27.07.2014 19:40:58
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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel von Isolde Stöcker-Gietl zum neuen Grundschullehrplan in Bayern
Regensburg (ots) - Der neue Lehrplan für die bayerischen
Grundschulen kommt mit einem PLUS. Ein Plus steht für etwas
Positives, für einen Mehrwert. Er soll Bayerns Schüler noch besser
machen im nationalen und internationalen Bildungswettbewerb. Nach der
letzten Lehrplanreform für Grundschulen im Jahr 2000, die von der
damaligen Kultusministerin Monika Hohlmeier (CSU) noch vor dem
PISA-Schock initiiert wurde, war die Zeit reif für Neuerungen. Darin
herrschte Einigkeit zwischen Kultusministerium, Lehrern und Eltern.
Nun liegt das über 300 Seiten starke Werk vor. Am Großen und Ganzen
wurde wenig gedreht. Zurecht. In der Grundschule müssen die Kinder
Lesen, Schreiben und Rechnen lernen. Dazu einen Grundstock an
Allgemeinwissen bilden. Das ist das Ziel. Verändert hat sich die
Philosphie, wie man dorthin kommen will. Mehr denn je wird mit dem
neuen Lehrplan der Lernerfolg der Kinder vom Engagement der Lehrer
abhängen. Der Erwerb von Kompetenzen scheint nun der Schlüssel im
internationalen Wettstreit um die besten Köpfe zu sein. Das
Kultusministerium umschreibt den Begriff übrigens so: "Die
didaktische Leitidee ist der kompetenzorientierte Unterricht mit dem
Ziel, die Verbindung von Wissen und Können in einer Vielfalt von
variablen Anwendungssituationen herzustellen und die Schülerinnen und
Schüler zu verantwortungsvollem Handeln zu befähigen." Wie sich das
genau im Unterricht umsetzen lässt, dazu wurden Bayerns
Grundschullehrer zwar in den vergangenen Monaten umfassend geschult,
doch erst die Praxis wird zeigen, was machbar ist und was nicht. Der
Bayerische Lehrerinnen- und Lehrerverband (BLLV) hat auch sogleich
den Finger in die Wunde gelegt. Gute Bildung brauche nicht nur gute
Lehrer, sie brauche auch die nötigen personellen und finanziellen
Ressourcen, mahnt die Lehrervereinigung an. Dabei sieht sich Bayern
in der Bildungspolitik gerne als der Klassenprimus, als das
Bundesland, das seine Bildungshausaufgaben gemacht hat. Fast elf
Milliarden Euro beträgt in diesem Jahr der Bildungshaushalt. Pro
Schüler werden rund 7100 Euro ausgegeben - im Bundesdurchschnitt sind
es nur 6500 Euro. Die Archillesferse bleibt der Ausbau der
Ganztagesbetreuung. Hier muss Bayern noch immer viel nachholen, wie
die Bertelsmann-Stiftung 2013 in einer Analyse ein weiteres Mal
festgestellt hat. Zu lange hatte man sich in CSU-Kreisen gegen das
ganztägige Schulmodell gewehrt, das die damalige Bundesregierung
unter Gerhard Schröder (SPD) als Konsequenz aus dem PISA-Schock mit
einer milliardenschweren Förderung vorantrieb. Deshalb ist der
Freistaat noch immer Schlusslicht beim Ausbau. Was sich aber wohl
eher im Unmut der Eltern, die eine Vereinbarkeit von Familie und
Beruf wünschen, bemerkbar macht, als in den Schulnoten. Denn egal ob
PISA, IGLU oder TIMSS: Bayerns Schüler sind mit an der Spitze. Damit
das auch so bleibt, werden nun also die Lehrpläne sämtlicher
Schularten Bayerns durchforstet und den 2004 von der
Kultusministerkonferenz formulierten Bildungsstandards angepasst. Für
das Kultusministerium hängt viel davon ab. Schließlich sollen
schrittweise sämtliche weiterführende Schulen an den
Grundschullehrplan PLUS andocken und den Kompetenzgedanken als
Unterrichtsphilosophie weitertragen. Auf Erfolgsmeldungen aus den
Grundschulen werden alle Beteiligten bis 2018 warten müssen. Erst mit
dem ersten Übertrittsjahrgang, so heißt es in Lehrerkreisen, würden
Verbesserungen tatsächlich messbar. Denn am Ende geht es wieder um
Noten. Schaffen mehr Schüler die Vorgaben für das Gymnasium oder den
Übertritt an eine Realschule? Verbessern sich die Chancen für Kinder
mit Migrationshintergrund oder aus bildungsfernen Familien? Eltern
werden die Leistung der Lehrer auch in Zukunft an den magischen
Zahlen 2,33 und 2,66 ablesen. Der Kompetenzerwerb wird den Notendruck
nicht verdrängen können. Die Eltern vertrauen darauf, dass die Lehrer
den Schülern das Rüstzeug beibringen, das sie für einen guten Start
an einer weiterführenden Schule brauchen. Wie man das dann im
Lehrplan nennt, ist ihnen egal.
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