyen, die Ukraine erfülle die Voraussetzungen für Verhandlungen zu "deutlich über 90 Prozent". Diese Aussage deutet daraufhin, dass am Mittwoch noch nicht alle sieben Voraussetzungen für Verhandlungen uneingeschränkt als erfüllt beurteilt werden. Denkbar ist aber ein zweistufiges Verfahren: Die Kommission könnte den EU-Staaten empfehlen, den Start der Beitrittsverhandlungen zu beschließen, den ersten Verhandlungstermin aber erst nach Erfüllung aller Reformauflagen festzulegen.
Selenskyj spricht von "historischem Moment"
Damit würde die EU ein klares Signal des Beistands an die Ukraine senden und sie gleichzeitig zu weiteren Reformanstrengungen ermutigen. Selenskyj sprach bei seinem Treffen mit von der Leyen von einem "historischen Moment". Diese Entscheidung werde nicht nur für die Ukraine, sondern auch für die Geschichte ganz Europas eine Schlüsselrolle spielen.
Nach der Abreise von der Leyens rief Selenskyj die Ukrainer dazu auf, sich an die Integration in die EU zu gewöhnen. Die Zeit, da die ukrainische Flagge in Brüssel mit den Fahnen anderer EU-Staaten wehen werde, rücke näher. Es gehe nicht darum, dass die EU der Ukraine etwas vorschreibe. "Die Transformation unseres Landes ist etwas, das wir selbst brauchen", sagte er.
Öfter in der Ukraine als Baerbock und Scholz zusammen
Von der Leyen kam mit einem Sonderzug von Polen nach Kiew, da der Luftraum über der Ukraine immer noch gesperrt ist. Selenskyj empfing sie schon am Bahnhof - eher ungewöhnlich bei solchen Besuchen - und ehrte dort mit ihr zusammen Mitarbeiter der Bahn.
Kaum ein westlicher Spitzenpolitiker hat das Kriegsgebiet so häufig besucht wie von der Leyen. Sie war am Samstag zum sechsten Mal dort und damit häufiger als Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (viermal) und Bundeskanzler Olaf Scholz (einmal) zusammen.
Im April 2022 war von der Leyen die erste Verbündete, die den Kiewer Vorort Butscha nach einem Massaker der russischen Angreifer besuchte und sich dort zwischen ausgebrannten Panzern und schwarzen Leichensäcken bewegte. Vom "grausamen Gesicht von Putins Armee" sprach sie damals, von "Rücksichtslosigkeit" und "Kaltherzigkeit". Es ging aber auch schon um den EU-Beitritt der Ukraine. "Wir stehen an Eurer Seite, wenn Ihr von Europa träumt", sagte von der Leyen damals.
Beitrittsverhandlungen können lange dauern
Seitdem arbeitet Selenskyj daran, seinem Land den Traum zu erfüllen. Ob und wann er wahr wird, ist aber offen. Beitrittsverhandlungen können viele Jahre dauern. Einen festen Zeitplan gibt es für so etwas nicht und auch keinen Automatismus, dass am Ende der Beitritt steht. Das mussten auch schon die Staaten des westlichen Balkans schmerzlich erfahren, die seit mehr als 20 Jahren in die EU streben.
Grundsätzlich sind viele in der EU der Ansicht, dass eine Aufnahme von großen Ländern wie der Ukraine auch nur dann zu einem Erfolg werden kann, wenn es zuvor interne Reformen gibt. Die Entscheidungsprozesse im Bereich der Außenpolitik sind beispielsweise schon heute teilweise sehr schwerfällig, weil in der Regel das Einstimmigkeitsprinzip gilt./mfi/aha/mau/DP/he
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