21.01.2017 00:17:56
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Mittelbayerische Zeitung: Schatten und Licht / Der Regensburger Spendenskandal bekräftigt die Staatsverdrossenen - sendet aber auch ein beruhigendes Signal
Regensburg (ots) - Es ist ein Desaster, für die Stadt, aber auch
für das Gemeinwesen. Die ungeheuerlichen Vorgänge im Regensburger
Rathaus bestätigen alle Politik(er)verdrossenen, die das Wort
Volksvertreter immer schon in Anführungszeichen setzten. Denn "die da
oben" stopfen sich ja ohnehin nur die Taschen voll - und zwar auf
Kosten des Steuerzahlers. Ja, das idyllische Donaustädtchen sendet
gerade verheerende Signale ins Land. Einerseits. Andererseits geht
von hier auch eine starke, vertrauensbildende Botschaft aus: Die
Ermittlungsbehörden leisten gute Arbeit. Bis zum Hals im Morast
stecken der amtierende Oberbürgermeister und sein Vorgänger. Und
viele Bürger fragen sich jetzt, wie die mindestens fragwürdigen,
wahrscheinlich sogar strafbaren Deals über Jahre ohne Mitwisser in
Verwaltung und Kommunalpolitik abgewickelt werden konnten. Die ganze
Stadtpolitik ebenso wie die Verwaltung muss um ihr Ansehen fürchten.
Dabei weisen städtische Angestellte Kaffeekassenspenden über zehn
Euro stets höflich aber bestimmt zurück. Nähmen sie mehr an, könnten
sie ihren Job verlieren. Der Schaden ist enorm. Welches Unternehmen
wird in Regensburg investieren, bevor endgültig alle Mauscheleien
offengelegt sind? Wer will sich in solchen Zeiten noch in der Politik
engagieren? Die Aufbruchstimmung, die mit der Wahl von Joachim
Wolbergs einherging, ist bodenloser Enttäuschung gewichen.
Fassungslosigkeit herrscht vor allem bei denjenigen, in deren Augen
die seit Juni 2016 laufenden Ermittlungen nichts anderes als eine
groß angelegte gemeinschaftliche Verschwörung sein konnten:
Politische Gegner und Medien wollten einen erfolgreichen
SPD-Politiker zur Strecke bringen. Dass Berichterstatter den
Oberbürgermeister "wie Freiwild" behandelten, wurde kritisiert, von
Hetzkampagnen war die Rede. Wolbergs selbst ging in die
Vorwärtsverteidigung. Alle Versuche, den OB zum Opfer einer
instrumentalisierten Justiz zu stilisieren, sind aber spätestens seit
Donnerstag hinfällig. Seither wissen wir, dass auch die
Vorermittlungen gegen den ehemaligen CSU-OB Hans Schaidinger
Verdächtiges zutage gefördert haben. Sollte es eines Beweises
bedürfen, dass die Strafverfolgungsbehörden ohne Ansehen des
Parteibuchs arbeiten, ist er damit erbracht. Dem Paukenschlag - der
Verhaftung von drei Verdächtigen - wird nun voraussichtlich erst
einmal weiteres akribisches Sichten folgen. Wieder wurden von der der
13-köpfigen Ermittlungskommission Unterlagen sichergestellt,
vermutlich werden über die bisher zwei Millionen E-Mails hinaus noch
viele weitere unter die Lupe genommen. Die Strafverfolger agieren
"nicht mit Schaum vor dem Mund, aber auch nicht zahnlos", wie die
Staatsanwaltschaft ihr Selbstverständnis formuliert. Man muss den Mut
und die Konsequenz anerkennen, mit der die Behörden daran gegangen
sind, Vorfälle aufzuarbeiten, die sich irgendwo im Grenzbereich
zwischen Gefälligkeiten, Hinterzimmer-Handschlaggeschäften und
handfester Kriminalität abgespielt haben. Von einem "einzigartigen
Fall" ist in den letzten Tagen bundesweit die Rede. Das bezieht sich
auf das Ausmaß der Vorwürfe, aber auch auf die Aufklärungsarbeit der
Behörden. Die stehen seit den NSU-Morden und zuletzt dem Fall Amri
heftig in der Kritik. In Regensburg beweisen sie gerade, dass die
Bürger Vertrauen in diesen Staat haben können. Sie untermauern das,
was Bundespräsident Joachim Gauck in seiner Abschiedsrede als
wichtigen Beweis für die Funktionsfähigkeit und Wehrhaftigkeit der
Demokratie in Deutschland angeführt hat: Das Recht ist nicht in der
Hand der Macht. Und irgendwann kommt jede Mauschelei ans Licht.
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